Podiumsdiskussion der Jungen Union Dörpen am 19.10.2007

Podiumsdiskussion "Steinkohlekraftwerk: Segen oder Fluch?" der Jungen Union Dörpen am 19.10.2007

Am Freitag, den 19.10.07 hatte die Junge Union Dörpen zu einer Podiumsdiskussion zum Thema "Steinkohlekraftwerk: Segen oder Fluch?" eingeladen. Auf dem Podium waren als Fachleute der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Weber und der Vizepräsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Dr. Ing. Manfred Fischedick vertreten. Komplettiert wurde das Podium durch Bernd Albers von der Bürgerinitiative "Saubere Energie" und den Dörpener Bürgermeister Hermann Wacker, der wegen eines Krankheitsfalles în der Familie vorzeitig das Podium verlassen musste und durch den Samtgemeindebürgermeister Hans Hansen ersetzt wurde. Die Moderation übernahm Dr. Winkler vom Landesvorstand der Jungen Union, der seiner Aufgabe in einer ruhigen angenehmen Weise gerecht wurde.

Beide Referenten sprachen angesichts der Entscheidung für oder gegen das Kohlekraftwerk in Dörpen von einem Abwägungprozess mit verschiedenen Zielkonflikten, in dem eine einfache Lösung nicht möglich sei. Beide Referenten gingen von einem Ersatzbedarf für veraltete Kraftwerkskapazitäten aus.

Prof. Dr. Weber sah die Konflikte in einem Dreieck von Forderungen nach Wirtschaftlichkeit, nach Versorgungssicherheit und Sicherung der Umweltbedingungen. Die Vorgabe der Bundesregierung zur Reduktion der CO2-Emissionen um 30% bis 2020 hielt er für kaum erreichbar. Letztlich sprach er sich für den Bau eines KKW in Dörpen aus, weil mit der BKW AG ein "neuer" Anbieter den Wettbewerb stärke, weil die Anbindung an den Wasserweg eine umweltfreundliche Anlieferung der Kohle ermögliche, in Verbindung mit Nordland die Kraft-Wärme-Kopplung möglich sei und die Vorbereitung des Neubaus für die zukünftige CO2-Abscheidung klimapolitisch von Bedeutung sei.

Dr. Ing. Manfred Fischedick sah die Entscheidung über das Kraftwerk in einem größeren Spektrum von Zielkonflikten angesiedelt. Neben den drei von Weber genannten Bereichen hielt er eine konsequente Ressourcennutzung, die Sozialverträglichkeit, die Risikoarmut, die industriepolitische Bedeutung, eine geringe Systemverletzlichkeit und eine Anpassungsfähigkeit der Technologie für bedeutend.

Ein unreflektierter Ersatz alter Kapazitäten könne keine Option sein. Während Weber von einer ständig steigenden Stromnachfrage ausging, berichtete Fischedick von einer Studie des Stromkonzerns E.ON, die von Einsparungspotentialen von 15 bis 20 % ausgeht. Die Wirtschaftlichkeit neuer Kraftwerke sei auch nicht so einfach zu prognostizieren, da diese von vielen Komponenten abhinge, wie z. B. von der Entwicklung der Preise für die Energieträger. Das die Kohle billig sei, sei angesichts in letzter Zeit gestiegener Preise nicht sicher. Es gebe nur wenig Hersteller von Kraftwerken; die Herstellungspreise für Kraftwerke seien so stark gestiegen, dass einige Projekte schon wegen der Kosten aufgegeben worden seien. Die Klimaschutzpolitik, die gesellschaftliche Akzeptanz und die Entwicklung der erneuerbaren Energien könnten die Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die derzeit für Kohlekraftwerke sprächen, vollkommen verändern.

Neben diesen globalen – für alle Standorte geltenden – Kriterien gebe es lokale Komponenten: Gibt es eine Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung? Wie ist die Schadstoffvorbelastung vor Ort? Welche wirtschaftliche Bedeutung hat das Projekt am Standort, z. B. welche Steuereinnahmen sind zu erwarten? Auch sei die Einbindung in überregionale Versorgungskonzepte zu bedenken. Nicht akzeptabel sei für ihn der einfache NIMBY-Effekt ("not in my backyard" - nicht in meinem Garten.).

Bürgermeister Wacker schilderte in seinem Beitrag, dass die Betreiber auf die Gemeinde zugegangen seien und die Gemeinde deren Angebot vorurteilsfrei geprüft habe und große Chancen in dem Projekt für die Gemeinde sehe.

Bernd Albers von der Bürgerinitiative "Saubere Energie" verwies darauf, dass Deutschland derzeit eher einen Stromüberschuss habe und eine Panikmache vor baldigem Strommangel unangebracht sei. Die Schadstoffe, die dieses Kraftwerk ausstoße, seien angesichts der Dimensionen trotz aller Rückhaltemaßnahmen nicht zu vernachlässigen. Vor allem die geringe Effizienz des Kraftwerkes ohne Kraft-Wärme-Kopplung sei angesichts der Bedrohungen durch den Klimawandel nicht mehr tolerabel.

In der Diskussion stand wieder einmal die Bedeutung des Kraftwerkes für Nordland im Zentrum. Während die Kritiker bezweifelten, dass die Abwärme für Nordland in dieser Form und in dieser Größenordnung von Nordland genutzt werden könne, betonte Hans Hansen vor allem die Zusammenarbeit mit Nordland. Aus dem Publikum wurde angemerkt, dass Wacker auf der Podiumsdiskussion der FDP vor drei Wochen das Kraftwerk schon zu einer Überlebensvoraussetzung für Nordland stilisiert habe. Das wollte Hansen dann doch nicht so gelten lassen.

Interessant war noch die Einschätzung von Fischedick zur Möglichkeit der CO2-Speicherung. In einer Studie seines Hauses, des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, war die CO2-Abscheidung als Übergangstechnologie bezeichnet worden, die das CO2-Problem nicht grundsätzlich lösen könne. Fischedick sah die Bedeutung der CO2-Abscheidung und-speicherung vor allem für die derzeit wöchentlich ans Netz gehenden Kohlekraftwerke in China und anderen Entwicklungsstaaten mit einem hohen Nachholbedarf. Diese bekämen damit die Möglichkeit die Klimaschädlichkeit ihrer Anlagen mit dieser Technologie, die ab ca. 2020 zur Verfügung stünde, zu begrenzen. Für Anlagen in den Industrieländern werde diese Technologie zum Standard werden. Die damit verbundene Minderung der Effizienz und die sonstigen Kosten der Technik würden die Stromerzeugungskosten von Kohlekraftwerken erheblich erhöhen. Die erneuerbaren Energien würden spätestens dann preislich konkurrenzfähig werden. Er halte es deshalb für unbedingt erforderlich, dass Kohlekraftwerke generell für die Technik der CO2-Abscheidung vorbereitet werden (so genanntes "capture ready" Konzept). Dazu gehöre auch, dass schon jetzt neben dem Kraftwerk der Platz für die dazu erforderliche Industrieanlage eingeplant werde.

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