Gentechnik in der Landwirtschaft |Süddeutsche Zeitung vom 13.01. 2004

Gentechnik in der Landwirtschaft
Schwieriges Nebeneinander

Monatelang stritten SPD und Grüne über die "grüne Gentechnik" – nun hat sich die Bundesregierung auf Regeln für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen geeinigt. Doch was vor allem Rechtssicherheit schaffen soll, dürfte in der Praxis für viele Probleme sorgen.

Von Andreas Hoffmann

Sie hat sich Zeit gelassen, die Verbraucherschutzministerin Renate Künast. Ursprünglich sollte die Bundesregierung das neue Gentechnikgesetz bereits im Oktober 2002 fertig gestellt haben.

Diesen Termin hatte die Europäische Kommission Deutschland vorgegeben, um die neue EU-Freisetzungsrichtlinie für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in nationales Rwecht umzusetzen. Der Gesetzentwurf aber zog sich hin, im Kabinett rang die streitbare Grüne Künast zäh mit Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Forschungsministerin Edelgard Bulmahn.

Kompromiss ist eine „gute Regelung

Beide SPD-Minister drängten auf liberale Gentechnik-Regeln für die Wirtschaft, Künast wollte ihre Anhängerschaft bedienen. Gentechnik ist ein grünes Herzensanliegen. Nun hat sie einen Kompromiss erzielt, den sie mit ihrem Sinn für politische Marketing als „gute Regelung“ preist.

Der jetzt abgestimmte Gesetzentwurf soll das Nebeneinander in der Landwirtschaft regeln. Hier stellen sich viele Fragen: Wie gehen Bauern miteinander um, wenn der eine gentechnisch verändertes Saatgut auspflanzt und der Nachbar nicht? Wer haftet für mögliche Schäden? Der Entwurf sieht nun vor, dass grundsätzlich – wie im Bürgerlichen Gesetzbuch – der Verursacher für einen Schaden haftet.

Im konkreten Fall wäre dies also der Landwirt, der auf seinem Acker gentechnisch veränderten Mais oder Raps anbaut und dadurch Schäden auf den Nachbar-Äckern anrichtet, beispielsweise durch Pollenflug. Ein weiterer Verursacher könnte auch ein Saatguthersteller sein, der sein Produkt nicht genau gekennzeichnet hat.

Geklärt ist auch, was ein Schaden sein könnte. Dazu zählt etwa, wenn - als Folge einer Verunreinigung - ein Bauer seine Erzeugnisse nicht mehr als gentechnikfrei verkaufen kann. Vielleicht sind die Verunreinigungen in seinen Feldfrüchten auch so groß, dass er seine Erzeugergemeinschaft verlassen muss, die für gentechnikfreie Produkte geworben hat. Diesen finanziellen Verlust muss ihm dann der Verursacher ersetzen.

Durchsetzen muss der Bauer seine Ansprüche vor den Zivilgerichten. Dazu will Künast auch ein Standortregister einführen, jeder Bauer soll wissen, auf welchen Flurstücken Genpflanzen wachsen – und wo nicht. Dazu will die Ministerin konkrete Regeln in einer Verordnung festlegen.

Dabei geht es etwa um Mindestabstände zwischen Feldern oder Schutzhecken, wobei die Vorgaben für einzelne Pflanzen höchst unterschiedlich sind. Raps breitet sich etwa leichter aus als Mais. Für Naturschutzgebiete gelten dazu spezielle Vorschriften.

Greenpeace: „Mogelpackung

In der Praxis werden aber eine Reihe Probleme auftauchen. Bislang konnte sich die EU etwa nicht darauf verständigen, wann Saatgut gentechnisch verändert ist. Die entsprechenden Grenzwerte sind zwischen den Mitgliedsstaaten umstritten. Für den Bauer bedeutet das Unsicherheit; er weiß nicht, wann Saatgut als verunreinigt gilt. Schwierig wird es auch, wenn ein Bauer vor einem Gericht den Schaden nachweisen muss.

Die Beweislage ist kompliziert, der Instanzenweg lang. Verbraucherschützer fordern daher eine Umkehr der Beweislast. Unklar sei auch die Finanzierung des Standortregisters. Dies bedeute einen „immensen Verwaltungsaufwand“ für eine „Technologie, deren Nutzen sich sehr in Grenzen hält“, sagt Carel Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Greenpeace hält das Gesetz gar für eine „Mogelpackung“.

Auch die Verbraucherschutzministerin drängte früher auf schärfere Regeln, etwa bei der Haftung. Doch Künast scheiterte an ihrer Kabinettskollegin Edelgard Bulmahn. Nun rechtfertigt sie sich damit, ihr Gesetz setze „der Macht des Faktischen etwas entgegen“.

Gentechnisch veränderte Pflanzen würden sich immer mehr ausbreiten, schon deshalb müsse die Politik eingreifen. Im Februar soll das Kabinett den Entwurf absegnen, bis zum Sommer soll er die parlamentarischen Hürden genommen haben. In der Grünen-Fraktion wurde daran bisher keine Kritik laut. Allerdings muss auch der unionsdominierte Bundesrat dem Entwurf zustimmen.

Am Mittwoch will das Kabinett zudem weitere Gentechnik-Regeln beschließen. Dabei geht es um die Kennzeichnung von Gen-Produkten. Sollte ein Unternehmer ein Erzeugnis fehlerhaft kennzeichnen, droht ihm eine Geldbuße. Von April an müssen Produkte einen Hinweis erhalten, wenn für sie gentechnisch veränderte Organismen eingesetzt wurden.

SZ vom 13.1.2004

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