Infoveranstaltung der Grünen zum Kohlekraftwerk in Dörpen am 30.05.2007 |
Breite Ablehnung eines Kohlekraftwerkes in Dörpen
"Technik des vergangenen Jahrhunderts"
Auf große Zustimmung stieß Stefan Wenzel, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im
Niedersächsischen Landtag, als er im vollbesetzten Saal der Gaststätte Westhus in
Dörpen seine Gründe für eine Ablehnung des geplanten Kohlekraftwerkes in Dörpen
aufzählte.
Er nannte auf der Infoveranstaltung der "Grünen" das Großkraftwerk eine
"Technik des vergangenen Jahrhunderts". Das Kohlekraftwerk sei keine Anlage im
Sinne der Klimaschutzziele, die gerade in diesen Tagen verstärkt diskutiert würden. Ein
Kohlekraftwerk könne nur ca. 40 Prozent der eingesetzten Energie nutzen, Gaskraftwerke
hätten immerhin einen Ausnutzungsgrad von ca. 60 %. Bei dezentralen
Kraftwärmekopplungsanlagen sei ein Nutzungsgrad von bis zu 85 % erreichbar.
Er könne sich nicht vorstellen, dass die riesigen Abwärmemengen eines Kraftwerkes in
Dörpen in irgendeiner Weise sinnvoll genutzt werden könnten.
Klaus Fleer (SPD) ergänzte in
einer Wortmeldung, das Nordland Papier z. B. nur 1% des Abwärme nutzen könnte.
Die Klimaschutzziele seien erreichbar, wenn 50 % des bisherigen Energieverbrauchs
eingespart würden, was durch eine effizientere Energienutzung möglich sei. Dabei seien
nicht einmal die Möglichkeiten durch erneuerbare Energiequellen berücksichtigt.
Die Investoren für das Dörpener Kraftwerk seien noch nicht bekannt, aber bei den ca. 30 in der BRD geplanten
Kraftwerksbauvorhaben kämen die Investoren stets aus dem Kreis der großen 5
Energiekonzernen, die in verschiedener Zusammensetzung Tochterfirmen für die
Projektdurchführung gründeten. Die Stromkonzerne hätten Interesse an einer Zementierung
der gegenwärtigen Verhältnisse auf dem Energiemarkt. Großprojekte der Dörpener Art
sollten die Abhängigkeit von den Konzernen festschreiben. Die Alternative im Sinne der
Klimaschutzziele und auch der Energieverbraucher sei der Aufbau eines dezentralen Netzes
zur Energieversorgung, wie es beispielhaft im niedersächsischen Dorf Jühnde entstanden sei. Hier habe man
erreicht, dass 100% der Energie aus erneuerbaren Energiequellen stamme. Das habe vor Ort
Arbeitsplätze geschaffen. Auch im Geldbeutel sei dies für jeden spürbar. Die Kosten
für Energie seien als 2. Miete für die Haushalte eine große Belastung. Wichtiger Hebel
zum Energiesparen sei die Kraftwärmekopplung (KWK). Darunter versteht man Anlagen, die
nicht nur Strom erzeugen, sondern bei denen auch die Abwärme genutzt wird. Das ist
sinnvoll nur bei kleineren Anlagen möglich, die in der Nähe der Wärmeverbraucher
angesiedelt sind. Abwärme von Großkraftwerken kann nur in seltenen Ausnahmen genutzt
werden; auf dem flachen Lande schon gar nicht.
"Energieeffizienz ist ein entscheidender Faktor der Wettbewerbsfähigkeit". Ein
Ignorieren des Klimaschutzes und Investitionen in die Energieverschwendung werde
wirtschafts- und finanzpolitische Folgen haben. Dabei sei die erforderliche Erhöhung der
Deiche wegen der Erhöhung des Meerwasserspiegels um 80 bis 100 cm nur eine der großen
Folgekosten. Die Autoindustrie werde mit neuen Spritschleudern, wie sie VW auf den Markt
bringen wolle, in ein wirtschaftliches Abseits geraten. Die Landwirtschaft werde sich
erheblich umstellen müssen und mit bisher unbekannten Dürreperioden leben müssen. Der
Klimawandel könne in eine katastrophale Entwicklung umschlagen, wenn man nicht
gegensteuere.
In der Diskussion wurden weitere Argumente gegen das Kraftwerk aufgelistet. So wies
Hermann Bruns darauf hin, dass aus den 200 Arbeitsplätzen, von denen
Samtgemeindebürgermeister Hansen geredet habe, wohl nichts werden wird. 80 bis 120
Arbeitsplätze hauptsächlich für Kraftwerksingenieure seien realistischer. Das Kraftwerk
werde zu einer hohen Feinstaubbelastung führen, die auch von der ca. 300 Meter langen und
30 Meter hohen Kohlehalde herrühren werde.
"Wenn sich die große Mehrheit der Bürger gegen die Anlage wehren, kann ich mir
nicht vorstellen, dass das Kraftwerk gebaut wird", ermunterte Wenzel die Teilnehmer
zum Widerstand. Dass die Landesraumordnungsplanung mit Zustimmung des Kreistages den Bau
eines Kraftwerkes zulasse, forderte Wenzel die Kreispolitiker auf, sich alternativ für
eine ökologisch verträglichere Anlage, wie einer KWK-Anlage oder zumindest ein
Gaskraftwerk stark zu machen. Eine Teilnehmerin gab aber zu bedenken, wozu man sich für
irgendein Kraftwerk stark machen solle, wenn nachweislich im Emsland überhaupt kein
Bedarf an dieser Energie sei.
Als zentralen Hebel, um europaweit die Weichen neu zu stellen, stellte Wenzel den
Immissionshandel in den Mittelpunkt. Jetzt sei es so, dass die größten Verbraucher die
Immissionsrechte geschenkt bekämen und somit das ganze System sinnlos geworden sei. Er
schlage eine Regelung analog zu den Euro-Normen bei Kfz vor. Es müssten Höchstgrenzen
für die CO2-Erzeugung pro Energieeinheit festgelegt werden. Das gäbe einen Anreiz zum
Klimaschutz.
Der Kreistagsabgeordnete der Grünen Schütte zur Wick rief dazu auf, mit allen
Gemeinderäten persönlich über den Kraftwerksbau zu diskutieren und sie zu überzeugen,
das Projekt abzulehnen. Es sei ein Armutszeugnis, wenn der Gemeinderat den unbekannten
Investoren für das noch unbekannte Projekt von vornherein eine Blankozustimmung erteilt
habe.
Auch die Abwehr der vor ca. 10 Jahren geplanten Hochtemperaturverbrennungsanlage sei
geglückt; auch dieser Widerstand sei von einer Versammlung im Saal Westhus ausgegangen.
Es lohne sich also Widerstand zu leisten.
Viele Teilnehmer trugen sich anschließend in die Unterschriftenliste gegen das
Kohlekraftwerk ein.
jdm