Die Wärpelraut

Die folgende Beschreibung des Brauchs um die Wärpelraut ist entnommen aus einem Hümmlinger Heimatbuch aus dem Jahr 1928 und wurde von einem W. Heermann verfasst..

Die Wärpelraut.

Am letzten Tag des Jahres (Sylvester) gab es in früheren Zeiten auf den Dörfern des Hümmlings eine fröhliche Sitte, die erst gegen Anfang des 20. jahrhunderts erloschen ist: das Ausbringen der Wärpelraut. darauf freute sich jung und alt schon lange vorher.

Die Kinder brachten ihre Wärpelraut am Nachmittag zu den Nachbarn und Verwandten und wurden dafür freundlich und freigebig bewirtet. In den meisten Häusern gab es den "dicken Reis", mit Zucker und Zimt bestreut, Neujahrskuchen und Kaffeebeschüte, auch wohl ein Sirup-Butterbrot. Die drei letzteren Sachen wurden von der guten Hausmutter teilweise den Kindern mitgegegeben, den süßen Reis mußten sie gleich verzehren. Dabei geschah es nicht selten, daß die kleinen Gäste so aßen, daß es zuviel wurde und mit Leibschmerzen endete.

Die Wärpelraut muß anfangs wohl ein reich verzierter Dornstrauch gewesen sein, denn das altdeutsche Wort Wärpel bedeutet Dorn. da aber Dornen stechen und wahrscheinlich wegen ihrer Ausrodung allmählich schwerer zu haben waren, traten Tannenzweige oder üppige Kohlköpfe, die man auf ihren Stielen beließ, an deren Stelle. Die Wärpelraut wurde bübsch verziert, so wie jetzt der Tannenbaum zur Weihnachtszeit, aber einfacher, mit geschnitztem, buntem Glanzpapier, einigen Lichtern und Äpfeln. Zum Austragen zogen die Kinder ihre Sonntagskleider an und überbrachten ihren Gönnern die Wärpelraut mit dem Gruße: "gauden Dag, wi wullen Jau wall'n Wärpelraut bringen." - "Dät is jä moie, Kinner; wat'n fein Ding! Nu settet Jau man henn; I krieget erst wat tau äten."

Nach der Bescherung zogen die Kinder beglückt wieder heim, oft noch mit so vielen Äpfeln und Neujahrskuchen beladen, daß sie tagelang davon zehren konnten.

Die Erwachsenen brachten ihre Gabe abends aus; sie war meistens einfacher, bis zum schlichten Strauch oder Kohlkopf, nur mit einer Papierschleife versehen. Diese Wärpelraut wurde meistens unversehens ins Haus geworfen. Während dann die Werfer sich auf die Flucht machten, stürmten die Hausbewohner hinterdrein. Wer gefangen wurde, mußte mit ins Haus zurück und sich bewirten lassen, eine Demütigung, die aber immer fröhlich endete.

jdm