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Krieg und Terror: Quantensprung bei der Aufrüstung

Eine Analyse des Verteidigungshaushalts von Uwe-Jens Rössel und Paul Schäfer


Uwe-Jens Rössel und Paul Schäfer* veröffentlichten im Neuen Deutschland vom 28.11.2001 eine Analyse des Verteidigungshaushalts, der in der letzten Novemberwoche bei den Etatberatungen zur Abstimmung stand. Wir dokumentieren den Artikel, dessen Argumentation sich weitgehend mit Positionen der PDS-Fraktion deckt.

In dieser Woche verhandelt der Bundestag über den nächsten Haushalt. Das Militär sahnt wieder ab. Beispiele.

Mit dem Beschluss des Bundestages vom 16. November über die "Bereitstellung" von Truppenkontingenten im Umfang von 3900 Personen für die Bekämpfung des Terrorismus kommen weitere Anforderungen auf die Truppe zu. Diese von der rot-grünen Bundesregierung sowie den Fraktionen von CDU/CSU und FDP gewollten neuen Anforderungen haben aber auch ihren Preis. Zum ersten Mal seit Anfang der 90er Jahre soll der Rüstungsetat im nächsten Jahr wieder real anwachsen. Mindestens 1,5 Milliarden DM - das ist die Hälfte des aus der Erhöhung der Tabak- und Versicherungssteuer finanzierten so genannten Anti-Terror-Pakets - sind von der Regierungskoalition bei der abschließenden Beratung des Haushaltsausschusses zum Bundeshaushalt 2002 ausdrücklich für die Bundeswehr vorgesehen worden.

Diese Mittel werden eingesetzt für Neubeschaffungen, für die Modernisierung von Ausrüstungen, für Materialerhaltung, auch für Betrieb und Personal der Bundeswehr. Im Bundeshaushalt 2002 werden diese zusätzlichen 1,5 Milliarden DM aus so genannten haushaltstechnischen Gründen nicht im eigentlichen Verteidigungsetat (Einzelplan 14) eingestellt, sondern im Einzelplan Allgemeine Finanzverwaltung (Einzelplan 60), aus dem im übrigen auch der bundesdeutsche Beitrag für den Golfkrieg (rund 17 Milliarden DM) finanziert wurde. Ab dem Jahr 2003, so Bundesfinanzminister Eichel, soll der Wehrminister diesen Betrag unmittelbar in seinem Etat (Einzelplan 14) eingestellt bekommen. Diese deutliche Aufstockung des Budgets für die Bundeswehr wird sich auch in der mittelfristigen Finanzplanung niederschlagen. Statt bislang 46,2 Milliarden Mark sollen demzufolge bis zum Jahr 2006 47,7 Milliarden Mark jährlich für den Rüstungsetat zur Verfügung stehen.

Ob dies "nach oben" bereits das letzte Wort ist, darf angesichts der Interventionsabsichten der Bundeswehr bezweifelt werden. So ist das neu zu beschaffende Transportflugzeug A 400M - das bei den deutsch-französischen Konsultationen vergangene Woche in Nantes eine herausragende Rolle spielte - nur teilweise etatisiert. Die bisher eingestellten Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von zehn Milliarden DM - die haushaltsrechtlich die Grundlage für entsprechende Beschaffungen in den Jahren ab dem Jahr 2003 bilden - werden nur für etwa die Hälfte der geplanten 73 Maschinen (der Stückpreis eines Flugzeuges beträgt rund 225 Millionen Mark) ausreichen. Übrigens, diese 10 Milliarden DM sind zum Vergleich das etwa Achtfache des Umfangs des Bundesumwelthaushaltes 2002.

Für die vom Bundestag beschlossene 3900 Personen-Truppe sind in diesem Jahr bis zu 500 Millionen Mark eingeplant. Hinzu kommen etwa eine Milliarde, die speziell für vorgezogene Beschaffungen, Kampfwertsteigerungen und Nachrüstungen oder Modernisierungen vorgesehen sind. Die Gesamtkosten der Auslandseinsätze (ohne die damit im Zusammenhang stehenden Rüstungsbeschaffungen) werden sich damit im nächsten Jahr auf eine Summe zwischen 2 Milliarden DM und 3 Milliarden DM einpegeln. Doch wer weiß gegenwärtig schon, welche militärischen Einsätze im Detail geplant sind? Für die Einsätze auf dem Balkan (KFOR, SFOR) beispielsweise sollen die in den Bundeshaushalt eingestellten Ausgaben von knapp 1,1 Milliarden auf 1,4 Milliarden Mark ansteigen. Unklar ist, was aus der Mazedonien-Mission "Amber Fox" wird. Sie läuft demnächst aus und wurde im Rahmen einer überplanmäßigen Ausgabe in Höhe von 76 Millionen Mark aus dem laufenden Bundeshaushalt "erwirtschaftet". Zuvor waren dem Etat Scharpings 135 Millionen Mark für die Waffensammelaktion "Essential Harvest" zugeführt worden.

Im Zuge der Beratungen des Entwurfs des Verteidigungsetats im Haushaltsausschuss wurden die jeweiligen Beschaffungstitel im Bereich Schiffe und Hubschrauber unter dem Eindruck des 11.September - die Gegenstimmen kamen nur von der PDS - gegenüber dem Regierungsentwurf teilweise deutlich aufgestockt. Die Ausgaben für wehrtechnische Forschung und Entwicklung wurden im Gegenzug dazu - zumindest für das Jahr 2002 - etwas reduziert. Die im Haushaltsausschuss vorgenommene Absenkung des Regierungsansatzes für wehrtechnische Forschung und Entwicklung um rund 800 Millionen Mark zeigt, dass die Spielräume für Ausgabenkürzungen im Etat erheblich größer sind, als von den Rüstungslobbyisten verkündet wird.

Der Investitionsbedarf ist aus der Sicht der Militärplaner noch lange nicht gedeckt. Zusätzlich zur "Anti-Terror-Paket-Schenkung" erhofft sich Scharping mehr Geld durch einen auf mehr Effizienz getrimmten Militärbetrieb. Erlöse aus dem Verkauf von Liegenschaften und Material sollten ein Übriges tun, um in den Jahren 2001 und 2002 zusammen etwa 2,2 Milliarden Mark zusätzlich locker zu machen. Von diesen Erlösen wiederum sollten 80 Prozent unmittelbar für Rüstungskäufe ausgegeben werden. Eigens dafür wurde im August des Vorjahres eine bundeseigene Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb (GEBB) mit einer hochdotierten Geschäftsführung gegründet. Anstatt der für 2001 anvisierten Erlöse in Höhe von einer Milliarde Mark, werden es voraussichtlich nur 17 Millionen DM sein. Das ist weniger als dem Bund - sprich dem Steuerzahler - die Unterhaltung der GEBB kostet. Die PDS ist sich ausnahmsweise mit CDU/CSU und FDP einig, dass die Zeit für die GEBB-Auflösung überreif ist.

Außenminister Fischer hat in seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen einen "Quantensprung... in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung, einer wirksameren Armutsbekämpfung" eingefordert. Der triste Regierungsalltag sieht aber anders aus. Frau Wieczorek-Zeul, deren Etat an einem Tiefpunkt angekommen ist, erhält zwar aus dem Anti-Terror-Paket 200 Millionen Mark zusätzlich.

Die PDS-Fraktion hat mit ihren Änderungsanträgen zum Verteidigungshaushalt 2002, über die am 28.November im Bundestag - teilweise namentlich - abgestimmt wird, andere Akzente gesetzt. Sie will im Verteidigungsetat eine Globale Minderausgabe von ca. 1,2 Milliarden Mark einstellen. Freiwerdende Mittel sollen zur einen Hälfte einem Bundeskonversionsprogramm und so den Kommunen bei der Bewältigung der Folgen des Rüstungsabbaus und der Rüstungsaltlastenbeseitigung zugute kommen. Die andere Hälfte soll der dringend notwendigen Aufstockung der Entwicklungszusammenarbeit dienen.

Um den Bundesetat zu entlasten, hat die PDS weitere Streichungen beim Beschaffen von Rüstungsgütern im Umfang von über 3 Milliarden Mark beantragt. Durch die Nichtbeteiligung an out-of-area-Einsätzen könnten weitere 2 Milliarden eingespart werden.

In zwei Fällen aber will die PDS-Fraktion mehr Geld in den Etat 2002 einstellen. Erstens: Die Angleichung der Vergütung der Berufs- und Zeitsoldaten sowie der Zivilbeschäftigten der Bundeswehr zwischen Ost- und Westdeutschland gehört endlich auf die Tagesordnung. Zweitens: Die in der Vergangenheit durch ihre Tätigkeit als Radartechniker gesundheitlich schwer Geschädigten bzw. den Angehörigen der an entsprechenden Krebserkrankungen bereits Verstorbenen müssen unverzüglich und großzügig entschädigt werden. Dazu gehören Fürsorgeleistungen, die sich aus der Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung ergeben. Die hier geschätzte Summe von ca. 200 Millionen Mark mag groß erscheinen, aber durch den Verzicht allein auf einen Eurofighter wäre schon der Löwen-Anteil dieses Betrages eingespielt. Die Sicherheit der Bundesrepublik würde durch diesen Verzicht nicht gefährdet.

* Uwe-Jens Rössel, MdB, ist Berichterstatter der PDS-Bundestagsfraktion für den Verteidigungshaushalt. Paul Schäfer ist Referent für Abrüstungspolitik der PDS-Fraktion

jdm