Pankow - Die Post Anfang November unterschied sich kaum
vom üblichen Werbekram im Briefkasten. Nicht mal 'ne Briefmarke
klebte drauf, und Schwester Maria Juvenalis legte den Umschlag
achtlos beiseite, wollte ihn erst am Abend öffnen. Erst als ihre
Mitschwester Bernhildis sie auf den Stempel des Absenders aufmerksam
machte, beschloss die 63-jährige Franziskanerin, die sich in Pankow
um Hiv-infizierte und an Aids erkrankte Menschen kümmert, den Brief
aus dem Bundespräsidialamt sofort zu öffnen.
«Ja, und dann konnte ich es nicht fassen», schildert die kleine
Frau, die in ihrem blauen Fleece-Shirt nicht so recht dem
stereotypen Bild einer Ordensfrau entspricht, ihre Überraschung.
Bundespräsident Johannes Rau hatte die gebürtige Emsländerin in die
Bonner Villa Hammerschmidt eingeladen, um sie mit dem
Bundesverdienstkreuz auszuzeichnen. «Das bin doch nicht ich, dachte
ich in den ersten Tagen nach dieser Botschaft», erinnert sich
Schwester M. Juvenalis Lammers. «Ich habe eine Mitschwester,
die hat ein Hospiz aufgebaut, die hat auch das Bundesverdienstkreuz
bekommen. Das war eine hervorragende Frau. Ich habe gedacht, an der
kann ich mich doch nicht messen.»
Nach einigen Tagen überzeugte sie der Gedanke, die Auszeichnung
stellvertretend für alle ehrenamtlich arbeitenden Menschen
anzunehmen und sie konnte sich schließlich richtig darüber freuen.
«Es ist so wichtig, dass ehrenamtliche Arbeit geleistet wird»,
betont Schwester M. Juvenalis. Und gibt zu bedenken: «75 Prozent der
Ehrenamtler in Deutschland sind Frauen. Die Anzahl, die geehrt wird,
ist verschwindend gering. Das ist eine bedenkenswerte Tatsache.»
In der vergangenen Woche war es soweit: Die Nonne aus Berlin
machte sich in Begleitung ihrer Mitschwester Hannelore auf den Weg
ins Rheinland. Die beiden Schwestern nahmen den Wagen, denn es galt
noch wichtige Dinge auf dem Weg in die frühere Hauptstadt zu
erledigen. Schwester M. Juvenalis übernachtete bei ihren Schwestern
und Brüdern im Kloster, nicht etwa im vornehmen Maritim-Hotel wie
die anderen 28 angehenden Träger des Bundesverdienstkreuzes, die mit
ihr diese besondere Nadel an die Brust geheftet bekamen.
Vor dem ehrenvollen Moment wurde eine Stadtrundfahrt auf
Regierungskosten angeboten. Eine gute Idee, denn die Ausgezeichnete
«wusste gar nicht, dass Bonn so schön ist». Um 11.30 Uhr war es
dann soweit, die Villa Hammerschmidt öffnete ihre Pforten. «Ich
glaube, alle hatten Lampenfieber», erzählt Schwester M. Juvenalis,
«obschon Johannes Rau sich sehr viel Mühe gegeben und für eine
entspannte, freundliche Atmosphäre gesorgt hat. Es war schon ein
sehr, sehr feierlicher Moment.» Mittags genoss sie das Festbankett,
abends feierte sie mit ihrer Familie, die im Düsseldorfer Raum lebt
und sich mit ihr über die Auszeichnung freute.
Wem sie die zu verdanken hat, weiß die 63-Jährige nicht. «Wir
recherchieren noch», lacht sie vergnügt.