Chronik
des Krieges in Afghanistan |
Chronik des Krieges gegen Afghanistan
November 2001
- Am 1. November verstärken die USA ihre Luftangriffe in den nördlichen Landesteilen.
B-52-Bomber flogen pausenlos Angriffe auf vermutete Taliban-Stellungen an der Front
nördlich von Kabul und um die von der Nordallianz belagerte Stadt Masar-e-Scharif.
Schwersten Angriffen mit Raketen und Bomben waren auch die Städte Kandahar und Herat
ausgesetzt.
Taliban Sprecher Amir Khan Muttaki behauptete, die USA wollten den größten Staudamm
Afghanistans zerstören. Der Kadschaki-Damm in der südlichen Provint Helmand sei in den
Nacht zum 1. November sieben Mal bombardiert worden. "Es gibt keinerlei
Militäranlagen am Kadschaki-Damm. Amerika will einfach alles zerstören", sagte
Muttaki. Der Staudamm war vor 30 Jahren mit Hilfe aus den USA erbaut worden und drohe nun
zu brechen. Er lieferte u.a. Strom nach Kandahar (die Leistungen sind inzwischen
zerstört) und versorgt über ein Kanalsystem rund 75.000 landwirtschaftliche Höfe.
Auf Ersuchen der USA hat die türkische Regierung beschlossen, 90 Elitesoldaten nach
Afghanistan zu entsenden. Sie sollen u.a. helfen, Taliban-Gegner militärisch auszubilden.
Unterdessen bestätigte der französische Ministerpräsident Jospin, sein Land beteilige
sich mit Mirage-Kampfjets zur Luftbeobachtung und mit Aufklärungsflugzeugen an der
US-Militäraktion in Afghanistan.
Der Taliban-Botschafter in Pakistan, Abdul Salam Saif, sagte, seit Kriegsbeginn seien
1.500 Zivilisten getötet worden. Außerdem überraschte er die Zuhörer bei seiner
Pressekonferenz mit der Mitteilung, dass sich "einige amerikanische Bürger" in
afghanischer Gefangenschaft befänden. "Sie wurden verhaftet." Westliche
Beobachter nehmen an, dass es sich bei den Gefangenen um Mitglieder der US-Eliteeinheit
handelt, die in der vergangenen Woche von Pakistan aus nach Afghanistan eingedrungen sind,
um dem afghanischen Rebellenkommandeur Abdul Haq zu Hilfe zu kommen. Haq war aber gefasst
und laut Zeugenaussagen hingerichtet worden.
- Am 2. November flogen die US-Luftstreitkräfte einen der heftigsten Angriffe mit
B-52-Bombern gegen Taliban-Stellungen nördlich von Kabul. Nach Berichten der Nordallianz
waren die Angriffe mit ihnen abgestimmt und von US-Bodentruppen "dirigiert"
worden.
Erstmals soll es auch zu Gefechten im Süden des Landes zwischen den Taliban und
paschtunischen Oppositionellen gekommen sein. Bereits einen Tag zuvor (1. Nov.) soll eine
Gruppe von rund 25 Kämpfern des Paschtunen-Führers Hamid Karsai festgenommen worden
sein. Karsais Leute sind offenbar nach Afghanistan eingedrungen, um Taliban-Kommandanten
zum Seitenwechsel zu überreden. Karsai berichtete indessen gegenüber BBC, seine Truppe
habe den Taliban-Angriff erfolgreich zurückgeschlagen und selbst Gefangene gemacht. Seine
Leute kontrollierten inzwischen einen Teil der Provinz Urusgan nördlich von Kandahar.
Karsai war nach 1992 vorübergehend Vize-Außenminister in der ersten
Mudschaheddin-Regierung, unterstützte anfangs auch die Taliban und gilt heute als enger
Vertrauter des Exil-Königs Sahir Schah, dessen Klan er auch angehört.
Afghanische Kämpfer haben Angaben der Taliban-Regierung zufolge am Abend des 2. November
einen US-Militärhubschrauber abgeschossen. Bei der Operation südlich der Hauptstadt
Kabul seien bis zu 50 US-Soldaten ums Leben gekommen, sagte Kari Fasil Rabi, ein Vertreter
des afghanischen Informationsministeriums. Der Hubschrauber sei in der Nacht gegen 23.00
Uhr Ortszeit abgeschossen worden, als er einen zweiten, abgestürzten US-Hubschrauber zu
retten versucht habe. Der Vorfall habe sich im Bezirk Nawoor in der Provinz Ghasni
ereignet. Die Version des Pentagon lautet ganz anders: Nach Angaben eines Sprechers der
US-Regierung sind beim Absturz eines Militärhubschraubers vier US-Soldaten verletzt
worden. Das Unglück ereignete sich am Freitagabend (2. Nov.) bei schlechtem Wetter, als
der Hubschrauber einen kranken Soldaten abholen wollte, so das Pentagon. Der
US-Hubschrauber stürzte nach Darstellung des amerikanischen Verteidigungsministeriums
gegen 19.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit ab. Die Crew wurde von einem zweiten Helikopter
gerettet. Weiter wurde erklärt, später hätten Kampfflugzeuge den beschädigten
Hubschrauber zerstört, damit er nicht in die Hände der Taliban falle.
Der Widerstand gegen den Bombenkrieg wächst. Die Grünen-Fraktion im Europa-Parlament hat
eine Unterbrechung der Bombardements empfohlen, um die Hilfe für die afghanische
Bevölkerung wieder zu ermöglichen. Auch Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer
kritisiert den Bombenkrieg, hinter dem "kein Ziel erkennbar" sei. In einem
Interview mit SPIEGEL-Online setzte sie sich für die Schaffung von
"Schutzzonen" ein.
- Am 3. November setzten die USA ihre Luftangriffe unvermindert fort. Die US-Luftwaffe
griff Taliban-Stellungen nördlich von Kabul an. Im Norden des Landes teilte die
Nordallianz mit, sie habe nach heftigen Kämpfen die Provinz Agopruk erobert, 50 Kilometer
südwestlich von Masar-i-Scharif.
Die Verfolgung des mutmaßlichen Terroristenführers Osama Bin Laden gestaltet sich nach
Angaben von US-Konteradmiral John Stufflebeem schwierig. Aus Geheimdienstkreisen
verlautete, die Suche konzentriere sich auf Höhlen und Tunnel im Osten und Süden des
Landes.
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld war am 3. November zu Gesprächen mit seinem
russischen Amtskollegen Igor Iwanow sowie mit Präsident Wladimir Putin in Moskau. Im
weiteren Verlauf seiner Reise wird Rumsfeld in Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan und
Indien erwartet. In Usbekistan haben die USA Truppen stationiert, darunter Soldaten einer
Gebirgsjägerdivision. Den Einsatz von Bodentruppen zur Besetzung Afghanistans schloss
Rumsfeld aus.
- Am Sonntag, den 4. November, flog die US-Luftwaffe die bislang schwersten Angriffe auf
Ziele im Nordosten Afghanistans. Nach Angaben des US-Senders CNN waren die Angriffe auf
Taliban-Positionen entlang der Frontlinie zur Nordallianz zeitweise so heftig, dass es
nicht mehr möglich war, die Explosionen zu zählen. Nach US-Medienberichten wurden am
Wochenende neben der Umgebung der Hauptstadt Kabul auch fünf weitere Ziele angegriffen.
Der seit vier Wochen andauernde US- Luftkrieg in Afghanistan hat nach den Worten des
amerikanischen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld inzwischen einen "messbaren
Fortschritt" gebracht. Rumsfeld, der derzeit zur Festigung der Anti-Terror-Allianz
mehrere Nachbarstaaten der Krisenregion bereist, nannte dazu allerdings keine Details.
Die zentralasiatische Republik Usbekistan lehnt nach den Worten von Rumsfeld weiterhin
Kampfeinsätze von US-Truppen von ihrem Gebiet gegen das benachbarte Afghanistan ab.
Usbekistan erlaubt den USA die Stationierung von Flugzeugen und Truppen nur für
humanitäre Einsätze und Rettungsflüge über Afghanistan. Dagegen hatte Rumsfeld am 3.
November in Tadschikistan die Erlaubnis erhalten, dass die USA den Luftraum dieser
GUS-Republik auch für Kampfeinsätze nutzen dürfen.
Nach Informationen der britischen "Sunday Times" wollen die USA und
Großbritannien im bisher von den Taliban beherrschten Grenzgebiet zu Usbekistan einen
"humanitären Brückenkopf" errichten. Von dort sollten Hunderttausende von
afghanischen Flüchtlingen während des Winters mit Nahrung, Kleidung und Medikamenten
versorgt werden.
Bei einem umstrittenen Treffen einer Reihe handverlesener EU-Regierungschefs in London
bekräftigten die Teilnehmer einerseits ihre "absolute" Solidarität mit den
USA. Andererseits teilte Frankreichs Staatschef Jacques Chirac aber auch mit, die
Teilnehmer der Gesprächsrunde hätten betont, dass der militärische Weg nicht der
einzige sein könne, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Humanitäre Hilfe
für Afghanistan habe kurzfristig die höchste Priorität, sagte der niederländische
Ministerpräsident Wim Kok.
- Am 5. November haben es die USA erneut abgelehnt, die Angriffe gegen Afghanistan im
Fastenmonat Ramadan auszusetzen. Der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld machte im
Gespräch mit den pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf klar, dass die
Bombardierung fortgesetzt wird. Die Taliban-Regierung könne nach vier Wochen Angriffen
nicht mehr voll funktionieren, sagte Rumsfeld. Das Netzwerk der Terrororganisation Al
Qaeda müsse nun vollständig zerschlagen werden. Auch Bundeskanzler Schröder lehnte eine
Feuerpause ab. Die Auseinandersetzung wurde damit nur verlängert. Man müsse allerdings
Rücksicht auf "Empfindlichkeiten" nehmen, wenn die Angriffe im Ramadan
weitergeführt würden.
Rumsfeld verteidigte unterdessen erneut die Luftangriffe auf Afghanistan. Es habe wohl
noch nie zuvor so präzise und wirkungsvolle Bombardements gegeben. Afghanistan sei jedoch
nur der Anfang. "Das Problem geht über Afghanistan hinaus. Afghanistan ist das erste
Problem. Wir werden Terroristen-Netzwerke verfolgen, wo immer wir sie finden", sagte
Rumsfeld am 5. November bei einem Besuch in Indien.
- Am 6. November gehen in Afghanistan die Angriffe routinemäßig weiter.
In Berlin tritt am selben Tag der Bundessicherheitsrat zusammen. Danach verkündet
Bundeskanzler Schröder vor der Presse, die US-Regierung habe konkrete Anforderungen an
die Bundesregierung gestellt, den Einsatz in Afghanistan mit Bundeswehreinheiten zu
unterstützen. Eine Beteiligung Deutschlands an Luftangriffen oder die Bereitstellung von
Bodentruppen für Afghanistan sei nicht gefordert worden, sagte Schröder. Es gehe
zunächst nur um die Bereitstellung der Soldaten. "Für jeden konkreten Einsatz
behalten wir die nationale Entscheidung." Nach den Worten des Kanzlers hat die
US-Regierung insgesamt fünf Anforderungen gestellt. Im Einzelnen handelt es sich dabei um
ABC-Spürpanzer, Einheiten zur Evakuierung von Verwundeten in einer Größenordnung von
250 Mann, 100 Soldaten nicht näher bezeichneter Spezialeinheiten Damit sind die
KSK-Kommando Spezialkräfte gemeint), 500 Mann für den Lufttransport und 1800
Marinesoldaten, die Seehäfen und Gefahrguttransporte sichern sollen. Insgesamt handele es
sich um 3900 Mann, die allerdings nicht alle gleichzeitig eingesetzt werden würden.
- Am 7. November werden weitere Erfolgsmedlungen der Nordallianz kolportiert. Die
Talibangegner seien weiter auf die Stadt Masar-i-Sharif vorgerückt. Gezielte
Bombenangriffe der US-Luftwaffe hätten zuvor die Taliban-Stellungen geschwächt. Das
US-Verteidigungsminsterium bestätigte die Vorstöße der oppositionellen Nordallianz.
US-Spezialeinheiten hätten von Geländegewinnen der Oppositionstruppen um die strategisch
wichtige Stadt Masar-i-Scharif berichtet, sagte Vize-Generalstabschef Peter Pace am
Mittwoch in Washington. Über den genauen Frontverlauf sei er jedoch nicht unterrichtet.
Wie weit die Truppen noch von Masar-i-Scharif entfernt seien, könne man nicht sagen.
Das Bundeskabinett verabschiedet in Berlin den Antrag an den Bundestag, wonach 3.900
Soldaten der Bundeswehr für den Krieg in Afghanistan bereitgestellt werden sollen.
- Am 8. November diskutiert der Deutsche Bundestag über den Antrag der Regierung,
Bundeswehr für den Krieg in Afghanistan bereitzustellen. In den Reden des Bundeskanzlers
und des Außenministers war mehr von der Verpflichtung zur Bündnissolidarität die Rede
als von den militärischen Zielen des Einsatzes.
Die Offensive der Nordallianz auf die Stadt Marar-Scharif ging unvermindert weiter.
Unterstützt wurde der Vormarsch von US-Luftangriffen rund um die Uhr.
Pakistans Staatschef versucht weiter den Spagat zwischen der Anti-Terror-Allianz und der
eigenen Bevölkerung. Auf der einen Seite verfügte er die Schließung einer
konsularischen Vertretung der Taliban in Karatschi, auf der anderen Seite forderte er
abermals eine Unterbrechung des Krieges während des Fastenmonats Ramadan.
UNHCR-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers mahnte die Staaten der Anti-Terror-Allianz an
ihre Verpflichtung zur humanitären Hilfe. Millionen von Afghanen seien im bevorstehenden
Winter auf Hilfe von außen angewiesen.
- 9. November: Nach einem weiteren Dauerbombardement der US-Luftwaffe haben die Kämpfer
der Nordallianz nach eigenen Angaben die strategisch wichtige Stadt Masar-i-Scharif
eingenommen. Die Taliban hätten sich aus der Stadt zurückgezogen, hieß es weiter. Die
Taliban berichteten, bei den Angriffen seien 20 Zivilisten und vier Taliban-Kämpfer
getötet worden. Eine der Bomben habe ein Dorf nördlich von Kabul getroffen und 16
Menschen getötet. Am schwersten seien die Angriffe in der südlichen Provinz Kandahar
gewesen. Über die Einnahme der Stadt Masar-i-Scharif durch die Nordallianz wusste auch
der Sprecher des Pentagon nichts zu berichten.
Nachdem US-Kriegsflugzeuge ein Wasserkraftwerk am Fuße eines Staudamms bombardiert haben
(vgl. 1. November), droht vielen tausend Afghanen entweder Ernteausfall und Hunger oder
die Überflutung ihres Landes. Die Schleusen können nicht mehr reguliert werden. Das
Kraftwerk versorgte eine Region mit 500.000 Menschen mit Elektrizität. Mit dem
produzierten Strom wurden allerdings auch die Schleusen des Staudamms betrieben, die den
Pegelstand des Helmand-Flusses regulieren. Wenn die seit langem erwarteten Regenfälle
einsetzen und die Schleusen nicht geöffnet werden können, könne dies zum Überlaufen
des Stausees und - in der Folge - zum Bruch des Dammes führen. Die Konsequenz wäre nach
Einschätzung von Uno-Mitarbeitern vor Ort eine "Katastrophe von riesigen
Ausmaßen". Kollabiere der Damm, werde das gesamte Helmand-Tal unterhalb des
Staussees überflutet und das Leben von mehreren zehntausend Menschen gefährdet, heißt
es in einem internen Bericht des Uno-Regionalbeauftragten für Süd-Afghanistan.
Stromabwärts seien die Menschen von der Bewässerung des Wüstenbodens abhängig. Wenn
durch die nicht mehr funktionsfähigen Schleusen die gleichmäßige Wasserzufuhr
unterbrochen werde, drohe Nahrungsknappheit und eine Hungernot. Zu wenig Wasser würde die
Anpflanzung des Winter-Weizens unmöglich machen. Zu viel Wasser würde den Stausee
entleeren und den Weizen im Frühjahr vertrocknen lassen.
- Am 10. November werden die Berichte über die Einnahme der Stadt Masar-i-Scharif auch
von den Taliban und vom Pentagon bestätigt.
Die Truppen der Nordallianz haben ihre Angriffe auf Taliban-Stellungen fortgesetzt. Wie
die Nachrichtenagentur AFP berichtet, griffen sie die Taliban rund um Dascht-i-Kala im
Nordosten Afghanistans an. Sie hätten mit schwerer Artillerie geschossen, hieß es. Die
Taliban hätten mit Granaten geantwortet.
Die pakistanische Zeitung "Dawn" zitiert den Terroristenführer Osama bin Laden
am 10. November mit der Behauptung, das Al-Qaeda-Netzwerk verfüge über Atom- und
Chemiewaffen und sei bereit, diese einzusetzen. "Wenn Amerika chemische oder nukleare
Waffen gegen uns einsetzt, werden wir mit chemischen oder nuklearen Waffen
zurückschlagen", heißt es in dem Zeitungsbericht. Das Interview mit Osama bin Laden
führte der pakistanische Journalist Hamid Mir. Es erschien nicht nur in der
englischsprachigen Zeitung "Dawn", sondern in anderer Version auch in der
urdusprachigen Zeitung "Ausaf", deren Herausgeber Hamid Mir ist. In
"Ausaf" fehlt allerdings - nach Darstellung der Internetzeitung
"Netzeitung" die Atomwaffen-Drohung des Terroristenführers in "Dawn".
(Spiegel-Online dagegen zitiert die Drohung angeblich aus "Ausuf".) In dieser
Version des Gesprächs warnt bin Laden lediglich: "Wenn es keine Sicherheit für uns
gibt, wird es keine Sicherheit für die Amerikaner geben." Wie der britische Sender
BBC berichtet, sind die beiden Versionen des Interviews ansonsten sehr ähnlich. - Die
britische Regierung zweifelte den Wahrheitsgewalt des Bin-Laden-Interviews an. Man glaube
nicht, dass bin Laden tatsächlich über Atom- oder Chemiewaffen verfüge, sagte ein
Regierungssprecher nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP. Bin Laden versuche
allerdings in den Besitz solcher Waffen zu kommen. Die Regierung nehme deshalb seine
Drohung deshalb "sehr ernst".
- Am 11. November bestätigten die Taliban, dass sie drei weitere Provinzen an die
Nordallianz verloren haben. Wie AIP meldete, hätten sich die Kämpfer der Taliban aus den
Hauptstädten der Provinzen Samangan, Jauzjan und Sar-i-Pol zurückgezogen.
Trotz der Mahnung des US-Präsidenten Bush an die Adresse der Nordallianz, Kabul nicht
anzugreifen oder gar erobern zu wollen, setzte die Nordallianz ihren Vormarsch fort. Kabul
müsse für alle politischen Kräfte offen bleiben, erklärte Bush am Abend des 10.
November bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem pakistanischen Präsidenten
Musharraf. "Wir ermutigen unsere Freunde von der Nordallianz, in der Schomali-Ebene
südwärts vorzurücken", sagte Bush, "aber nicht in die Stadt Kabul
einzudringen". Pervez Musharraf sagte, er befürchte Gräueltaten gegen die
Einwohner, wenn die Nordallianz "zu früh" nach Kabul einrücke. So sei es auch
nach dem Abzug der sowjetischen Truppen gewesen. Außerdem könnte die Anwesenheit der
Nordallianz-Kämpfer "Schwierigkeiten und Spannungen" auslösen, da die
Bevölkerung ihnen "nicht zwangsläufig wohlgesonnen" sei. Die Haltung von Bush
und Musharraf wird vom britischen Verteidigungsminister Geoff Hoon nicht geteilt. Der
Zeitung "Sunday Telegraph" gegenüber erklärte er, den Vormarsch zu
befürworten. Wenn die Nordallianz weitere Regionen einnehme, blieben Terroristenführer
Osama bin Laden und seinen Anhängern weniger Möglichkeiten, sich zu verstecken.
Die USA bombardierten in der Nacht zum und am 11. November wiederholt die Hauptstadt Kabul
und andere Stellungen. Nach Angaben der talibannahen Nachrichtenagentur AIP griffen
US-Flugzeuge Frontlinien in der nordöstlichen Provinz Takar an. Außerdem soll die
Luftwaffenbasis Bagram bei Kabul bombardiert worden sein.
- Am 12. November kamen drei westliche Journalisten ums Leben, als sie mit einem
Truppenkonvoi der Nordallianz in einen Hinterhalt von Taliban-Soldaten gerieten. Unter den
Getöteten befand sich der "Stern"-Reporter Volker Handloik (40 J.), die beiden
anderen Journalisten waren Franzosen; es handelt sich um die 34-jährige Johanne Sutton
von Radio France Internationale (RFI) und um Pierre Billaud vom Sender RTL.
Die Nordallianz rückt unterdessen unbeeindruckt von den Warnungen des US-Präsidenten
weiter auf die afghanische Hauptstadt Kabul vor. Angeblich habe man bereits eine
Siocherheitstruppe von 7.500 Mann aufgestellt, die für die Sicherheit in der Stadt nach
der Eroberung sorgen solle. Viele Menschen in Kabul fürchten sich vor den Truppen der
Nordallianz. Unvergessen sind ihnen die grausamen Kämpfe zwischen den verschiedenen
Mudschaheddin-Fraktionen in den Jahren 1992 bis 1996. Damals herrschten in Kabul der
Tadschike Rabbani und der vor zwei Monaten ermordete Achmed Schah Massud. Sie wurden von
ihrem ehemaligen Verbündeten Hekmatjar aus den Außenbezirken Kabuls beschossen, bis die
Taliban 1996 die Stadt eroberten. "Ein Führer ist wie der andere", sagt Said
Abbas, der in Kabul einen kleinen Laden für Fahrradersatzteile unterhält. Die Menschen
seien ihnen nicht wichtig, "nur die Macht". (Zit. nach SPIEGEL-Online,
12.11.2001)
Nachdem am Freitag die strategisch wichtige Stadt Masar-i-Scharif an die Nordallianz
gefallen ist, haben die oppositionellen Milizen nach eigenen Angaben im Norden inzwischen
neun Provinzen erobert. Dabei handelt es sich um Samangan, Jauzjan, Sar-i-Pul, Tachar,
Bamian, Badghis, Bamiyan, Balch und zuletzt Faryab. Nur noch die Provinz Kundouz werde von
den Taliban kontrolliert, hieß es.
- Am 13. November scheint das Schicksal der Taliban besiegelt. Die Nordallianz hielt sich
nicht an die Warnungen aus Washington und Islamabad und zog in der afghanischen Hauptstadt
Kabul ein. Es habe keinen Widerstand gegeben, die Taliban hätten sich kampflos aus der
Stadt zurückgezogen. Während die ARD (Tagesschau und Brennpunkt) von lediglich vier
getöteten Taliban-Soldaten sprach - ansonsten sei alles ruhig und friedlich verlaufen -
meldete Spiegel-Online, die Übernahme von Kabul sei nicht ohne Plünderungen, Exekutionen
und Lynchmorde abgegangen.
Damit hätte sich wiederholt, was bei der Einnahme der Stadt Masar-i-Sharif passiert sei.
Truppen der Nordallianz haben angeblich nach der Einnahme Stadt 100 junge Soldaten der
Taliban getötet. Eine Uno-Sprecherin sagte am 13. November in Islamabad, die
Taliban-Kämpfer hätten sich am 10. November in einem Schulgebäude versteckt. Sie seien
offenbar nach ihrer Entdeckung exekutiert worden, sagte Stephanie Bunker vom
Uno-Koordinationsbüro für Humanitäre Hilfe in Afghanistan. Sie erklärte ferner, Büros
der Uno und anderer Hilfsorganisationen seien in Masar-i-Scharif und Kabul geplündert
worden.
Über die Zukunft Kabuls hatten auch Bundesaußenminister Joschka Fischer und
Uno-Generalsekretär Kofi Annan am Montagabend am Rande der Uno-Generaldebatte in New York
gesprochen. Annan wolle versuchen, mit den verschiedenen Bevölkerungsgruppen einen
Konsens über Kabul herzustellen, verlautete aus Delegationskreisen. Annan und Fischer
hätten betont, dass Kabul eine "offene Stadt" bleiben müsse, hieß es. Die
Sicherheit und die Versorgung der Bewohner müssten gewährleistet sein.
- Am 14. November geht der Vormarsch der Nordallianz auf breiter Front weiter. Der
arabische Sender Al Dschasira meldet sogar schon die Einnahme der Stadt Kandahar, die
immer als "Hochburg" der Taliban gegolten hatte. Der US-Sender CNN dagegen
berichtete, der Kampf um die Stadt sei noch längst nicht entschieden. Immerhin sollen nur
noch sechs der insgesamt 29 Provinzen in der Hand der Taliban sein.
Kritisch könnte die Situation in Dschalalabad im Osten des Landes werden. Hier übergaben
die Taliban offenbar die Macht an den paschtunischen Mudschaheddin-Führer Mohammed Junis
Chalis. Chalis warnte die Nordallianz davor, weiter auf die Stadt vorzurücken. Vier
weitere Provinzen seien in die Gewalt örtlicher Machthaber übergegangen, die der
Nordallianz feindlich gegenüber stehen.
Bei der Suche nach Osama bin Laden konzentrieren sich die USA jetzt auf den Süden des
Landes. Hier sind nach Angaben des US-Verteidigungsministers Rumsfeld Spezialeinheiten
eingesetzt, die wichtige Verbindungsstraßen kontrollieren.
Die Vereinten Nationen legten unterdessen einen 5-Punkte-Plan vor. Der
UN-Sonderbeauftragte Lakhdar Brahimi sagte, das wichtigste sei die Gewährleistung der
Sicherheit für die Bevölkerung. Der Plan sieht u.a. vor: Verhandlungen mit der
Nordallianz und mit anderen Gruppen aufnehmen; die afghanischen Gruppen bilden einen
provisorischen Rat, an dessen Spitze eine allgemein akzeptierte Symbolfigur der
afghanischen Einheit stehen solle (Brahimi denkt an den Exil-König Sahir Schah); eine
Übergangsverwaltung soll für zwei Jahre eingesetzt werden; die Versammlung der
Stammesfürsten (Loya Jirga) soll einberufen werden; diese Versammlung soll eine neue
Verfassung annehmen und die Übergangsverwaltung durch eine Regierung ablösen.
- Am 15. November bestätigte der UN-Sicherheitsrat mit einer Resolution den
Fünf-Punkte-Plan.
Die USA bombardieren vor allem die Umgebung der Städte Kandahar und Kundus. Bei Angriffen
auf Kabul und Kandahar sind nach Angaben des Pentagon führende Mitglieder der Taliban und
der Al-Qaida-Organisation getötet worden. Zur gleichen Zeit meldete sich Taliban-Führer
Omar zu Wort. Dem BBC gegenüber erklärte er, die Taliban hätten sich aus den Städten
zurückgezogen und verfolgten nun eine Strategie der Vernichtung der USA. "Der Plan
geht voran und wird, so Gott will, umgesetzt werden", wird er zitiert.
Kundus im Norden des Landes ist nach Berichten die einzige Stadt, die noch in den Händen
der Taliban ist. Aus Kandahar wurden Straßenkämpfe gemeldet. Eine Delegation
afghanischer Stammesführer kündigte an, zu Verhandlungen nach Kandahar reisen zu wollen.
Unterdessen lud die Nordallianz örtliche Kommandeure der Paschtunen zu Gesprächen nach
Kabul ein.
Am 15. November ging auch die dreimonatige Gefangenschaft für acht Mitarbeiter der
christlichen Hilfsorganisation "Shelter Now" zu Ende. Die vier Deutschen, zwei
Amerikaner und zwei Australier seien aus einem Gefängnis in der Nähe Kabuls befreit
worden, nachdem die Taliban geflohen waren.
- Am 16. November setzten die USA ihre Luftschläge am Freitag trotz des Beginns des
Fastenmonats Ramadan fort. In Kandahar wurden nach einer Meldung der Nachrichtenagentur
AIP (Afghan Islamic Press) das Außenministerium der Taliban und eine Moschee im Osten der
Stadt getroffen (dies wird von einem US-Sprecher einen Tag später zugegeben). Mindestens
elf Bewohner seien getötet worden. - "Die Taliban haben in Kandahar noch eine starke
Stellung", teilte ein Sprecher der paschtunischen Stammesführer in der
pakistanischen Stadt Quetta mit. "Sie graben sich dort jetzt ein." Nach seinen
Schätzungen haben sich etwa sieben von zehn Taliban-Kommandeuren entschieden, dem Aufruf
von Taliban-Führer Mullah Mohamed Omar zu folgen und den Kampf fortzusetzen, berichtete
Spiegel-Online. Flüchtlinge aus Kandahar bestätigten, dass Stadt und Flughafen weiter in
der Hand der Taliban seien.
Nach einem Bericht der Netzeitung werden noch immer unbewaffnete Zivilisten in Afghanistan
ohne Prozess hingerichtet. Nicht nur die Taliban, sondern auch andere Kriegsparteien seien
dafür verantwortlich, sagte die UN-Sonderberichterstatterin für willkürliche
Hinrichtungen in Afghanistan, Asma Jahangir. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur epd
in Genf lägen den Vereinten Nationen Beweise vor, erläutert wurden sie jedoch nicht.
Jahangir betonte nur, dass derartige Exekutionen in großer Zahl vorkämen. Sie forderte
eine schnelle Untersuchung der Ereignisse und die Bestrafung der Täter nach
internationalen Standards. Jahangir: "Es darf keine Straflosigkeit für diese weit
verbreiteten und systematischen Hinrichtungen geben, die sogar das Ausmaß von Verbrechen
gegen die Menschlichkeit haben könnten".
Einer der wichtigsten Männer des Al-Qaida-Netzwerkes ist wahrscheinlich tot. Mohammed
Atef soll bei US-Luftangriffen im Süden von Kabul getötet worden sein. Das meldet CNN am
16. November unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Regierungsquellen.
Der Deutsche Bundestag sprach in namentlicher Abstimmung mit den Stimmen der
Regierungskoalition dem Bundeskanzler das Vertrauen aus und stimmte damit gleichzeitig
für die Entsendung von Bundeswehr in den Krieg in und um Afghanistan. Fünf Gegenstimmen
kamen aus den Reihen der Grünen (4) und von einer fraktionslosen Abgeordneten, die zuvor
aus der SPD-Fraktion ausgetreten war.
- Amerikanische Eliteeinheiten greifen zunehmend in den Kampf um die Herrschaft in dem
zerklüfteten Land ein. Nach einem Bericht im Spiegel-Online vom 17. November sind ihre
Kampfmethoden denen von Guerillakämpfern oder Partisanen sehr ähnlich: Sie galoppieren
auf Pferden durch die Berge, sprengen Brücken und erschießen Taliban-Anführer.
"Sie töten Taliban, die nicht aufgeben wollen und Al-Qaida-Terroristen, die von
einem Ort zum nächsten ziehen", sagte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am 16.
November bei einem Gespräch mit Journalisten. Nach Angaben aus dem
US-Verteidigungsministerium sind mittlerweile rund 300 Elite-Soldaten in Afghanistan
unterwegs. Von ihnen würden 200 im Norden des Landes kämpfen, rund 100 im Süden, wo die
Lage besonders unübersichtlich sei. Dort sollen sie den Druck auf die noch ausharrenden
Taliban-Truppen erhöhen, Straßen zerstören und fliehenden Terroristen den Weg
abschneiden. Sie haben Verbindungen zu Taliban-feindlichen Paschtunen-Führern
aufgenommen. Unterstützt werden die Amerikaner durch Elitetruppen aus anderen Ländern,
vermutlich vor allem aus Großbritannien. In den nächsten Tagen sollen auch französische
Jagd-Bomber in den Kampf eingreifen und die Verstecke der Terroristen unter Beschuss
nehmen.
Am 17. November ist Kandahar immer noch heftig umkämpft. Ein Sprecher des
Außenministeriums der Taliban-Regierung dementierte einen zuvor von verschiedenen Sendern
gemeldeten Rückzug. Der Nachrichtenagentur Reuters sagte der Taliban-Sprecher am Morgen
des 17. November: "Kandahar ist unter der vollständigen Kontrolle der Taliban und
Berichte über einen Abzug entbehren jeder Grundlage. Das Leben in Kandahar verläuft
normal." Auch in den USA bestehen Zweifel, dass die Berichte über den Rückzug aus
Kandahar zutreffen. "Ich glaube das nicht", sagte Admiral John Stufflebeem in
Washington. Stufflebeem verwies auf US-Erkenntnisse, die auf anhaltende Kämpfe in der
Region hindeuteten.
Inzwischen ist Rabbani, der vor fünf Jahren von den Taliban vertrieben worden war und von
den meisten Staaten als legitimer Präsident Afghanistans anerkannt wird, am 17. November
nach Kabul zurückgekehrt. Der 61-jährige Tadschike hielt sich aber nicht an die
internationalen Absprachen und zog als Präsident in Kabul ein. Dies hatte Kritik im
Ausland hervorgerufen. Bei einer künftigen Regierung geht es vor allem darum, die
Paschtunen, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, in eine Regierung einzubeziehen.
"Wenn nur eine Gruppe die Macht zu ergreifen versucht, haben wir in Zukunft ein
Problem", warnte z.B. UN-Generalsekretär Kofi Annan am Abend des 17. November bei
einem Besuch in der kanadischen Hauptstadt Ottawa. "Und ich hoffe, dass sich Herr
Rabbani dessen auch bewusst ist. Schließlich kennt er die Geschichte seines Landes nur zu
gut". Andernfalls drohe die Fortsetzung des seit 22 Jahren bestehenden Konflikts.
Derzeit gebe es auch Gespräche in Rom mit dem dort lebenden Ex-König Sahir Schah.
- In Kabul beginnt ein regelrechter Wettlauf mit der Zeit. Verschiedene Großmächte und
die Vereinten Nationen versuchen, internationale Gespräche mit der Nordallianz und
anderen Volksgruppen möglichst rasch zustande zu bringen, bevor die Nordallianz ihre
politische Macht im Land fest zu etablieren.
Am 18. November hat sich die Nordallianz einverstanden erklärt, dass die Verhandlungen
über die künftige Regierung auf neutralem Boden in Europa stattfinden. Nach
anfänglichem Beharren auf Kabul als Konferenzort sagte ihr Außenminister Abdullah
Abdullah am Sonntag in Taschkent, alle von der UNO vorgeschlagenen Treffpunkte in
Deutschland, Österreich oder der Schweiz seien akteptabel. Eine Sprecherin des
Auswärtigen Amtes sagte in Berlin, im Gespräch seien die UNO-Standorte Bonn, Wien und
Genf. Sollte es auf eine Konferenz in Bonn zulaufen, sei man gerne bereit, diese
auszurichten. Im Moment gebe es noch keine Planungen. Eine Sprecherin des
Außenministeriums in Bern sagte, auch die Schweiz sei bereit, eine solche Konferenz
auszutragen.
Im Auftrag Annans versucht der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Lakhdar Brahimi,
unter höchstem Zeitdruck alle Fraktionen des Landes zur Regierungsbildung an einen Tisch
zu bekommen. Inzwischen traf auch eine ranghohe russische Delegation in der afghanischen
Hauptstadt ein. Wie das Verteidigungsministerium in Moskau mitteilte, soll die Gruppe
unter Leitung von Sonderbotschafter Alexander Orlow mit Vertretern der USA und der
Vereinten Nationen Gespräche über die Bildung einer neuen Regierung für Afghanistan
führen.
Die letzte Stadt neben Kandahar, die sich noch in der Gewalt der Taliban befindet, steht
vor der Kapitulation. Nach pausenlosen schweren Luftangriffen der USA haben die von der
Nordallianz eingeschlossenen Taliban-Kämpfer in Kundus am 18. November ihre Kapitulation
angeboten. Bei den Luftangriffen auf die Stadt am 18. November wurden auch
Langstreckenbomber des Typs B-52 eingesetzt. Die Stadt ist von etwa 30.000 Soldaten der
Nordallianz umringt und wurde nahezu ständig von den Amerikaner bombardiert. Als
Bedingung für ihre Kapitulation verlangten die Taliban in Verhandlungen über Funk
Sicherheitsgarantien für 3.000 Ausländer aus Pakistan, Tschetschenien und arabischen
Ländern sowie die Mitwirkung von Vertretern der Vereinten Nationen. Nach Berichten des
US-Senders CNN spielten sich in der belagerten Stadt dramatische Szenen der Verzweiflung
ab. Um einer Gefangennahme durch die Truppen der Nordallianz zu entgehen, hätten sich
rund 60 tschetschenische Söldner im Fluss Amur ertränkt. 25 Taliban, die in einen
Hinterhalt gerieten, hätten sich gegenseitig erschossen.
- Am 19. November sollen sich nach einem Bericht von BBC die Taliban in der Stadt Kundus
im Norden Afghanistans ergeben haben. Das Dauerbombardement mit B-52-Bombern der USA habe
die rund 30.000 belagerten Taliban-Kämpfer völlig zermürbt. Der örtliche Führer der
Taliban, Mullah Dadullah hat zugesichert die Stadt verlassen zu wollen, wenn ihm und
seinen Leuten freies Geleit zugesichert würde. Unter den 30.000 Taliban-Kämpfern sollen
sich rund 10.000 arabische, pakistanische und tschetschenische Anhänger von Al-Qaida
befinden. Während die Nordallianz davon sprach, dass zur Zeit der Verhandlungen über
eine Übergabe der Stadt von ihrer Seite keine Angriffe stattfinden würden, soll die
US-Luftwaffe pausenlos weiter bombardiert haben. Ein Talibansprecher sprach von 1.000
Todesopfern in Kundus und der benachbarten Region allein am Wochenende (17./18. November).
Eine arabische Zeitung ("al-Hayat") berichtete, eine Gruppe von
Al-Qaida-Terroristen hätten etwa 300 Taliban-Soldaten, die sich der Nordallianz ergeben
wollten, umgebracht.
Bei den Kämpfen um Kundus soll auch der usbekische Fundamentalistenführer Dschuma
Namangani getötet worden sein. Namangani gehörte zur Islamischen Bewegung Usbekistans,
die in der früheren Sowjetrepublik ein islamisches Regime erreichten wollte und enge
Verbindung zu Osama bin Laden hatte. Nach Moskauer Angaben soll die Gruppe auch im
Drogenhandel aktiv sein.
Wieder sind mehrere Journalisten einem Anschlag zum Opfer gefallen. Etwa in der Mitte der
Strecke zwischen Dschalalabad und Kabul sei ein Autokonvoi von unbekannten bewaffneten
Männern angehalten worden. Fünf Reporter (eine andere Quelle sprach von 4 Personen)
seien aus den Fahrzeugen gezerrt und erschossen worden. Die Gegend, in der der Überfall
geschah, wird von Taliban-Gegnern kontrolliert, gilt aber als unsicher. Hier werden immer
noch vereinzelte Taliban-Kämpfer oder Al-Qaida-Terroristen vermutet. Bereits am 12.
November waren drei Journalisten getötet worden. (Siehe unsere Chronik vom 12. November).
- Am 20. November werden die schwersten Bombenangriffe auf Kundus und Kandahar gemeldet.
Um beide Städte wird weiterhin gekämpft. Die Nordallianz hat den Taliban drei Tage Zeit
zur Kapitulation gegeben. Von den in Kundus eingeschlossenen Taliban-Kämpfern gingen
verschiedene Versuche aus, gegen freies Geleit zu kapitulieren. Außerdem sollen
Verhandlungen unter Leitung der UNO stattfinden. Von den Vereinten Nationen sei dies
abgelehnt worden, da die UNO nicht vor Ort präsent sei.
Am kommenden Montag, so verlautbarte am 20. November aus dem Verteidigungsministerium in
Berlin, werde die Bundeswehr mit den ersten Transportflügen in die Türkei beginnen.
Transportiert werde militärisches Gerät, aber auch Hilfsgüter. Die Bundeswehrmaschinen
sollen vorerst zwischen dem amerikanischen Stützpunkt Ramstein und dem türkischen
Flughafen Incirlic pendeln werden.
Der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Francesc Vendrell, hat am 20. November in Kabul
angekündigt, die Gespräche mit Vertretern der afghanischen Bevölkerungsgruppen über
die Zukunft Afghanistans würden am kommenden Montag (26. November) in Berlin beginnen.
US-Außenminister Colin Powell und sein deutscher Kollege Joschka Fischer bestätigten auf
einer gemeinsamen Pressekonferenz, dass die Konferenz in Berlin stattfinden soll. Das
Treffen werde so repräsentativ sein, wie es in der kurzen Zeit möglich sei, versprach
Vendrell, der sich in diplomatischen Geprächen um die Zustimmung der Afghanen bemüht.
Vendrell sagte, dass Vertreter der paschtunischen Bevölkerungsmehrheit Afghanistans an
der Konferenz teilnehmen sollten. Auch der ehemalige afghanische Präsident und jetzige
Führer der Nordallianz, Burnahuddin Rabbani, und der Taliban-Außenminister Abdullah
erklärten sich mit dem Termin einverstanden. Er werde eine Delegation entsenden, sagte
Abdullah in Kabul.
- Am 21. November forderte die Nordallianz die in Kundus eingeschlossenen Taliban-Kämpfer
ultimativ auf sich zu ergeben.
Die USA haben nach usbekischen Militärangaben rund 2.000 Marine-Infanteristen an der
Grenze zu Afghanistan stationiert. US-General Tommy Franks schloss den Einsatz regulärer
Bodentruppen in Afghanistan nicht aus. US-Präsident Bush sprach von ieiner
"schwierigen Zeitperiode", die jetzt bevorstünde. Es könne sein, "dass
wir noch eine ganze Weile dort bleiben müssen", sagte er.
Die geplante UN-Konferenz über die politische Zukunft Afghanistans wird nun doch nicht in
Berlin, sondern am Petersberg bei Bonn stattfinden. Am 26. November soll die Konferenz
beginnen. Es werden 80 Teilnehmer erwartet, darunter auch der "Innenminister"
der Nordallianz Junus Kanuni.
- 22. November: Die Taliban in der umzingelten und bombardierten nordafghanischen Stadt
Kundus haben am 22. November nach übereinstimmenden Berichten westlicher
Nachrichtenagenturen kapituliert. Vereinbarungsgemäß sollen die Taliban und ihre
ausländischen Mitkämpfer ohne Waffen durch fünf bis acht Korridore die Stadt verlassen.
Die Nordallianz habe dem Taliban-Befehlshaber in Kundus, Mullah Dodullo, zugesichert, die
afghanisch-stämmigen Taliban zu amnestieren und in ihre Heimatorte zu entlassen. Die
Ausländer würden in spezielle "Filtrationslager" gebracht. Bei den
ausländischen Kämpfern soll es sich vor allem um Araber, Pakistaner, Tschetschenen und
Usbeken handeln. Washington geht davon aus, daß diese Kämpfer zu dem Al-Qaida-Netzwerk
Bin Ladens gehören. "Über das Schicksal von Ausländern, die auf Seiten der Taliban
gekämpft haben, werden die gesetzliche Regierung Afghanistans und die Länder der
Anti-Terror-Koalition entscheiden", erklärte ein Vertreter der Nordallianz.
Die Nordallianz bestätigte den neuerlichen Tod von mehreren Journalisten, nachdem das
iranische Fernsehen darüber berichtet hatte. Es soll sich um drei ausländische Reporter
handeln, die sich auf dem Weg von Dschalalabad nach Kabul befanden. Die Nordallianz
behauptet, Taliban-Kämpfer hätten, als Soldaten der Nordallianz getarnt, die
Journalisten umgebracht. Die Zahl der in Afghanistan getöteten Journalisten erhöhte sich
damit auf 10.
Pakistan hat inzwischen die Botschaft der Taliban in Islamabad geschlossen. Die
afghanischen Diplomaten wurden angewiesen, das Land in "angemessener" Zeit zu
verlassen. Derweil eröffnete Großbritannien als erstes westliches Land wieder eine
diplomatische Vertretung in Kabul.
Inzwischen mehren sich die Berichte, wonach in Afghanistan nicht nur Freude über
teilweise wieder gefundene Freiheiten (z.B. Kinobesuch) herrscht, sondern das offene Chaos
ausgebrochen sei. Überfälle von bewaffneten Banden auf Büros und Lager von
Hilfsorganisationen und auf Lebensmittelkonvois sind an der Tagesordnung. In der Kasseler
"Hessischen Allgemeinen" heißt es dazu: "Die Wiederkehr jener Zustände,
die die Mehrheit der Bevölkerung vor fünf Jahren die Machtergreifung der Taliban
begrüßen ließ, bedroht nun jeden Ansatz, im Land am Hindukusch eine stabile
Nachkriegsordnung aufzubauen." (HNA, 23.11.01)
- Am 23. November wird berichtet, dass in Masar-i-Scharif Mitarbeiter des Internationalen
Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) dabei seien, die bis zu 600 dort gefundenen Leichen zu
bergen. Die Sprecherin des IKRK, Antonella Notari, äußerte sich aber nicht zu den
Todesursachen. "Das ist nicht unsere Aufgabe", sagte sie. Die Bergung erfolge
aus Gesundheitsgründen. Es werde versucht, die Toten für ihre Hinterbliebenen zu
identifizieren und ihnen ein würdiges Begräbnis zu verschaffen. Das IKRK-Team ist seit
dem Fall der Stadt am 9. November vor Ort aktiv. Zu unbestätigten Meldungen über
mögliche Massaker der Nordallianz an Taliban-Kämpfern in Masar-i-Scharif nach der
Einnahme der Stadt vor zwei Wochen gab sie keine Auskünfte.
Die US-Regierung veröffentlichte nach einem Bericht von SPIEGEL-ONLINE eine Liste mit
angeblichen Massakern der Taliban. Zur Festigung ihres Terrorregimes hätten die Taliban
Kinder hingerichtet, Frauen vergewaltigt und Männer als Abschreckung an Straßenlaternen
aufgehängt. Die Details sind in einem Bericht enthalten, den das eigens für die
Informationsoffensive in Islamabad, London und Washington eingerichtete
"Koalitionsinformationszentrum" präsentierte. So seien in Afghanistan acht
Jungen ermordet worden, weil sie über Soldaten gelacht haben. Ganze Familien, die das
Talibanregime ablehnten, seien verbrannt und hundert Männer, die den Taliban den Rücken
gekehrt hatten, an Straßenlaternen aufgehängt worden. Der Report listet insgesamt 22
Massaker auf. So sollen die Taliban 1998 rund 600 usbekische Dorfbewohner in
Westafghanistan massakriert haben und bei der Einnahme von Masar-i-Scharif im gleichen
Jahr Männer und Jungen hingerichtet und Frauen vergewaltigt haben. In Yakaolang sollen in
diesem Jahr 170 Männer hingerichtet worden sein. SPIEGEL-ONLINE mutmaßt über die
Hintergründe des Berichts: "Die US-Regierung will mit der Veröffentlichung vor
allem mögliche Sympathisanten der Taliban in den arabischen Ländern von der brutalen
Natur der talibanischen Terrorherrschaft überzeugen. Das Informationszentrum war kurz
nach Beginn des Krieges ins Leben gerufen worden, um direkt auf Äußerungen der Taliban
über den Kriegsverlauf reagieren zu können."
- Am 24. November ergeben sich immer mehr Taliban-Kämpfer in der umlagerten Stadt Kundus.
Der Nordallianz-Kommandeur Daud Husaini sagte am Samstag der russischen Nachrichtenagentur
Interfax, dass sich rund 1.200 Kämpfer in der Ortschaft Amirabad, fünf Kilometer von
Kundus entfernt, ergeben hätten. Die Soldaten seien überwiegend aus dem Gebiet bei
Kundus rekrutiert worden. Die Nachrichtenagentur AP meldete, dass auch rund 600 Soldaten
der in Kundus eingeschlossen ausländischen Soldaten den Kampf aufgegeben hätten. Dabei
handele es sich um Tschetschenen, Araber und einige Pakistani, sagte Nordallianz-Sprecher
Amananullah Khan in Masar-i-Scharif. Die Gefangenen würden nach Masar-i-Scharif gebracht.
Die Söldner würden vor islamische Gerichte gestellt und deren Verbindung zu
Terroristenführer Osama bin Laden untersucht.
Ein enger Vertrauter des afghanischen Taliban-Führers Mullah Mohammed Omar lief am 24.
November zur Nordallianz über. Der stellvertretende Taliban-"Innenminister",
Hadschi Mullah Khaksar, erklärte in Kabul seine Unterstützung für die Nordallianz. Er
vertrete nun nicht mehr die Taliban und wolle sich für den Frieden einsetzen.
Mindestens acht Bomben sollen am 24. November nach Berichten von Augenzeugen auf
pakistanischem Boden eingeschlagen sein. In der Grenzregion zu Afghanistan habe es jedoch
keine Toten oder Verletzte gegeben, so pakistanische Behörden. Auf afghanischer Seite der
Grenze seien aber mindestens 13 Menschen getötet und zwei weitere verletzt worden, so
Augenzeugen. Das meldet die Nachrichtenagentur AP. Das amerikanische
Verteidigungsministerium verweigerte zunächst eine Stellungnahme. Ziel des Angriffs war
wahrscheinlich ein verlassenes Taliban-Trainingslager in der Provinz Paktia, meldete die
"Netzeitung".
Auf dem Parteitag der Grünen in Rostock entschied sich die Mehrheit für den
Bundeswehreinsatz in Afghanistan und für den Verbleib in der Regierungskoalition.
- Am 25. November berichtet die afghanische Nachrichtenagentur AIP, Truppen unter dem
Kriegsherrn Raschid Dostum hätten über zwei Drittel der Stadt Kundus unter ihre
Kontrolle gebracht. Auch andere Truppen der Nordallianz rückten in die Stadt ein, in der
zeitweise angeblich bis zu 30.000 Menschen eingekesselt waren. Flüchtende Taliban
berichteten, tagelange Angriffe amerikanischer B-52-Bomber hätten sie zermürbt.
Außerdem sei Nahrung, Wasser und Munition knapp geworden. Nordallianz-General Burhanuddin
Rabbani rief auch die ausländischen Taliban-Mitkämpfer auf, sich zu ergeben. Die
arabischen, pakistanischen und tschetschenischen Söldner, von denen nach Angaben der USA
viele zum Terrornetz al-Qaida gehören, sollen nach Vorstellungen Rabbanis den Vereinten
Nationen übergeben werden. In einer künftigen Regierung in Kabul könnten auch moderate
Taliban mitmachen, wenn sie sich ergeben.
- Am 26. November sind erstmals über 1.000 US-Marine-Infanteristen, die sog.
"Ledernacken" mit schwerem Gerät in der Nähe von Kandahar gelandet. Ihr
Auftrag besteht darin, Osama bin Laden zu jagen.
Auch die Bundeswehr greift nun in den Konflikt ein. Vorerst allerdings nur mittels
Unterstützungsflügen für die US-Truppen. Die ersten drei Transall-Flugzeuge der
Bundesluftwaffe starteten in Ramstein, um mehrere tausend Wolldecken zu den US-Soldaten
nach Incirlik (Türkei) zu bringen. In den nächsten zwei Monaten soll ein regelrechter
Pendelverkehr mit Nachschubgütern für die US-Truppen in Afghanistan eingerichtet werden.
US-Präsident Bush hat mit seiner Aufforderung an den irakischen Präsident Saddam
Hussein, sein Land für Rüstungskontrolleure zu öffnen und nachzuweisen, dass der Irak
keine Massenvernichtungswaffen entwickle, Spekulationen neue Nahgrung gegeben, als wolle
er einen Krieg gegen den Irak vorbereiten.
- Am 27. November ist der Aufstand gefangen genommener Al-Qaida-Kämpfer bei
Masar-i-Scharif nach heftiger amerikanischer Luftunterstützung wohl endgültig blutig
niedergeschlagen worden. Nach verschiedenen Berichten sollen dabei Hunderte von Gefangenen
und zahlreiche Kämpfer der Nordallianz ums Leben gekommen sein. Die Rede ist auch von
einem getöteten US-Soldaten. Fünf amerikanische und vier britische Soldaten wurden bei
den Gefechten schwer verletzt. Pakistanische Medien und Regierungskreise bezweifelten
schon am Vortag, dass es sich um einen Aufstand gehandelt habe. Sie verdächtigten die
Nordallianz, die Gefängnisrevolte nur vorgeschoben zu haben, um ein Massaker an den
Gefangenen zu rechtfertigen.
Am 27. November spitzt sich die Lage im Land weiter zu. Nach Berichten aus Kabul geriet
die Nothilfe für bis zu sieben Millionen Menschen ins Stocken. Der Einsatzleiter der Uno,
Mike Sackett, sagte, bewaffnete Banden belagerten zum Beispiel die Straße von Peschawar
in Nordpakistan in die afghanische Hauptstadt Kabul, so dass die Fahrten statt zwei Tagen
dreieinhalb Tage dauerten. Die Hilfsorganisationen stünden vor der schwierigen Aufgabe,
monatlich 52.000 Tonnen Nahrungsmittel zu verteilen, die nach Schätzungen des
Welternährungsprogrammes gebraucht würden, um im herannahenden Winter eine Katastrophe
zu vermeiden.
Nach dem Tod eines weiteren Journalisten im Norden Afghanistans will das ZDF seine
Berichterstatter in dem Land vorerst in Kabul konzentrieren. "Es herrscht totale
Anarchie", sagte der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Helmut Reitze am Dienstag.
"Journalisten sind dabei die leichtesten Opfer, weil sie nicht bewaffnet sind."
Ein schwedischer Kameramann war in der Nacht zum Dienstag vermutlich Opfer eines
Raubüberfalls geworden.
Die amerikanische Marineinfanterie hat unterdessen ihren Brückenkopf im Süden
Afghanistans ausgebaut. Ihr Einsatzziel sind die auf Kandahar und Umgebung
zurückgedrängten Islamisten der Taliban und al-Qaida. In der Nacht zum Dienstag hatten
die Ledernacken ihren ersten Kampfeinsatz, als eine Panzerkolonne der Taliban auf den
Feldflugplatz zufuhr, den sie seit Montag zum Brückenkopf ausbauen. Kampfhubschrauber
stoppten die Kolonne. Bis zu 1.000 Marineinfanteristen sollen auf dem Flugplatz in der
Wüste stationiert werden, dessen Name der Militärzensur unterliegt. Er liegt etwa 90
Kilometer südwestlich von Kandahar und wurde nach Berichten der Einheimischen früher von
Osama Bin Laden benutzt. Ihn vermuten die USA im Raum Kandahar und seinen Beschützer, das
Taliban-Oberhaupt Mullah Mohammad Omar, in Kandahar selbst.
Vertreter der afghanischen Volkstämme und die Vereinten Nationen verhandeln seit dem 27.
November auf dem Petersberg bei Bonn über die Bildung einer Übergangsregierung in
Afghanistan. In der Eröffnungsrede sprach Bundesaußenminister Joschka Fischer von einer
historischen Chance für Frieden in einem geeinten und stabilen Afghanistan. Die Vereinten
Nationen hoffen vor allem auf zukünftigen Schutz der Menschenrechte. UN-Generalsekretär
Kofi Annan schickte einen Appell an die afghanischen Delegationen. Diese müssten für
ihre Bevölkerung die Stammesrivalitäten überwinden. Die Vereinten Nationen seien nur
Helfer auf dem Weg in eine friedliche Zukunft des Landes. Die Verantwortung liege allein
bei den Afghanen. - Am Petersberg demonstrierten afghanische und iranische Frauen gegen
die Bildung einer neuen "islamischen" Regierung. Kleinere Kundgebungen hofften
auf demokratische Wahlen in Afghanistan.
- Am 28. November wird bekannt, dass es in der afghanischen Stadt Takteh Pol vor wenigen
Tagen eine Massenhinrichtung von Taliban-Kämpfern gegeben. Ein paschtunischer Kommandeur
berichtet, die Kämpfer seien mit leichten Maschinengewehren erschossen worden. Sieben bis
acht anwesende US-Soldaten hatten vergebens dagegen protestiert. Unter den Getöteten
sollen sich auch einige Pakistaner befunden haben, wie der Kommandeur einer loyal zum
früheren Gouverneur von Kandahar, Gul Agha, stehenden Einheit am Mittwoch in Quetta vor
Journalisten berichtete. Nach Angaben des Kommandeurs hofft Gul Agha auf eine
Rückeroberung der Stadt Kandahar, seine alte Machtbasis vor der Zeit der Taliban.
Stammesälteste seien bereits in Verhandlung mit den Taliban-Kommandeuren Hafis Madschid
und Mullah Saleh um eine Übergabe der befestigten Stadt, sagte er.
Der US-Geheimdienst CIA hat am 28. November bestätigt, dass einer seiner Agenten bei dem
Aufstand gefangener Taliban-Kämpfer in der Festung bei Masar-i-Scharif getötet wurde.
Der 32-jährige Johnny Spann ist der erste Amerikaner, der bei Kampfhandlungen in
Afghanistan ums Leben gekommen ist. Spanns Leiche konnte am Mittwoch geborgen werden. Zu
den Umständen von Spanns Tod äußerte sich die CIA nicht.
Bei der Gefangenenrevolte in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif wurden laut BBC
600 Menschen getötet. Fünf US-Soldaten wurden dabei verletzt. Die meisten von ihnen
waren Aufständische. Die USA hatten dementiert, dass es zu einem Massaker gekommen sei.
Journalisten, die das Lager besichtigen konnten, waren entsetzt. Hunderte von Leichen
hätten im Hof des Forts gelegen. Die BBC sprach von einer "grausamen
Effektivität" der Niederschlagung. Die Menschenrechtsorganisation amnesty
international verlangte inzwischen eine Untersuchung der Ereignisse. Truppen der
Nordallianz hatten die dreitägige Revolte gefangener ausländischer Taliban-Kämpfer in
der Festung Kala-i-Jhangi bei Masar-i-Scharif mit Panzern, Granatwerfern und massiver
Unterstützung amerikanischer Kampfjets niedergeschlagen. Auch amerikanische und britische
Spezialeinheiten waren an der Erstürmung beteiligt.
Insgesamt sind nach Angaben des Pentagons im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Krieg fünf
Amerikaner ums Leben gekommen, bis auf Spann aber alle außerhalb Afghanistans. Zwei
Soldaten starben bei einem Hubschrauber-Absturz in Pakistan, ein Militärangehöriger
wurde bei einem Gabelstapler-Unfall getötet, und ein weiterer stürzte von Bord eines
Flugzeugträgers. Wie am Mittwoch zudem bekannt wurde, wird ein weiterer auf einem
Zerstörer im Indischen Ozean stationierter Marine-Angehöriger vermisst. Die Suche dauert
noch an. Es wird aber befürchtet, dass er ebenfalls über Bord gefallen und ertrunken
ist.
Inzwischen verstärken die USA ihre Bombenangriffe auf Kandahar. Flüchtlinge berichteten,
der amerikanische Bombenhagel habe in Kandahar ein Chaos ausgelöst. Lagerhäuser und
verwaiste Polizeiwachen seien geplündert worden. US-Kommandeur Tommy Franks sagte, er
habe Hinweise dafür, dass al-Qaida-Mitglieder versuchen wollten, Kandahar zu verlassen.
Der zu Wochenbeginn errichtete Stützpunkt der US-Marineinfanterie im Süden Afghanistans
wurde unterdessen kontinuierlich ausgebaut. US-Sonderkommandos intensivierten die
Zusammenarbeit mit paschtunischen Stämmen, um den Angriff auf Kandahar vorzubereiten. Zu
den Bombenangriffen auf mutmaßliche Verstecke Omars und Bin Ladens - darunter zwein
Gebäudekomplexe in Kandahar - sagte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, man wisse
nicht, wer dabei getötet worden sei. "Es war ganz klar eine Führungszentrale",
erklärte er. Der ehemalige Taliban-Botschafter in Pakistan, Abd al-Salam Saif, sagte der
afghanischen Nachrichtenagentur AIP, weder Omar noch andere Taliban-Führer seien in den
Gebäudekomplexen gewesen.
- Am 29. November sind nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums etwa hundert
US-Soldaten im Norden Afghanistans stationiert worden. Die Infanteristen würden zur
Sicherung des Flughafens von Masar-i-Scharif eingesetzt, hieß es in einer Meldung der
Nachrichtenagentur AFP. Laut Pentagon dient der Einsatz bei Masar-i-Sharif zur
Vorbereitung einer "humanitären Luftbrücke". Soldaten hätten dazu am
Donnerstagmorgen mit der Minenräumung und der Instandsetzung des zivilen Flughafens
begonnen. Das Pentagon bestätigte zudem den Einsatz von Soldaten am ehemaligen Flughafen
von Bagram nördlich der Hauptstadt Kabul.
Unterdessen gehen die US-Luftangriffe auf Kandahar pausenlos weiter. Am Abend des 29.
November meldete zuuerst die Nordallianz die Einnahme der Stadt, wenig später behaupten
paschtunische Truppoen im Anmarsch auf Kandahar zu sein. Der paschtunische Kommandeur
Mohammed Dschalal Chan erklärte: "Unsere Einheiten sind fünf Kilometer östlich des
Flughafens. Wir hoffen, dass wir Kandahar bald einnehmen."
Auf der Afghanistan-Konferenz in Bonn keimte am 29. November wieder Hoffnung auf, nachdem
sich die Delegierten in den Kernfragen für die Zusammensetzung einer künftigen
Übergangsregierung näher gekommen waren. Vor allem die Vertreter der Nordallianz und der
"Rom-Gruppe", die dem ehemaligen König nahe steht, haben sich über die
Grundstrukturen eines Obersten Rats ("Supreme Council") geeinigt, der
Afghanistan auf dem Weg zur Bildung einer "Loya Jirga" (verfassungsgebenden
repräsentativen Versammlung) führen soll. Eine solche "Interims-Autorität" in
Afghanistan zu schaffen, ist ein wesentliches Anliegen der Uno-Konferenz. Einer
Übereinkunft nach soll für drei bis vier Monate eine Administration aus 15 bis 25
Ministern gebildet werden. Sie steht über dem Obersten Rat mit 120 bis 200 Mitgliedern.
Deren Namen sollen nach Möglichkeit noch in dieser Woche festgelegt werden. Über beiden
Institutionen soll voraussichtlich der König als symbolische Figur für Afghanistans neue
Einheit stehen.
US-Außenminister Colin Powell hat Spekulationen als haltlos bezeichnet, wonach die USA
bei ihrem Anti-Terror-Kampf bereits konkrete militärische Maßnahmen gegen den Irak
planten. Powell sagte am 29. November in Washington, entsprechende Medienberichte
entbehrten jeder Grundlage. Zu Wochenbeginn hatte US-Präsident George W. Bush vom Irak
verlangt, die Rüstungsinspektoren der Uno wieder ins Land zu lassen. Sie sollen
sicherstellen, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen herstellt.
- Am 30. November halten die Gefechte um Kandahar unvermindert an. US.Kampfflugzeuge
flogen fast pausenlos Angriffe gegen die letzte große Stadt, die noch von den Taliban
gehalten wird. Der Sprecher des Pentagon, Admiral John Stufflebeem, erklärte, er sehe
Anzeichen dafür, dass sich das Taliban-Regime auflöse. Außerdem wurde berichtet, dass
der Geheimdienstchef der Taliban, Kari Amadullah, zur Nordallianz übergelaufen sei.
Der britische Außenminister Jack Straw lehnte eine Untersuchung der Begleitumstände der
blutigen Niederschlagung des Gefangenenaufstands in derv Festung in Masar-i-Scharif ab.
SSStraw sagte dem Sender BBC, die Lage in Afghanistan sei derzeit furchtbar und Recht und
Ordnung seien vollkommen zusammengebrochen. Straws Äußerungen wurden von amnesty
international heftig kritisiert. ai wiederholte die Forderung nach einer unabhängigen
Untersuchung des Todes von mehreren Hundert Taliban-Kämpfern.
Die Afghanistan-Konfernz auf dem Petersberg bei Bonn scheint ins Stocken geraten zu sein.
Streit gebe es vor allem um die konkrete Zusammensetzung einer Übergangsregierung. Aus
Protest gegen den Leiter der paschtunischen Delegation Junus Kanuni und wegen der
mangelnden Repräsentanz der Paschtunnen hat der paschtunische Delegierte Hadschi Abdul
Qadir die Konferenz verlassen. Hadschi Abdul Qadir war früher Gouverneur der Provinz
Nangarhar und verfügt über großen Einfluss.
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November 2001
- Am 1. November verstärken die USA ihre Luftangriffe in den nördlichen Landesteilen.
B-52-Bomber flogen pausenlos Angriffe auf vermutete Taliban-Stellungen an der Front
nördlich von Kabul und um die von der Nordallianz belagerte Stadt Masar-e-Scharif.
Schwersten Angriffen mit Raketen und Bomben waren auch die Städte Kandahar und Herat
ausgesetzt.
Taliban Sprecher Amir Khan Muttaki behauptete, die USA wollten den größten Staudamm
Afghanistans zerstören. Der Kadschaki-Damm in der südlichen Provint Helmand sei in den
Nacht zum 1. November sieben Mal bombardiert worden. "Es gibt keinerlei
Militäranlagen am Kadschaki-Damm. Amerika will einfach alles zerstören", sagte
Muttaki. Der Staudamm war vor 30 Jahren mit Hilfe aus den USA erbaut worden und drohe nun
zu brechen. Er lieferte u.a. Strom nach Kandahar (die Leistungen sind inzwischen
zerstört) und versorgt über ein Kanalsystem rund 75.000 landwirtschaftliche Höfe.
Auf Ersuchen der USA hat die türkische Regierung beschlossen, 90 Elitesoldaten nach
Afghanistan zu entsenden. Sie sollen u.a. helfen, Taliban-Gegner militärisch auszubilden.
Unterdessen bestätigte der französische Ministerpräsident Jospin, sein Land beteilige
sich mit Mirage-Kampfjets zur Luftbeobachtung und mit Aufklärungsflugzeugen an der
US-Militäraktion in Afghanistan.
Der Taliban-Botschafter in Pakistan, Abdul Salam Saif, sagte, seit Kriegsbeginn seien
1.500 Zivilisten getötet worden. Außerdem überraschte er die Zuhörer bei seiner
Pressekonferenz mit der Mitteilung, dass sich "einige amerikanische Bürger" in
afghanischer Gefangenschaft befänden. "Sie wurden verhaftet." Westliche
Beobachter nehmen an, dass es sich bei den Gefangenen um Mitglieder der US-Eliteeinheit
handelt, die in der vergangenen Woche von Pakistan aus nach Afghanistan eingedrungen sind,
um dem afghanischen Rebellenkommandeur Abdul Haq zu Hilfe zu kommen. Haq war aber gefasst
und laut Zeugenaussagen hingerichtet worden.
- Am 2. November flogen die US-Luftstreitkräfte einen der heftigsten Angriffe mit
B-52-Bombern gegen Taliban-Stellungen nördlich von Kabul. Nach Berichten der Nordallianz
waren die Angriffe mit ihnen abgestimmt und von US-Bodentruppen "dirigiert"
worden.
Erstmals soll es auch zu Gefechten im Süden des Landes zwischen den Taliban und
paschtunischen Oppositionellen gekommen sein. Bereits einen Tag zuvor (1. Nov.) soll eine
Gruppe von rund 25 Kämpfern des Paschtunen-Führers Hamid Karsai festgenommen worden
sein. Karsais Leute sind offenbar nach Afghanistan eingedrungen, um Taliban-Kommandanten
zum Seitenwechsel zu überreden. Karsai berichtete indessen gegenüber BBC, seine Truppe
habe den Taliban-Angriff erfolgreich zurückgeschlagen und selbst Gefangene gemacht. Seine
Leute kontrollierten inzwischen einen Teil der Provinz Urusgan nördlich von Kandahar.
Karsai war nach 1992 vorübergehend Vize-Außenminister in der ersten
Mudschaheddin-Regierung, unterstützte anfangs auch die Taliban und gilt heute als enger
Vertrauter des Exil-Königs Sahir Schah, dessen Klan er auch angehört.
Afghanische Kämpfer haben Angaben der Taliban-Regierung zufolge am Abend des 2. November
einen US-Militärhubschrauber abgeschossen. Bei der Operation südlich der Hauptstadt
Kabul seien bis zu 50 US-Soldaten ums Leben gekommen, sagte Kari Fasil Rabi, ein Vertreter
des afghanischen Informationsministeriums. Der Hubschrauber sei in der Nacht gegen 23.00
Uhr Ortszeit abgeschossen worden, als er einen zweiten, abgestürzten US-Hubschrauber zu
retten versucht habe. Der Vorfall habe sich im Bezirk Nawoor in der Provinz Ghasni
ereignet. Die Version des Pentagon lautet ganz anders: Nach Angaben eines Sprechers der
US-Regierung sind beim Absturz eines Militärhubschraubers vier US-Soldaten verletzt
worden. Das Unglück ereignete sich am Freitagabend (2. Nov.) bei schlechtem Wetter, als
der Hubschrauber einen kranken Soldaten abholen wollte, so das Pentagon. Der
US-Hubschrauber stürzte nach Darstellung des amerikanischen Verteidigungsministeriums
gegen 19.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit ab. Die Crew wurde von einem zweiten Helikopter
gerettet. Weiter wurde erklärt, später hätten Kampfflugzeuge den beschädigten
Hubschrauber zerstört, damit er nicht in die Hände der Taliban falle.
Der Widerstand gegen den Bombenkrieg wächst. Die Grünen-Fraktion im Europa-Parlament hat
eine Unterbrechung der Bombardements empfohlen, um die Hilfe für die afghanische
Bevölkerung wieder zu ermöglichen. Auch Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer
kritisiert den Bombenkrieg, hinter dem "kein Ziel erkennbar" sei. In einem
Interview mit SPIEGEL-Online setzte sie sich für die Schaffung von
"Schutzzonen" ein.
- Am 3. November setzten die USA ihre Luftangriffe unvermindert fort. Die US-Luftwaffe
griff Taliban-Stellungen nördlich von Kabul an. Im Norden des Landes teilte die
Nordallianz mit, sie habe nach heftigen Kämpfen die Provinz Agopruk erobert, 50 Kilometer
südwestlich von Masar-i-Scharif.
Die Verfolgung des mutmaßlichen Terroristenführers Osama Bin Laden gestaltet sich nach
Angaben von US-Konteradmiral John Stufflebeem schwierig. Aus Geheimdienstkreisen
verlautete, die Suche konzentriere sich auf Höhlen und Tunnel im Osten und Süden des
Landes.
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld war am 3. November zu Gesprächen mit seinem
russischen Amtskollegen Igor Iwanow sowie mit Präsident Wladimir Putin in Moskau. Im
weiteren Verlauf seiner Reise wird Rumsfeld in Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan und
Indien erwartet. In Usbekistan haben die USA Truppen stationiert, darunter Soldaten einer
Gebirgsjägerdivision. Den Einsatz von Bodentruppen zur Besetzung Afghanistans schloss
Rumsfeld aus.
- Am Sonntag, den 4. November, flog die US-Luftwaffe die bislang schwersten Angriffe auf
Ziele im Nordosten Afghanistans. Nach Angaben des US-Senders CNN waren die Angriffe auf
Taliban-Positionen entlang der Frontlinie zur Nordallianz zeitweise so heftig, dass es
nicht mehr möglich war, die Explosionen zu zählen. Nach US-Medienberichten wurden am
Wochenende neben der Umgebung der Hauptstadt Kabul auch fünf weitere Ziele angegriffen.
Der seit vier Wochen andauernde US- Luftkrieg in Afghanistan hat nach den Worten des
amerikanischen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld inzwischen einen "messbaren
Fortschritt" gebracht. Rumsfeld, der derzeit zur Festigung der Anti-Terror-Allianz
mehrere Nachbarstaaten der Krisenregion bereist, nannte dazu allerdings keine Details.
Die zentralasiatische Republik Usbekistan lehnt nach den Worten von Rumsfeld weiterhin
Kampfeinsätze von US-Truppen von ihrem Gebiet gegen das benachbarte Afghanistan ab.
Usbekistan erlaubt den USA die Stationierung von Flugzeugen und Truppen nur für
humanitäre Einsätze und Rettungsflüge über Afghanistan. Dagegen hatte Rumsfeld am 3.
November in Tadschikistan die Erlaubnis erhalten, dass die USA den Luftraum dieser
GUS-Republik auch für Kampfeinsätze nutzen dürfen.
Nach Informationen der britischen "Sunday Times" wollen die USA und
Großbritannien im bisher von den Taliban beherrschten Grenzgebiet zu Usbekistan einen
"humanitären Brückenkopf" errichten. Von dort sollten Hunderttausende von
afghanischen Flüchtlingen während des Winters mit Nahrung, Kleidung und Medikamenten
versorgt werden.
Bei einem umstrittenen Treffen einer Reihe handverlesener EU-Regierungschefs in London
bekräftigten die Teilnehmer einerseits ihre "absolute" Solidarität mit den
USA. Andererseits teilte Frankreichs Staatschef Jacques Chirac aber auch mit, die
Teilnehmer der Gesprächsrunde hätten betont, dass der militärische Weg nicht der
einzige sein könne, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Humanitäre Hilfe
für Afghanistan habe kurzfristig die höchste Priorität, sagte der niederländische
Ministerpräsident Wim Kok.
- Am 5. November haben es die USA erneut abgelehnt, die Angriffe gegen Afghanistan im
Fastenmonat Ramadan auszusetzen. Der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld machte im
Gespräch mit den pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf klar, dass die
Bombardierung fortgesetzt wird. Die Taliban-Regierung könne nach vier Wochen Angriffen
nicht mehr voll funktionieren, sagte Rumsfeld. Das Netzwerk der Terrororganisation Al
Qaeda müsse nun vollständig zerschlagen werden. Auch Bundeskanzler Schröder lehnte eine
Feuerpause ab. Die Auseinandersetzung wurde damit nur verlängert. Man müsse allerdings
Rücksicht auf "Empfindlichkeiten" nehmen, wenn die Angriffe im Ramadan
weitergeführt würden.
Rumsfeld verteidigte unterdessen erneut die Luftangriffe auf Afghanistan. Es habe wohl
noch nie zuvor so präzise und wirkungsvolle Bombardements gegeben. Afghanistan sei jedoch
nur der Anfang. "Das Problem geht über Afghanistan hinaus. Afghanistan ist das erste
Problem. Wir werden Terroristen-Netzwerke verfolgen, wo immer wir sie finden", sagte
Rumsfeld am 5. November bei einem Besuch in Indien.
- Am 6. November gehen in Afghanistan die Angriffe routinemäßig weiter.
In Berlin tritt am selben Tag der Bundessicherheitsrat zusammen. Danach verkündet
Bundeskanzler Schröder vor der Presse, die US-Regierung habe konkrete Anforderungen an
die Bundesregierung gestellt, den Einsatz in Afghanistan mit Bundeswehreinheiten zu
unterstützen. Eine Beteiligung Deutschlands an Luftangriffen oder die Bereitstellung von
Bodentruppen für Afghanistan sei nicht gefordert worden, sagte Schröder. Es gehe
zunächst nur um die Bereitstellung der Soldaten. "Für jeden konkreten Einsatz
behalten wir die nationale Entscheidung." Nach den Worten des Kanzlers hat die
US-Regierung insgesamt fünf Anforderungen gestellt. Im Einzelnen handelt es sich dabei um
ABC-Spürpanzer, Einheiten zur Evakuierung von Verwundeten in einer Größenordnung von
250 Mann, 100 Soldaten nicht näher bezeichneter Spezialeinheiten Damit sind die
KSK-Kommando Spezialkräfte gemeint), 500 Mann für den Lufttransport und 1800
Marinesoldaten, die Seehäfen und Gefahrguttransporte sichern sollen. Insgesamt handele es
sich um 3900 Mann, die allerdings nicht alle gleichzeitig eingesetzt werden würden.
- Am 7. November werden weitere Erfolgsmedlungen der Nordallianz kolportiert. Die
Talibangegner seien weiter auf die Stadt Masar-i-Sharif vorgerückt. Gezielte
Bombenangriffe der US-Luftwaffe hätten zuvor die Taliban-Stellungen geschwächt. Das
US-Verteidigungsminsterium bestätigte die Vorstöße der oppositionellen Nordallianz.
US-Spezialeinheiten hätten von Geländegewinnen der Oppositionstruppen um die strategisch
wichtige Stadt Masar-i-Scharif berichtet, sagte Vize-Generalstabschef Peter Pace am
Mittwoch in Washington. Über den genauen Frontverlauf sei er jedoch nicht unterrichtet.
Wie weit die Truppen noch von Masar-i-Scharif entfernt seien, könne man nicht sagen.
Das Bundeskabinett verabschiedet in Berlin den Antrag an den Bundestag, wonach 3.900
Soldaten der Bundeswehr für den Krieg in Afghanistan bereitgestellt werden sollen.
- Am 8. November diskutiert der Deutsche Bundestag über den Antrag der Regierung,
Bundeswehr für den Krieg in Afghanistan bereitzustellen. In den Reden des Bundeskanzlers
und des Außenministers war mehr von der Verpflichtung zur Bündnissolidarität die Rede
als von den militärischen Zielen des Einsatzes.
Die Offensive der Nordallianz auf die Stadt Marar-Scharif ging unvermindert weiter.
Unterstützt wurde der Vormarsch von US-Luftangriffen rund um die Uhr.
Pakistans Staatschef versucht weiter den Spagat zwischen der Anti-Terror-Allianz und der
eigenen Bevölkerung. Auf der einen Seite verfügte er die Schließung einer
konsularischen Vertretung der Taliban in Karatschi, auf der anderen Seite forderte er
abermals eine Unterbrechung des Krieges während des Fastenmonats Ramadan.
UNHCR-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers mahnte die Staaten der Anti-Terror-Allianz an
ihre Verpflichtung zur humanitären Hilfe. Millionen von Afghanen seien im bevorstehenden
Winter auf Hilfe von außen angewiesen.
- 9. November: Nach einem weiteren Dauerbombardement der US-Luftwaffe haben die Kämpfer
der Nordallianz nach eigenen Angaben die strategisch wichtige Stadt Masar-i-Scharif
eingenommen. Die Taliban hätten sich aus der Stadt zurückgezogen, hieß es weiter. Die
Taliban berichteten, bei den Angriffen seien 20 Zivilisten und vier Taliban-Kämpfer
getötet worden. Eine der Bomben habe ein Dorf nördlich von Kabul getroffen und 16
Menschen getötet. Am schwersten seien die Angriffe in der südlichen Provinz Kandahar
gewesen. Über die Einnahme der Stadt Masar-i-Scharif durch die Nordallianz wusste auch
der Sprecher des Pentagon nichts zu berichten.
Nachdem US-Kriegsflugzeuge ein Wasserkraftwerk am Fuße eines Staudamms bombardiert haben
(vgl. 1. November), droht vielen tausend Afghanen entweder Ernteausfall und Hunger oder
die Überflutung ihres Landes. Die Schleusen können nicht mehr reguliert werden. Das
Kraftwerk versorgte eine Region mit 500.000 Menschen mit Elektrizität. Mit dem
produzierten Strom wurden allerdings auch die Schleusen des Staudamms betrieben, die den
Pegelstand des Helmand-Flusses regulieren. Wenn die seit langem erwarteten Regenfälle
einsetzen und die Schleusen nicht geöffnet werden können, könne dies zum Überlaufen
des Stausees und - in der Folge - zum Bruch des Dammes führen. Die Konsequenz wäre nach
Einschätzung von Uno-Mitarbeitern vor Ort eine "Katastrophe von riesigen
Ausmaßen". Kollabiere der Damm, werde das gesamte Helmand-Tal unterhalb des
Staussees überflutet und das Leben von mehreren zehntausend Menschen gefährdet, heißt
es in einem internen Bericht des Uno-Regionalbeauftragten für Süd-Afghanistan.
Stromabwärts seien die Menschen von der Bewässerung des Wüstenbodens abhängig. Wenn
durch die nicht mehr funktionsfähigen Schleusen die gleichmäßige Wasserzufuhr
unterbrochen werde, drohe Nahrungsknappheit und eine Hungernot. Zu wenig Wasser würde die
Anpflanzung des Winter-Weizens unmöglich machen. Zu viel Wasser würde den Stausee
entleeren und den Weizen im Frühjahr vertrocknen lassen.
- Am 10. November werden die Berichte über die Einnahme der Stadt Masar-i-Scharif auch
von den Taliban und vom Pentagon bestätigt.
Die Truppen der Nordallianz haben ihre Angriffe auf Taliban-Stellungen fortgesetzt. Wie
die Nachrichtenagentur AFP berichtet, griffen sie die Taliban rund um Dascht-i-Kala im
Nordosten Afghanistans an. Sie hätten mit schwerer Artillerie geschossen, hieß es. Die
Taliban hätten mit Granaten geantwortet.
Die pakistanische Zeitung "Dawn" zitiert den Terroristenführer Osama bin Laden
am 10. November mit der Behauptung, das Al-Qaeda-Netzwerk verfüge über Atom- und
Chemiewaffen und sei bereit, diese einzusetzen. "Wenn Amerika chemische oder nukleare
Waffen gegen uns einsetzt, werden wir mit chemischen oder nuklearen Waffen
zurückschlagen", heißt es in dem Zeitungsbericht. Das Interview mit Osama bin Laden
führte der pakistanische Journalist Hamid Mir. Es erschien nicht nur in der
englischsprachigen Zeitung "Dawn", sondern in anderer Version auch in der
urdusprachigen Zeitung "Ausaf", deren Herausgeber Hamid Mir ist. In
"Ausaf" fehlt allerdings - nach Darstellung der Internetzeitung
"Netzeitung" die Atomwaffen-Drohung des Terroristenführers in "Dawn".
(Spiegel-Online dagegen zitiert die Drohung angeblich aus "Ausuf".) In dieser
Version des Gesprächs warnt bin Laden lediglich: "Wenn es keine Sicherheit für uns
gibt, wird es keine Sicherheit für die Amerikaner geben." Wie der britische Sender
BBC berichtet, sind die beiden Versionen des Interviews ansonsten sehr ähnlich. - Die
britische Regierung zweifelte den Wahrheitsgewalt des Bin-Laden-Interviews an. Man glaube
nicht, dass bin Laden tatsächlich über Atom- oder Chemiewaffen verfüge, sagte ein
Regierungssprecher nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP. Bin Laden versuche
allerdings in den Besitz solcher Waffen zu kommen. Die Regierung nehme deshalb seine
Drohung deshalb "sehr ernst".
- Am 11. November bestätigten die Taliban, dass sie drei weitere Provinzen an die
Nordallianz verloren haben. Wie AIP meldete, hätten sich die Kämpfer der Taliban aus den
Hauptstädten der Provinzen Samangan, Jauzjan und Sar-i-Pol zurückgezogen.
Trotz der Mahnung des US-Präsidenten Bush an die Adresse der Nordallianz, Kabul nicht
anzugreifen oder gar erobern zu wollen, setzte die Nordallianz ihren Vormarsch fort. Kabul
müsse für alle politischen Kräfte offen bleiben, erklärte Bush am Abend des 10.
November bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem pakistanischen Präsidenten
Musharraf. "Wir ermutigen unsere Freunde von der Nordallianz, in der Schomali-Ebene
südwärts vorzurücken", sagte Bush, "aber nicht in die Stadt Kabul
einzudringen". Pervez Musharraf sagte, er befürchte Gräueltaten gegen die
Einwohner, wenn die Nordallianz "zu früh" nach Kabul einrücke. So sei es auch
nach dem Abzug der sowjetischen Truppen gewesen. Außerdem könnte die Anwesenheit der
Nordallianz-Kämpfer "Schwierigkeiten und Spannungen" auslösen, da die
Bevölkerung ihnen "nicht zwangsläufig wohlgesonnen" sei. Die Haltung von Bush
und Musharraf wird vom britischen Verteidigungsminister Geoff Hoon nicht geteilt. Der
Zeitung "Sunday Telegraph" gegenüber erklärte er, den Vormarsch zu
befürworten. Wenn die Nordallianz weitere Regionen einnehme, blieben Terroristenführer
Osama bin Laden und seinen Anhängern weniger Möglichkeiten, sich zu verstecken.
Die USA bombardierten in der Nacht zum und am 11. November wiederholt die Hauptstadt Kabul
und andere Stellungen. Nach Angaben der talibannahen Nachrichtenagentur AIP griffen
US-Flugzeuge Frontlinien in der nordöstlichen Provinz Takar an. Außerdem soll die
Luftwaffenbasis Bagram bei Kabul bombardiert worden sein.
- Am 12. November kamen drei westliche Journalisten ums Leben, als sie mit einem
Truppenkonvoi der Nordallianz in einen Hinterhalt von Taliban-Soldaten gerieten. Unter den
Getöteten befand sich der "Stern"-Reporter Volker Handloik (40 J.), die beiden
anderen Journalisten waren Franzosen; es handelt sich um die 34-jährige Johanne Sutton
von Radio France Internationale (RFI) und um Pierre Billaud vom Sender RTL.
Die Nordallianz rückt unterdessen unbeeindruckt von den Warnungen des US-Präsidenten
weiter auf die afghanische Hauptstadt Kabul vor. Angeblich habe man bereits eine
Siocherheitstruppe von 7.500 Mann aufgestellt, die für die Sicherheit in der Stadt nach
der Eroberung sorgen solle. Viele Menschen in Kabul fürchten sich vor den Truppen der
Nordallianz. Unvergessen sind ihnen die grausamen Kämpfe zwischen den verschiedenen
Mudschaheddin-Fraktionen in den Jahren 1992 bis 1996. Damals herrschten in Kabul der
Tadschike Rabbani und der vor zwei Monaten ermordete Achmed Schah Massud. Sie wurden von
ihrem ehemaligen Verbündeten Hekmatjar aus den Außenbezirken Kabuls beschossen, bis die
Taliban 1996 die Stadt eroberten. "Ein Führer ist wie der andere", sagt Said
Abbas, der in Kabul einen kleinen Laden für Fahrradersatzteile unterhält. Die Menschen
seien ihnen nicht wichtig, "nur die Macht". (Zit. nach SPIEGEL-Online,
12.11.2001)
Nachdem am Freitag die strategisch wichtige Stadt Masar-i-Scharif an die Nordallianz
gefallen ist, haben die oppositionellen Milizen nach eigenen Angaben im Norden inzwischen
neun Provinzen erobert. Dabei handelt es sich um Samangan, Jauzjan, Sar-i-Pul, Tachar,
Bamian, Badghis, Bamiyan, Balch und zuletzt Faryab. Nur noch die Provinz Kundouz werde von
den Taliban kontrolliert, hieß es.
- Am 13. November scheint das Schicksal der Taliban besiegelt. Die Nordallianz hielt sich
nicht an die Warnungen aus Washington und Islamabad und zog in der afghanischen Hauptstadt
Kabul ein. Es habe keinen Widerstand gegeben, die Taliban hätten sich kampflos aus der
Stadt zurückgezogen. Während die ARD (Tagesschau und Brennpunkt) von lediglich vier
getöteten Taliban-Soldaten sprach - ansonsten sei alles ruhig und friedlich verlaufen -
meldete Spiegel-Online, die Übernahme von Kabul sei nicht ohne Plünderungen, Exekutionen
und Lynchmorde abgegangen.
Damit hätte sich wiederholt, was bei der Einnahme der Stadt Masar-i-Sharif passiert sei.
Truppen der Nordallianz haben angeblich nach der Einnahme Stadt 100 junge Soldaten der
Taliban getötet. Eine Uno-Sprecherin sagte am 13. November in Islamabad, die
Taliban-Kämpfer hätten sich am 10. November in einem Schulgebäude versteckt. Sie seien
offenbar nach ihrer Entdeckung exekutiert worden, sagte Stephanie Bunker vom
Uno-Koordinationsbüro für Humanitäre Hilfe in Afghanistan. Sie erklärte ferner, Büros
der Uno und anderer Hilfsorganisationen seien in Masar-i-Scharif und Kabul geplündert
worden.
Über die Zukunft Kabuls hatten auch Bundesaußenminister Joschka Fischer und
Uno-Generalsekretär Kofi Annan am Montagabend am Rande der Uno-Generaldebatte in New York
gesprochen. Annan wolle versuchen, mit den verschiedenen Bevölkerungsgruppen einen
Konsens über Kabul herzustellen, verlautete aus Delegationskreisen. Annan und Fischer
hätten betont, dass Kabul eine "offene Stadt" bleiben müsse, hieß es. Die
Sicherheit und die Versorgung der Bewohner müssten gewährleistet sein.
- Am 14. November geht der Vormarsch der Nordallianz auf breiter Front weiter. Der
arabische Sender Al Dschasira meldet sogar schon die Einnahme der Stadt Kandahar, die
immer als "Hochburg" der Taliban gegolten hatte. Der US-Sender CNN dagegen
berichtete, der Kampf um die Stadt sei noch längst nicht entschieden. Immerhin sollen nur
noch sechs der insgesamt 29 Provinzen in der Hand der Taliban sein.
Kritisch könnte die Situation in Dschalalabad im Osten des Landes werden. Hier übergaben
die Taliban offenbar die Macht an den paschtunischen Mudschaheddin-Führer Mohammed Junis
Chalis. Chalis warnte die Nordallianz davor, weiter auf die Stadt vorzurücken. Vier
weitere Provinzen seien in die Gewalt örtlicher Machthaber übergegangen, die der
Nordallianz feindlich gegenüber stehen.
Bei der Suche nach Osama bin Laden konzentrieren sich die USA jetzt auf den Süden des
Landes. Hier sind nach Angaben des US-Verteidigungsministers Rumsfeld Spezialeinheiten
eingesetzt, die wichtige Verbindungsstraßen kontrollieren.
Die Vereinten Nationen legten unterdessen einen 5-Punkte-Plan vor. Der
UN-Sonderbeauftragte Lakhdar Brahimi sagte, das wichtigste sei die Gewährleistung der
Sicherheit für die Bevölkerung. Der Plan sieht u.a. vor: Verhandlungen mit der
Nordallianz und mit anderen Gruppen aufnehmen; die afghanischen Gruppen bilden einen
provisorischen Rat, an dessen Spitze eine allgemein akzeptierte Symbolfigur der
afghanischen Einheit stehen solle (Brahimi denkt an den Exil-König Sahir Schah); eine
Übergangsverwaltung soll für zwei Jahre eingesetzt werden; die Versammlung der
Stammesfürsten (Loya Jirga) soll einberufen werden; diese Versammlung soll eine neue
Verfassung annehmen und die Übergangsverwaltung durch eine Regierung ablösen.
- Am 15. November bestätigte der UN-Sicherheitsrat mit einer Resolution den
Fünf-Punkte-Plan.
Die USA bombardieren vor allem die Umgebung der Städte Kandahar und Kundus. Bei Angriffen
auf Kabul und Kandahar sind nach Angaben des Pentagon führende Mitglieder der Taliban und
der Al-Qaida-Organisation getötet worden. Zur gleichen Zeit meldete sich Taliban-Führer
Omar zu Wort. Dem BBC gegenüber erklärte er, die Taliban hätten sich aus den Städten
zurückgezogen und verfolgten nun eine Strategie der Vernichtung der USA. "Der Plan
geht voran und wird, so Gott will, umgesetzt werden", wird er zitiert.
Kundus im Norden des Landes ist nach Berichten die einzige Stadt, die noch in den Händen
der Taliban ist. Aus Kandahar wurden Straßenkämpfe gemeldet. Eine Delegation
afghanischer Stammesführer kündigte an, zu Verhandlungen nach Kandahar reisen zu wollen.
Unterdessen lud die Nordallianz örtliche Kommandeure der Paschtunen zu Gesprächen nach
Kabul ein.
Am 15. November ging auch die dreimonatige Gefangenschaft für acht Mitarbeiter der
christlichen Hilfsorganisation "Shelter Now" zu Ende. Die vier Deutschen, zwei
Amerikaner und zwei Australier seien aus einem Gefängnis in der Nähe Kabuls befreit
worden, nachdem die Taliban geflohen waren.
- Am 16. November setzten die USA ihre Luftschläge am Freitag trotz des Beginns des
Fastenmonats Ramadan fort. In Kandahar wurden nach einer Meldung der Nachrichtenagentur
AIP (Afghan Islamic Press) das Außenministerium der Taliban und eine Moschee im Osten der
Stadt getroffen (dies wird von einem US-Sprecher einen Tag später zugegeben). Mindestens
elf Bewohner seien getötet worden. - "Die Taliban haben in Kandahar noch eine starke
Stellung", teilte ein Sprecher der paschtunischen Stammesführer in der
pakistanischen Stadt Quetta mit. "Sie graben sich dort jetzt ein." Nach seinen
Schätzungen haben sich etwa sieben von zehn Taliban-Kommandeuren entschieden, dem Aufruf
von Taliban-Führer Mullah Mohamed Omar zu folgen und den Kampf fortzusetzen, berichtete
Spiegel-Online. Flüchtlinge aus Kandahar bestätigten, dass Stadt und Flughafen weiter in
der Hand der Taliban seien.
Nach einem Bericht der Netzeitung werden noch immer unbewaffnete Zivilisten in Afghanistan
ohne Prozess hingerichtet. Nicht nur die Taliban, sondern auch andere Kriegsparteien seien
dafür verantwortlich, sagte die UN-Sonderberichterstatterin für willkürliche
Hinrichtungen in Afghanistan, Asma Jahangir. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur epd
in Genf lägen den Vereinten Nationen Beweise vor, erläutert wurden sie jedoch nicht.
Jahangir betonte nur, dass derartige Exekutionen in großer Zahl vorkämen. Sie forderte
eine schnelle Untersuchung der Ereignisse und die Bestrafung der Täter nach
internationalen Standards. Jahangir: "Es darf keine Straflosigkeit für diese weit
verbreiteten und systematischen Hinrichtungen geben, die sogar das Ausmaß von Verbrechen
gegen die Menschlichkeit haben könnten".
Einer der wichtigsten Männer des Al-Qaida-Netzwerkes ist wahrscheinlich tot. Mohammed
Atef soll bei US-Luftangriffen im Süden von Kabul getötet worden sein. Das meldet CNN am
16. November unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Regierungsquellen.
Der Deutsche Bundestag sprach in namentlicher Abstimmung mit den Stimmen der
Regierungskoalition dem Bundeskanzler das Vertrauen aus und stimmte damit gleichzeitig
für die Entsendung von Bundeswehr in den Krieg in und um Afghanistan. Fünf Gegenstimmen
kamen aus den Reihen der Grünen (4) und von einer fraktionslosen Abgeordneten, die zuvor
aus der SPD-Fraktion ausgetreten war.
- Amerikanische Eliteeinheiten greifen zunehmend in den Kampf um die Herrschaft in dem
zerklüfteten Land ein. Nach einem Bericht im Spiegel-Online vom 17. November sind ihre
Kampfmethoden denen von Guerillakämpfern oder Partisanen sehr ähnlich: Sie galoppieren
auf Pferden durch die Berge, sprengen Brücken und erschießen Taliban-Anführer.
"Sie töten Taliban, die nicht aufgeben wollen und Al-Qaida-Terroristen, die von
einem Ort zum nächsten ziehen", sagte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am 16.
November bei einem Gespräch mit Journalisten. Nach Angaben aus dem
US-Verteidigungsministerium sind mittlerweile rund 300 Elite-Soldaten in Afghanistan
unterwegs. Von ihnen würden 200 im Norden des Landes kämpfen, rund 100 im Süden, wo die
Lage besonders unübersichtlich sei. Dort sollen sie den Druck auf die noch ausharrenden
Taliban-Truppen erhöhen, Straßen zerstören und fliehenden Terroristen den Weg
abschneiden. Sie haben Verbindungen zu Taliban-feindlichen Paschtunen-Führern
aufgenommen. Unterstützt werden die Amerikaner durch Elitetruppen aus anderen Ländern,
vermutlich vor allem aus Großbritannien. In den nächsten Tagen sollen auch französische
Jagd-Bomber in den Kampf eingreifen und die Verstecke der Terroristen unter Beschuss
nehmen.
Am 17. November ist Kandahar immer noch heftig umkämpft. Ein Sprecher des
Außenministeriums der Taliban-Regierung dementierte einen zuvor von verschiedenen Sendern
gemeldeten Rückzug. Der Nachrichtenagentur Reuters sagte der Taliban-Sprecher am Morgen
des 17. November: "Kandahar ist unter der vollständigen Kontrolle der Taliban und
Berichte über einen Abzug entbehren jeder Grundlage. Das Leben in Kandahar verläuft
normal." Auch in den USA bestehen Zweifel, dass die Berichte über den Rückzug aus
Kandahar zutreffen. "Ich glaube das nicht", sagte Admiral John Stufflebeem in
Washington. Stufflebeem verwies auf US-Erkenntnisse, die auf anhaltende Kämpfe in der
Region hindeuteten.
Inzwischen ist Rabbani, der vor fünf Jahren von den Taliban vertrieben worden war und von
den meisten Staaten als legitimer Präsident Afghanistans anerkannt wird, am 17. November
nach Kabul zurückgekehrt. Der 61-jährige Tadschike hielt sich aber nicht an die
internationalen Absprachen und zog als Präsident in Kabul ein. Dies hatte Kritik im
Ausland hervorgerufen. Bei einer künftigen Regierung geht es vor allem darum, die
Paschtunen, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, in eine Regierung einzubeziehen.
"Wenn nur eine Gruppe die Macht zu ergreifen versucht, haben wir in Zukunft ein
Problem", warnte z.B. UN-Generalsekretär Kofi Annan am Abend des 17. November bei
einem Besuch in der kanadischen Hauptstadt Ottawa. "Und ich hoffe, dass sich Herr
Rabbani dessen auch bewusst ist. Schließlich kennt er die Geschichte seines Landes nur zu
gut". Andernfalls drohe die Fortsetzung des seit 22 Jahren bestehenden Konflikts.
Derzeit gebe es auch Gespräche in Rom mit dem dort lebenden Ex-König Sahir Schah.
- In Kabul beginnt ein regelrechter Wettlauf mit der Zeit. Verschiedene Großmächte und
die Vereinten Nationen versuchen, internationale Gespräche mit der Nordallianz und
anderen Volksgruppen möglichst rasch zustande zu bringen, bevor die Nordallianz ihre
politische Macht im Land fest zu etablieren.
Am 18. November hat sich die Nordallianz einverstanden erklärt, dass die Verhandlungen
über die künftige Regierung auf neutralem Boden in Europa stattfinden. Nach
anfänglichem Beharren auf Kabul als Konferenzort sagte ihr Außenminister Abdullah
Abdullah am Sonntag in Taschkent, alle von der UNO vorgeschlagenen Treffpunkte in
Deutschland, Österreich oder der Schweiz seien akteptabel. Eine Sprecherin des
Auswärtigen Amtes sagte in Berlin, im Gespräch seien die UNO-Standorte Bonn, Wien und
Genf. Sollte es auf eine Konferenz in Bonn zulaufen, sei man gerne bereit, diese
auszurichten. Im Moment gebe es noch keine Planungen. Eine Sprecherin des
Außenministeriums in Bern sagte, auch die Schweiz sei bereit, eine solche Konferenz
auszutragen.
Im Auftrag Annans versucht der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Lakhdar Brahimi,
unter höchstem Zeitdruck alle Fraktionen des Landes zur Regierungsbildung an einen Tisch
zu bekommen. Inzwischen traf auch eine ranghohe russische Delegation in der afghanischen
Hauptstadt ein. Wie das Verteidigungsministerium in Moskau mitteilte, soll die Gruppe
unter Leitung von Sonderbotschafter Alexander Orlow mit Vertretern der USA und der
Vereinten Nationen Gespräche über die Bildung einer neuen Regierung für Afghanistan
führen.
Die letzte Stadt neben Kandahar, die sich noch in der Gewalt der Taliban befindet, steht
vor der Kapitulation. Nach pausenlosen schweren Luftangriffen der USA haben die von der
Nordallianz eingeschlossenen Taliban-Kämpfer in Kundus am 18. November ihre Kapitulation
angeboten. Bei den Luftangriffen auf die Stadt am 18. November wurden auch
Langstreckenbomber des Typs B-52 eingesetzt. Die Stadt ist von etwa 30.000 Soldaten der
Nordallianz umringt und wurde nahezu ständig von den Amerikaner bombardiert. Als
Bedingung für ihre Kapitulation verlangten die Taliban in Verhandlungen über Funk
Sicherheitsgarantien für 3.000 Ausländer aus Pakistan, Tschetschenien und arabischen
Ländern sowie die Mitwirkung von Vertretern der Vereinten Nationen. Nach Berichten des
US-Senders CNN spielten sich in der belagerten Stadt dramatische Szenen der Verzweiflung
ab. Um einer Gefangennahme durch die Truppen der Nordallianz zu entgehen, hätten sich
rund 60 tschetschenische Söldner im Fluss Amur ertränkt. 25 Taliban, die in einen
Hinterhalt gerieten, hätten sich gegenseitig erschossen.
- Am 19. November sollen sich nach einem Bericht von BBC die Taliban in der Stadt Kundus
im Norden Afghanistans ergeben haben. Das Dauerbombardement mit B-52-Bombern der USA habe
die rund 30.000 belagerten Taliban-Kämpfer völlig zermürbt. Der örtliche Führer der
Taliban, Mullah Dadullah hat zugesichert die Stadt verlassen zu wollen, wenn ihm und
seinen Leuten freies Geleit zugesichert würde. Unter den 30.000 Taliban-Kämpfern sollen
sich rund 10.000 arabische, pakistanische und tschetschenische Anhänger von Al-Qaida
befinden. Während die Nordallianz davon sprach, dass zur Zeit der Verhandlungen über
eine Übergabe der Stadt von ihrer Seite keine Angriffe stattfinden würden, soll die
US-Luftwaffe pausenlos weiter bombardiert haben. Ein Talibansprecher sprach von 1.000
Todesopfern in Kundus und der benachbarten Region allein am Wochenende (17./18. November).
Eine arabische Zeitung ("al-Hayat") berichtete, eine Gruppe von
Al-Qaida-Terroristen hätten etwa 300 Taliban-Soldaten, die sich der Nordallianz ergeben
wollten, umgebracht.
Bei den Kämpfen um Kundus soll auch der usbekische Fundamentalistenführer Dschuma
Namangani getötet worden sein. Namangani gehörte zur Islamischen Bewegung Usbekistans,
die in der früheren Sowjetrepublik ein islamisches Regime erreichten wollte und enge
Verbindung zu Osama bin Laden hatte. Nach Moskauer Angaben soll die Gruppe auch im
Drogenhandel aktiv sein.
Wieder sind mehrere Journalisten einem Anschlag zum Opfer gefallen. Etwa in der Mitte der
Strecke zwischen Dschalalabad und Kabul sei ein Autokonvoi von unbekannten bewaffneten
Männern angehalten worden. Fünf Reporter (eine andere Quelle sprach von 4 Personen)
seien aus den Fahrzeugen gezerrt und erschossen worden. Die Gegend, in der der Überfall
geschah, wird von Taliban-Gegnern kontrolliert, gilt aber als unsicher. Hier werden immer
noch vereinzelte Taliban-Kämpfer oder Al-Qaida-Terroristen vermutet. Bereits am 12.
November waren drei Journalisten getötet worden. (Siehe unsere Chronik vom 12. November).
- Am 20. November werden die schwersten Bombenangriffe auf Kundus und Kandahar gemeldet.
Um beide Städte wird weiterhin gekämpft. Die Nordallianz hat den Taliban drei Tage Zeit
zur Kapitulation gegeben. Von den in Kundus eingeschlossenen Taliban-Kämpfern gingen
verschiedene Versuche aus, gegen freies Geleit zu kapitulieren. Außerdem sollen
Verhandlungen unter Leitung der UNO stattfinden. Von den Vereinten Nationen sei dies
abgelehnt worden, da die UNO nicht vor Ort präsent sei.
Am kommenden Montag, so verlautbarte am 20. November aus dem Verteidigungsministerium in
Berlin, werde die Bundeswehr mit den ersten Transportflügen in die Türkei beginnen.
Transportiert werde militärisches Gerät, aber auch Hilfsgüter. Die Bundeswehrmaschinen
sollen vorerst zwischen dem amerikanischen Stützpunkt Ramstein und dem türkischen
Flughafen Incirlic pendeln werden.
Der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Francesc Vendrell, hat am 20. November in Kabul
angekündigt, die Gespräche mit Vertretern der afghanischen Bevölkerungsgruppen über
die Zukunft Afghanistans würden am kommenden Montag (26. November) in Berlin beginnen.
US-Außenminister Colin Powell und sein deutscher Kollege Joschka Fischer bestätigten auf
einer gemeinsamen Pressekonferenz, dass die Konferenz in Berlin stattfinden soll. Das
Treffen werde so repräsentativ sein, wie es in der kurzen Zeit möglich sei, versprach
Vendrell, der sich in diplomatischen Geprächen um die Zustimmung der Afghanen bemüht.
Vendrell sagte, dass Vertreter der paschtunischen Bevölkerungsmehrheit Afghanistans an
der Konferenz teilnehmen sollten. Auch der ehemalige afghanische Präsident und jetzige
Führer der Nordallianz, Burnahuddin Rabbani, und der Taliban-Außenminister Abdullah
erklärten sich mit dem Termin einverstanden. Er werde eine Delegation entsenden, sagte
Abdullah in Kabul.
- Am 21. November forderte die Nordallianz die in Kundus eingeschlossenen Taliban-Kämpfer
ultimativ auf sich zu ergeben.
Die USA haben nach usbekischen Militärangaben rund 2.000 Marine-Infanteristen an der
Grenze zu Afghanistan stationiert. US-General Tommy Franks schloss den Einsatz regulärer
Bodentruppen in Afghanistan nicht aus. US-Präsident Bush sprach von ieiner
"schwierigen Zeitperiode", die jetzt bevorstünde. Es könne sein, "dass
wir noch eine ganze Weile dort bleiben müssen", sagte er.
Die geplante UN-Konferenz über die politische Zukunft Afghanistans wird nun doch nicht in
Berlin, sondern am Petersberg bei Bonn stattfinden. Am 26. November soll die Konferenz
beginnen. Es werden 80 Teilnehmer erwartet, darunter auch der "Innenminister"
der Nordallianz Junus Kanuni.
- 22. November: Die Taliban in der umzingelten und bombardierten nordafghanischen Stadt
Kundus haben am 22. November nach übereinstimmenden Berichten westlicher
Nachrichtenagenturen kapituliert. Vereinbarungsgemäß sollen die Taliban und ihre
ausländischen Mitkämpfer ohne Waffen durch fünf bis acht Korridore die Stadt verlassen.
Die Nordallianz habe dem Taliban-Befehlshaber in Kundus, Mullah Dodullo, zugesichert, die
afghanisch-stämmigen Taliban zu amnestieren und in ihre Heimatorte zu entlassen. Die
Ausländer würden in spezielle "Filtrationslager" gebracht. Bei den
ausländischen Kämpfern soll es sich vor allem um Araber, Pakistaner, Tschetschenen und
Usbeken handeln. Washington geht davon aus, daß diese Kämpfer zu dem Al-Qaida-Netzwerk
Bin Ladens gehören. "Über das Schicksal von Ausländern, die auf Seiten der Taliban
gekämpft haben, werden die gesetzliche Regierung Afghanistans und die Länder der
Anti-Terror-Koalition entscheiden", erklärte ein Vertreter der Nordallianz.
Die Nordallianz bestätigte den neuerlichen Tod von mehreren Journalisten, nachdem das
iranische Fernsehen darüber berichtet hatte. Es soll sich um drei ausländische Reporter
handeln, die sich auf dem Weg von Dschalalabad nach Kabul befanden. Die Nordallianz
behauptet, Taliban-Kämpfer hätten, als Soldaten der Nordallianz getarnt, die
Journalisten umgebracht. Die Zahl der in Afghanistan getöteten Journalisten erhöhte sich
damit auf 10.
Pakistan hat inzwischen die Botschaft der Taliban in Islamabad geschlossen. Die
afghanischen Diplomaten wurden angewiesen, das Land in "angemessener" Zeit zu
verlassen. Derweil eröffnete Großbritannien als erstes westliches Land wieder eine
diplomatische Vertretung in Kabul.
Inzwischen mehren sich die Berichte, wonach in Afghanistan nicht nur Freude über
teilweise wieder gefundene Freiheiten (z.B. Kinobesuch) herrscht, sondern das offene Chaos
ausgebrochen sei. Überfälle von bewaffneten Banden auf Büros und Lager von
Hilfsorganisationen und auf Lebensmittelkonvois sind an der Tagesordnung. In der Kasseler
"Hessischen Allgemeinen" heißt es dazu: "Die Wiederkehr jener Zustände,
die die Mehrheit der Bevölkerung vor fünf Jahren die Machtergreifung der Taliban
begrüßen ließ, bedroht nun jeden Ansatz, im Land am Hindukusch eine stabile
Nachkriegsordnung aufzubauen." (HNA, 23.11.01)
- Am 23. November wird berichtet, dass in Masar-i-Scharif Mitarbeiter des Internationalen
Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) dabei seien, die bis zu 600 dort gefundenen Leichen zu
bergen. Die Sprecherin des IKRK, Antonella Notari, äußerte sich aber nicht zu den
Todesursachen. "Das ist nicht unsere Aufgabe", sagte sie. Die Bergung erfolge
aus Gesundheitsgründen. Es werde versucht, die Toten für ihre Hinterbliebenen zu
identifizieren und ihnen ein würdiges Begräbnis zu verschaffen. Das IKRK-Team ist seit
dem Fall der Stadt am 9. November vor Ort aktiv. Zu unbestätigten Meldungen über
mögliche Massaker der Nordallianz an Taliban-Kämpfern in Masar-i-Scharif nach der
Einnahme der Stadt vor zwei Wochen gab sie keine Auskünfte.
Die US-Regierung veröffentlichte nach einem Bericht von SPIEGEL-ONLINE eine Liste mit
angeblichen Massakern der Taliban. Zur Festigung ihres Terrorregimes hätten die Taliban
Kinder hingerichtet, Frauen vergewaltigt und Männer als Abschreckung an Straßenlaternen
aufgehängt. Die Details sind in einem Bericht enthalten, den das eigens für die
Informationsoffensive in Islamabad, London und Washington eingerichtete
"Koalitionsinformationszentrum" präsentierte. So seien in Afghanistan acht
Jungen ermordet worden, weil sie über Soldaten gelacht haben. Ganze Familien, die das
Talibanregime ablehnten, seien verbrannt und hundert Männer, die den Taliban den Rücken
gekehrt hatten, an Straßenlaternen aufgehängt worden. Der Report listet insgesamt 22
Massaker auf. So sollen die Taliban 1998 rund 600 usbekische Dorfbewohner in
Westafghanistan massakriert haben und bei der Einnahme von Masar-i-Scharif im gleichen
Jahr Männer und Jungen hingerichtet und Frauen vergewaltigt haben. In Yakaolang sollen in
diesem Jahr 170 Männer hingerichtet worden sein. SPIEGEL-ONLINE mutmaßt über die
Hintergründe des Berichts: "Die US-Regierung will mit der Veröffentlichung vor
allem mögliche Sympathisanten der Taliban in den arabischen Ländern von der brutalen
Natur der talibanischen Terrorherrschaft überzeugen. Das Informationszentrum war kurz
nach Beginn des Krieges ins Leben gerufen worden, um direkt auf Äußerungen der Taliban
über den Kriegsverlauf reagieren zu können."
- Am 24. November ergeben sich immer mehr Taliban-Kämpfer in der umlagerten Stadt Kundus.
Der Nordallianz-Kommandeur Daud Husaini sagte am Samstag der russischen Nachrichtenagentur
Interfax, dass sich rund 1.200 Kämpfer in der Ortschaft Amirabad, fünf Kilometer von
Kundus entfernt, ergeben hätten. Die Soldaten seien überwiegend aus dem Gebiet bei
Kundus rekrutiert worden. Die Nachrichtenagentur AP meldete, dass auch rund 600 Soldaten
der in Kundus eingeschlossen ausländischen Soldaten den Kampf aufgegeben hätten. Dabei
handele es sich um Tschetschenen, Araber und einige Pakistani, sagte Nordallianz-Sprecher
Amananullah Khan in Masar-i-Scharif. Die Gefangenen würden nach Masar-i-Scharif gebracht.
Die Söldner würden vor islamische Gerichte gestellt und deren Verbindung zu
Terroristenführer Osama bin Laden untersucht.
Ein enger Vertrauter des afghanischen Taliban-Führers Mullah Mohammed Omar lief am 24.
November zur Nordallianz über. Der stellvertretende Taliban-"Innenminister",
Hadschi Mullah Khaksar, erklärte in Kabul seine Unterstützung für die Nordallianz. Er
vertrete nun nicht mehr die Taliban und wolle sich für den Frieden einsetzen.
Mindestens acht Bomben sollen am 24. November nach Berichten von Augenzeugen auf
pakistanischem Boden eingeschlagen sein. In der Grenzregion zu Afghanistan habe es jedoch
keine Toten oder Verletzte gegeben, so pakistanische Behörden. Auf afghanischer Seite der
Grenze seien aber mindestens 13 Menschen getötet und zwei weitere verletzt worden, so
Augenzeugen. Das meldet die Nachrichtenagentur AP. Das amerikanische
Verteidigungsministerium verweigerte zunächst eine Stellungnahme. Ziel des Angriffs war
wahrscheinlich ein verlassenes Taliban-Trainingslager in der Provinz Paktia, meldete die
"Netzeitung".
Auf dem Parteitag der Grünen in Rostock entschied sich die Mehrheit für den
Bundeswehreinsatz in Afghanistan und für den Verbleib in der Regierungskoalition.
- Am 25. November berichtet die afghanische Nachrichtenagentur AIP, Truppen unter dem
Kriegsherrn Raschid Dostum hätten über zwei Drittel der Stadt Kundus unter ihre
Kontrolle gebracht. Auch andere Truppen der Nordallianz rückten in die Stadt ein, in der
zeitweise angeblich bis zu 30.000 Menschen eingekesselt waren. Flüchtende Taliban
berichteten, tagelange Angriffe amerikanischer B-52-Bomber hätten sie zermürbt.
Außerdem sei Nahrung, Wasser und Munition knapp geworden. Nordallianz-General Burhanuddin
Rabbani rief auch die ausländischen Taliban-Mitkämpfer auf, sich zu ergeben. Die
arabischen, pakistanischen und tschetschenischen Söldner, von denen nach Angaben der USA
viele zum Terrornetz al-Qaida gehören, sollen nach Vorstellungen Rabbanis den Vereinten
Nationen übergeben werden. In einer künftigen Regierung in Kabul könnten auch moderate
Taliban mitmachen, wenn sie sich ergeben.
- Am 26. November sind erstmals über 1.000 US-Marine-Infanteristen, die sog.
"Ledernacken" mit schwerem Gerät in der Nähe von Kandahar gelandet. Ihr
Auftrag besteht darin, Osama bin Laden zu jagen.
Auch die Bundeswehr greift nun in den Konflikt ein. Vorerst allerdings nur mittels
Unterstützungsflügen für die US-Truppen. Die ersten drei Transall-Flugzeuge der
Bundesluftwaffe starteten in Ramstein, um mehrere tausend Wolldecken zu den US-Soldaten
nach Incirlik (Türkei) zu bringen. In den nächsten zwei Monaten soll ein regelrechter
Pendelverkehr mit Nachschubgütern für die US-Truppen in Afghanistan eingerichtet werden.
US-Präsident Bush hat mit seiner Aufforderung an den irakischen Präsident Saddam
Hussein, sein Land für Rüstungskontrolleure zu öffnen und nachzuweisen, dass der Irak
keine Massenvernichtungswaffen entwickle, Spekulationen neue Nahgrung gegeben, als wolle
er einen Krieg gegen den Irak vorbereiten.
- Am 27. November ist der Aufstand gefangen genommener Al-Qaida-Kämpfer bei
Masar-i-Scharif nach heftiger amerikanischer Luftunterstützung wohl endgültig blutig
niedergeschlagen worden. Nach verschiedenen Berichten sollen dabei Hunderte von Gefangenen
und zahlreiche Kämpfer der Nordallianz ums Leben gekommen sein. Die Rede ist auch von
einem getöteten US-Soldaten. Fünf amerikanische und vier britische Soldaten wurden bei
den Gefechten schwer verletzt. Pakistanische Medien und Regierungskreise bezweifelten
schon am Vortag, dass es sich um einen Aufstand gehandelt habe. Sie verdächtigten die
Nordallianz, die Gefängnisrevolte nur vorgeschoben zu haben, um ein Massaker an den
Gefangenen zu rechtfertigen.
Am 27. November spitzt sich die Lage im Land weiter zu. Nach Berichten aus Kabul geriet
die Nothilfe für bis zu sieben Millionen Menschen ins Stocken. Der Einsatzleiter der Uno,
Mike Sackett, sagte, bewaffnete Banden belagerten zum Beispiel die Straße von Peschawar
in Nordpakistan in die afghanische Hauptstadt Kabul, so dass die Fahrten statt zwei Tagen
dreieinhalb Tage dauerten. Die Hilfsorganisationen stünden vor der schwierigen Aufgabe,
monatlich 52.000 Tonnen Nahrungsmittel zu verteilen, die nach Schätzungen des
Welternährungsprogrammes gebraucht würden, um im herannahenden Winter eine Katastrophe
zu vermeiden.
Nach dem Tod eines weiteren Journalisten im Norden Afghanistans will das ZDF seine
Berichterstatter in dem Land vorerst in Kabul konzentrieren. "Es herrscht totale
Anarchie", sagte der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Helmut Reitze am Dienstag.
"Journalisten sind dabei die leichtesten Opfer, weil sie nicht bewaffnet sind."
Ein schwedischer Kameramann war in der Nacht zum Dienstag vermutlich Opfer eines
Raubüberfalls geworden.
Die amerikanische Marineinfanterie hat unterdessen ihren Brückenkopf im Süden
Afghanistans ausgebaut. Ihr Einsatzziel sind die auf Kandahar und Umgebung
zurückgedrängten Islamisten der Taliban und al-Qaida. In der Nacht zum Dienstag hatten
die Ledernacken ihren ersten Kampfeinsatz, als eine Panzerkolonne der Taliban auf den
Feldflugplatz zufuhr, den sie seit Montag zum Brückenkopf ausbauen. Kampfhubschrauber
stoppten die Kolonne. Bis zu 1.000 Marineinfanteristen sollen auf dem Flugplatz in der
Wüste stationiert werden, dessen Name der Militärzensur unterliegt. Er liegt etwa 90
Kilometer südwestlich von Kandahar und wurde nach Berichten der Einheimischen früher von
Osama Bin Laden benutzt. Ihn vermuten die USA im Raum Kandahar und seinen Beschützer, das
Taliban-Oberhaupt Mullah Mohammad Omar, in Kandahar selbst.
Vertreter der afghanischen Volkstämme und die Vereinten Nationen verhandeln seit dem 27.
November auf dem Petersberg bei Bonn über die Bildung einer Übergangsregierung in
Afghanistan. In der Eröffnungsrede sprach Bundesaußenminister Joschka Fischer von einer
historischen Chance für Frieden in einem geeinten und stabilen Afghanistan. Die Vereinten
Nationen hoffen vor allem auf zukünftigen Schutz der Menschenrechte. UN-Generalsekretär
Kofi Annan schickte einen Appell an die afghanischen Delegationen. Diese müssten für
ihre Bevölkerung die Stammesrivalitäten überwinden. Die Vereinten Nationen seien nur
Helfer auf dem Weg in eine friedliche Zukunft des Landes. Die Verantwortung liege allein
bei den Afghanen. - Am Petersberg demonstrierten afghanische und iranische Frauen gegen
die Bildung einer neuen "islamischen" Regierung. Kleinere Kundgebungen hofften
auf demokratische Wahlen in Afghanistan.
- Am 28. November wird bekannt, dass es in der afghanischen Stadt Takteh Pol vor wenigen
Tagen eine Massenhinrichtung von Taliban-Kämpfern gegeben. Ein paschtunischer Kommandeur
berichtet, die Kämpfer seien mit leichten Maschinengewehren erschossen worden. Sieben bis
acht anwesende US-Soldaten hatten vergebens dagegen protestiert. Unter den Getöteten
sollen sich auch einige Pakistaner befunden haben, wie der Kommandeur einer loyal zum
früheren Gouverneur von Kandahar, Gul Agha, stehenden Einheit am Mittwoch in Quetta vor
Journalisten berichtete. Nach Angaben des Kommandeurs hofft Gul Agha auf eine
Rückeroberung der Stadt Kandahar, seine alte Machtbasis vor der Zeit der Taliban.
Stammesälteste seien bereits in Verhandlung mit den Taliban-Kommandeuren Hafis Madschid
und Mullah Saleh um eine Übergabe der befestigten Stadt, sagte er.
Der US-Geheimdienst CIA hat am 28. November bestätigt, dass einer seiner Agenten bei dem
Aufstand gefangener Taliban-Kämpfer in der Festung bei Masar-i-Scharif getötet wurde.
Der 32-jährige Johnny Spann ist der erste Amerikaner, der bei Kampfhandlungen in
Afghanistan ums Leben gekommen ist. Spanns Leiche konnte am Mittwoch geborgen werden. Zu
den Umständen von Spanns Tod äußerte sich die CIA nicht.
Bei der Gefangenenrevolte in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif wurden laut BBC
600 Menschen getötet. Fünf US-Soldaten wurden dabei verletzt. Die meisten von ihnen
waren Aufständische. Die USA hatten dementiert, dass es zu einem Massaker gekommen sei.
Journalisten, die das Lager besichtigen konnten, waren entsetzt. Hunderte von Leichen
hätten im Hof des Forts gelegen. Die BBC sprach von einer "grausamen
Effektivität" der Niederschlagung. Die Menschenrechtsorganisation amnesty
international verlangte inzwischen eine Untersuchung der Ereignisse. Truppen der
Nordallianz hatten die dreitägige Revolte gefangener ausländischer Taliban-Kämpfer in
der Festung Kala-i-Jhangi bei Masar-i-Scharif mit Panzern, Granatwerfern und massiver
Unterstützung amerikanischer Kampfjets niedergeschlagen. Auch amerikanische und britische
Spezialeinheiten waren an der Erstürmung beteiligt.
Insgesamt sind nach Angaben des Pentagons im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Krieg fünf
Amerikaner ums Leben gekommen, bis auf Spann aber alle außerhalb Afghanistans. Zwei
Soldaten starben bei einem Hubschrauber-Absturz in Pakistan, ein Militärangehöriger
wurde bei einem Gabelstapler-Unfall getötet, und ein weiterer stürzte von Bord eines
Flugzeugträgers. Wie am Mittwoch zudem bekannt wurde, wird ein weiterer auf einem
Zerstörer im Indischen Ozean stationierter Marine-Angehöriger vermisst. Die Suche dauert
noch an. Es wird aber befürchtet, dass er ebenfalls über Bord gefallen und ertrunken
ist.
Inzwischen verstärken die USA ihre Bombenangriffe auf Kandahar. Flüchtlinge berichteten,
der amerikanische Bombenhagel habe in Kandahar ein Chaos ausgelöst. Lagerhäuser und
verwaiste Polizeiwachen seien geplündert worden. US-Kommandeur Tommy Franks sagte, er
habe Hinweise dafür, dass al-Qaida-Mitglieder versuchen wollten, Kandahar zu verlassen.
Der zu Wochenbeginn errichtete Stützpunkt der US-Marineinfanterie im Süden Afghanistans
wurde unterdessen kontinuierlich ausgebaut. US-Sonderkommandos intensivierten die
Zusammenarbeit mit paschtunischen Stämmen, um den Angriff auf Kandahar vorzubereiten. Zu
den Bombenangriffen auf mutmaßliche Verstecke Omars und Bin Ladens - darunter zwein
Gebäudekomplexe in Kandahar - sagte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, man wisse
nicht, wer dabei getötet worden sei. "Es war ganz klar eine Führungszentrale",
erklärte er. Der ehemalige Taliban-Botschafter in Pakistan, Abd al-Salam Saif, sagte der
afghanischen Nachrichtenagentur AIP, weder Omar noch andere Taliban-Führer seien in den
Gebäudekomplexen gewesen.
- Am 29. November sind nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums etwa hundert
US-Soldaten im Norden Afghanistans stationiert worden. Die Infanteristen würden zur
Sicherung des Flughafens von Masar-i-Scharif eingesetzt, hieß es in einer Meldung der
Nachrichtenagentur AFP. Laut Pentagon dient der Einsatz bei Masar-i-Sharif zur
Vorbereitung einer "humanitären Luftbrücke". Soldaten hätten dazu am
Donnerstagmorgen mit der Minenräumung und der Instandsetzung des zivilen Flughafens
begonnen. Das Pentagon bestätigte zudem den Einsatz von Soldaten am ehemaligen Flughafen
von Bagram nördlich der Hauptstadt Kabul.
Unterdessen gehen die US-Luftangriffe auf Kandahar pausenlos weiter. Am Abend des 29.
November meldete zuuerst die Nordallianz die Einnahme der Stadt, wenig später behaupten
paschtunische Truppoen im Anmarsch auf Kandahar zu sein. Der paschtunische Kommandeur
Mohammed Dschalal Chan erklärte: "Unsere Einheiten sind fünf Kilometer östlich des
Flughafens. Wir hoffen, dass wir Kandahar bald einnehmen."
Auf der Afghanistan-Konferenz in Bonn keimte am 29. November wieder Hoffnung auf, nachdem
sich die Delegierten in den Kernfragen für die Zusammensetzung einer künftigen
Übergangsregierung näher gekommen waren. Vor allem die Vertreter der Nordallianz und der
"Rom-Gruppe", die dem ehemaligen König nahe steht, haben sich über die
Grundstrukturen eines Obersten Rats ("Supreme Council") geeinigt, der
Afghanistan auf dem Weg zur Bildung einer "Loya Jirga" (verfassungsgebenden
repräsentativen Versammlung) führen soll. Eine solche "Interims-Autorität" in
Afghanistan zu schaffen, ist ein wesentliches Anliegen der Uno-Konferenz. Einer
Übereinkunft nach soll für drei bis vier Monate eine Administration aus 15 bis 25
Ministern gebildet werden. Sie steht über dem Obersten Rat mit 120 bis 200 Mitgliedern.
Deren Namen sollen nach Möglichkeit noch in dieser Woche festgelegt werden. Über beiden
Institutionen soll voraussichtlich der König als symbolische Figur für Afghanistans neue
Einheit stehen.
US-Außenminister Colin Powell hat Spekulationen als haltlos bezeichnet, wonach die USA
bei ihrem Anti-Terror-Kampf bereits konkrete militärische Maßnahmen gegen den Irak
planten. Powell sagte am 29. November in Washington, entsprechende Medienberichte
entbehrten jeder Grundlage. Zu Wochenbeginn hatte US-Präsident George W. Bush vom Irak
verlangt, die Rüstungsinspektoren der Uno wieder ins Land zu lassen. Sie sollen
sicherstellen, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen herstellt.
- Am 30. November halten die Gefechte um Kandahar unvermindert an. US.Kampfflugzeuge
flogen fast pausenlos Angriffe gegen die letzte große Stadt, die noch von den Taliban
gehalten wird. Der Sprecher des Pentagon, Admiral John Stufflebeem, erklärte, er sehe
Anzeichen dafür, dass sich das Taliban-Regime auflöse. Außerdem wurde berichtet, dass
der Geheimdienstchef der Taliban, Kari Amadullah, zur Nordallianz übergelaufen sei.
Der britische Außenminister Jack Straw lehnte eine Untersuchung der Begleitumstände der
blutigen Niederschlagung des Gefangenenaufstands in derv Festung in Masar-i-Scharif ab.
SSStraw sagte dem Sender BBC, die Lage in Afghanistan sei derzeit furchtbar und Recht und
Ordnung seien vollkommen zusammengebrochen. Straws Äußerungen wurden von amnesty
international heftig kritisiert. ai wiederholte die Forderung nach einer unabhängigen
Untersuchung des Todes von mehreren Hundert Taliban-Kämpfern.
Die Afghanistan-Konfernz auf dem Petersberg bei Bonn scheint ins Stocken geraten zu sein.
Streit gebe es vor allem um die konkrete Zusammensetzung einer Übergangsregierung. Aus
Protest gegen den Leiter der paschtunischen Delegation Junus Kanuni und wegen der
mangelnden Repräsentanz der Paschtunnen hat der paschtunische Delegierte Hadschi Abdul
Qadir die Konferenz verlassen. Hadschi Abdul Qadir war früher Gouverneur der Provinz
Nangarhar und verfügt über großen Einfluss.
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jdm