Die Weißtanne ist Baum des Jahres 2004

Die Weißtanne ist Baum des Jahres 2004

Rückgang um 90 Prozent durch Wildverbiss und Fichtenanbau

WeisstanneDie Weißtanne steht für eine naturgerechte, nachhaltige Waldwirtschaft und weist auf die Empfindlichkeit von Bäumen gegenüber Umweltveränderungen hin. Sie macht, wie kaum eine andere Baumart Beeinträchtigungen durch Luftschadstoffe deutlich und fordert zu Lösungen auf, so Silvius Wodarz vom Kuratorium Baum des Jahres.

Die Weißtanne wächst zu einem mächtigen Baum heran. In der Oberkrone entwickelt sich dann ein gut erkennbares so genanntes Storchennest, die Vorherrschaft des Wipfeltriebes geht verloren und die Seitenäste bilden eine abgeflachte Kronenspitze. Weiß-Tannen können als höchste Bäume Europas bis zu 65 Metern hoch werden. Sie erreichen ein Höchstalter von 500 bis 600 Jahren.

Die Weißtanne hat eine große Wurzelintensität. Sie dringt mit ihrer Pfahlwurzel, die sich später zu einem kräftigen Herzwurzelsystem entwickelt, tief in den Boden ein. Sie erschließt sich so tiefere Bodenschichen und erreicht eine große Standfestigkeit.

Die helle Rinde gab den Namen
Die Tannenrinde, in der Jugend glatt, später schuppig und mit zahlreichen Harzblasen, ist auffallend hell-grau. Daher der Name Weißtanne. Die Nadeln sind weich und an der Spitze stumpf. Sie stehen auf kleinen Füßchen, die wie Saugnäpfe am Zweig befestigt sind. Die Nadeln duften wunderbar, wenn man sie zwischen den Fingern zerreibt. Die Nadeln werden rund zehn Jahre alt, im Hochgebirge auch schon 14 – ein Rekord unter den heimischen Nadelbaumarten. Sie sind gut zersetzlich. Die günstigen Inhaltstoffe machen sie allerdings zum Leckerbissen für das Wild, das die jungen Tannen stark verbeißt.

Die junge Weißtanne verträgt viel Schatten und kann bis zu 150 Jahre darauf warten, dass sie nach Absterben oder Fällen von Altbäumen vom Licht "wachgeküsst" wird. Weißtannen blühen spät in ihrem Leben, nämlich erst mit etwa 50 Jahren. Die aufrecht stehenden weiblichen Blütenstände reifen im Herbst zu bis zu 16 Zentimeter großen Tannenzapfen heran. Diese stehen auf den Zweigen – bei fast allen anderen Nadelbäumen hängen die Zapfen. Die Samen fallen aus den stehenden Zapfen und segeln zu Boden, übrig bleibt die stehende Spindel.

Vom Flachland bis auf 2000 Meter Höhe
Die Tanne bevorzugt luftfeuchte Lagen mit mindestens 600 Millimetern Jahresniederschlag. In den Alpen kann sie bis auf 2000 Meter steigen, woanders ist sie eine Baumart des Flachlandes. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet ist das südliche Mittel- und Südosteuropa. In Deutschland verläuft die Nordgrenze der natürlichen Verbreitung vom Schwarzwald über Thüringen und das Erzgebirge in die Niederlausitz. Im so genannten ozeanischen Klima mit seiner hohen relativen Luftfeuchtigkeit und ausgeglichenen Temperaturen gedeiht sie aber auch in Nordwestdeutschland, Schleswig-Holstein und sogar in Dänemark.

Die Weißtanne ist die Baumart mit dem stärksten Rückgang ihrer Vorkommen in den letzten 200 Jahren. 90 Prozent der ursprünglichen Fläche sind verloren. Eine wesentlicher Grund ist die eiszeitliche Wanderungsgeschichte der Weißtanne. Sie hat die Eiszeiten in nur kleineren, von einander getrennten Populationen überdauert. Das führte zum Verlust von Genen und zur Inzucht und hat ihre heutige verringerte Anpassungsfähigkeit zur Folge. Sie ist anfällig und empfindlich gegen Trockenheit, Klimaveränderungen und Luftschadstoffe.

Geschädigte Tannen produzieren tauben Samen
Der Verbiss durch Rot- und Rehwild macht der Tanne ebenso zu schaffen wie Kahlschläge, Übernutzung, zu starke Beschattung oder umgekehrt zu plötzliche Freistellung und die Konkurrenz der Fichte. Die geschädigten Tannen produzieren einen extrem hohen Anteil tauber Samen. Ihr ist zu helfen durch das gezielte Zusammenführen der isolierten Restbestände – zum Beispiel Pflanzung und künstlicher Pollenaustausch. Rein konservierender Naturschutz wäre schädlich. Die Weißtanne bietet Lebensraum für Insekten, Vögel und Pilze. Einer der wichtigsten Pilzpartner ist der Pfifferling.

Harzfreies Holz vielseitig verwendbar
Das Holz der Weiß-Tanne ähnelt dem der Fichte und wird zu seinem Nachteil meist ohne Unterscheidung mit diesem verkauft. Es ist aber heller und harzfrei, was die Verwendbarkeit und Imprägnierbarkeit verbessert. Erst wurde die Weiß-Tanne in den Wäldern reduziert und dann wurde ihr Holz mit der Fichte vermengt, wodurch ihre günstigen Eigenschaften unbeachtet bleiben. Das Holz lässt sich gut bearbeiten, verleimen und spalten. Verwendung als Bau- und Konstruktionsholz, Innenausbau, Dielenböden, Möbel, als Resonanzholz bei Musikinstrumenten, Dachschindeln, Zellstoff- und Spanplattenherstellung und neuerdings für Hightech-Produkte wie Thermoholz oder Superlammellen. Der Turm des Freiburger Münsters trägt innen tausendjähriges Tannengebälk und Teile Amsterdams sollen auf Tannenpfählen stehen. Das berühmt gewordene Dach der Expo Hannover wurde aus 70 starken Tannen hergestellt und Rüdiger Nehberg hat auf einem 17 Meter langen, 350 Jahre alten Tannenstamm allein den Atlantik überquert.

Tannenhonig ist eine besondere Rarität. Die Inhaltsstoffe der Nadeln geben Kräuterbädern eine eigene Note. Das Tannenharz, auch als „Elsässer Terpentin“ im Handel war in vielen Pflastern und Salben enthalten und Tannenbier spielte im Mittelalter eine „berauschende“ Rolle.

Die meisten Tannenbäume sind keine
Und schließlich – "Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum" – werden allein in Deutschland jährlich fast 30 Millionen "Tannenbäume" zu Weihnachten aufgestellt. Die wenigsten davon sind heute allerdings Weiß-Tannen – aber mit Tannen fing es tatsächlich an. 1539 stand im Straßburger Münster der erste urkundlich erwähnte Weihnachtsbaum. Schon bei den alten Germanen hatte die Tanne wegen ihrer immergrünen Zweige Kult-Bedeutung. So wurden um die Wintersonnenwende Tannenzweige auf öffentliche Plätze und vor die Häuser gelegt.

Quelle: Kuratorium "Baum des Jahres", www.baum-des-jahres.de .