Berner Zeitung vom 11.03.2008

 

Bau von Kohlekraftwerken in Deutschland

DerWind bedroht die Kohlepläne der BKW

 

Die BKW will in Norddeutschland zwei Kohlekraftwerke bauen, die über Seehäfen mit Importkohle beliefert werden. Doch der Ausbau derWindenergie auf der Nordsee droht für die BKW zum Problem zu werden.

 

Die BKW Energie AG engagiert sich in der Nähe zur Nordseeküste bei zwei Kohlekraftwerk-Projekten, um damit über günstige Standorte für die Schiffsanlieferung der Importkohle zu verfügen. Neben einer Minderheitsbeteiligung von 33 Prozent am geplanten Kohlekraftwerk der belgischen Electrabel in Wilhelmshaven plant die BKW ein eigenes Werk in Dörpen, das 2014 fertiggestellt sein soll. Fraglich ist jedoch, in welchem Umfang der erzeugte Strom überhaupt in ein Leitungsnetz abgegeben werden kann.

Denn die in der Nordsee geplanten Windenergieanlagen könnten dasNetz bereits auslasten. Weil in Deutschland gemäss dem Erneuerbare-Energien-Gesetz Windkraftanlagen vorrangig Strom ins Netz einspeisen, droht der BKW laut dem renommierten Umweltwissenschaftler Olav Hohmeyer die «programmierte Pleite».

 

Für ein Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 900 Megawatt ist Dörpen logistisch zwar eine sehr gute Wahl. Doch so wichtig dieNähe zumMeer seinmag, sie birgt Gefahren für die Wirtschaftlichkeit eines Kraftwerks.

DieWindenergie boomt

In Deutschland boomt die Windenergie, und da geeignete Standorte an Land weitestgehend mit Windmühlen besetzt sind, bleibt nur ein Ausweichen auf das Meer. Dort herrschen beste Windverhältnisse vor, und ausreichende Seestandorte wurden bereits genehmigt oder befinden sich im Genehmigungsverfahren.

 

Damit wird in wenigen Jahren so viel Strom auf der Nordsee erzeugt werden, dass das bestehende Leitungsnetz schnell an seine Grenzen kommt. Ein Kohlekraftwerk in der Nähe derWindenergiestandorte könnte seinen Strom dann nur noch in das Netz abgeben, wenn auf dem Meer Flaute herrscht,mahnt Hohmeyer.

 

Kommt hinzu, dass die träge reagierenden Kohlekraftwerke für die Zuspeisung bei nicht ausreichendem Windstrom laut Hohmeyer nicht geeignet sind. Hier eignen sich vor allem Gasturbinen, die bei Stromschwankungen flexibel zugeschaltet werden können.

Hohmeyer ist Mitglied im Weltklimarat und verfügt bei den Kraftwerksplanungen über beste Informationen. Auch die von der BKW avisierte Investitionssumme von etwa 1,6 Milliarden Franken hält er für viel zu niedrig angesetzt. Nach seiner Ansicht dürfte das Kraftwerk am Ende eher 2,9 bis 3,2 Milliarden Franken gekostet haben.

 

Auffällig ist lautHohmeyer zudem, dass vornehmlich ausländische Investoren Kohlekraftwerke in Norddeutschland bauen wollen. Anscheinend sei den Firmen nicht bekannt, dass die umfangreichen Planungen für Offshore- Windenergieanlagen das norddeutsche Stromnetzweit gehend auslasten werden.

 

Der Ausbau des Stromnetzes ist zwar geplant, dürfte aber nicht mit der Entwicklung der Windenergie Schritt halten. Als «sehr ambitioniert» bewertet die deutsche Energie-Agentur selbst ihre Vorschläge und weist auf «verschiedene Hemmnisse» hin, die eine zeitgerechte Realisierung behindern könnten. Zehn Jahre oder mehr könnten vergehen, bis die Leitungen stehen, schätzt der deutsche BundesverbandWindenergie.

 

Die BKWschweigt (noch)

Bleibt die Frage, ob die BKWdiese möglichen Hindernisse in ihren Planungen berücksichtigt hat. Antworten hierzuwerde der Konzern auf seiner Jahresmedienkonferenz am kommenden Donnerstag geben, sagt Firmensprecher Antonio Sommavilla. Vorab will man sich nicht äussern.

JohannMüller, Dörpen