Streitgespräch Schröder - Stoiber |
Streitgespräch
Wer bringt die Wirtschaft besser in Schwung?
Der Kanzler verweist auf 16 Jahre Stillstand unter der Regierung Kohl,
Unionskandidat Stoiber wirft Schröder eine vierjährige Minusbilanz vor.
Moderation: Hans Werner Kilz (SZ) und Wolfram Weimer
Welt-Chefredakteur Wolfram Weimer, Bundeskanzler Gerhard Schröder, Kanzlerkandidat Edmund
Stoiber und SZ-Chefredakteur Hans Werner Kilz (von links) beim Streitgespräch im Berliner
Büro der SZ
(In der Süddeutschen Zeitung vom 13.8.2002)
Frage: Herr Bundeskanzler, können Sie mit einem Satz sagen, warum man Sie am 22.
September wiederwählen soll und warum Sie gewinnen werden? Vor vier Jahren lautete der
Satz: Kohl muss weg!
Schröder: Wie werden gewinnen, weil wir eine gute Arbeit abgeliefert haben. Dass man 16
Jahre Stillstand nicht in vier Jahren aufarbeiten kann, ist klar. Das ist auch sichtbar zu
machen. Das Zweite ist, das entnehme ich den Untersuchungen, die es gibt, dass die
Menschen sagen, der soll es bleiben.
Frage: Herr Stoiber, was ist bei Ihnen das Kernmotiv für die Wähler, warum Stoiber jetzt
Kanzler werden soll?
Stoiber: Ich möchte, dass wir die Geißel der wachsenden Arbeitslosigkeit mit Massivität
bekämpfen. Das ist ein wichtiges, langfristiges Ziel. Deswegen ist mein Motto: Sozial
ist, was Arbeit schafft. Ich muss alles an dieser Priorität messen lassen. Darum sind
sicherlich auch Einschnitte, sicherlich auch Veränderungen im Mitbestimmungsrecht, auch
Veränderungen zu Gunsten der Belegschaft vor Ort und zu Lasten der
Gewerkschaftszentralen, notwendige Schritte, um ein höheres Maß an Flexibilität zu
erreichen.
Das ist mit Schröder nicht möglich, denn er hat in den letzten Jahren mit einer Fülle
von Gesetzen den Arbeitsmarkt verriegelt und damit auch die Ursache mit geschaffen, dass
wir heute eine so hohe Arbeitslosigkeit haben.
Frage: Herr Schröder, wie wollen Sie den großen Rückstand, den Sie jetzt in den
Umfragen haben, innerhalb von sechs Wochen noch aufholen. Mit dem Argument, wir haben
eigentlich doch eine gute Arbeit gemacht?
Schröder: Die Aufgabe, die wir haben, ist, die Zahlen, die es an Vertrauen und
Wertschätzung für mich gibt, auf die SPD zu übertragen. Das ist die Aufgabe, die wir
haben.
Frage: Also doch: Er oder ich?
Schröder: Das wird ja zum Ende des Wahlkampfes auch gar nicht vermeidbar sein. Irgendwann
kulminiert das natürlich in der Vorstellung der Personen und was ihnen für ein
Vertrauensvorschuss im einzelnen gegeben wird. Das heißt ja nicht, dass das inhaltlos
sein würde. Unsere Anstrengungen sind darauf gerichtet, klar zu machen, dass jemand, der
gerne möchte, dass ich Bundeskanzler bleibe, das nur erreichen kann, wenn er SPD wählt.
Das ist die Aufgabe.
Frage: Wenn man die Umfragen interpretiert, wollen die Leute eigentlich eine
Union-geführte Regierung unter einem Kanzler Schröder...
Stoiber: Das glaube ich aber nicht. Die Leute wählen ja nun Parteien und Personen, nicht
eine Person alleine. Parteien und Personen, in welcher Relation will ich den Demoskopen
überlassen. Aber eines ist von entscheidender Bedeutung: Sowohl der Kandidat als auch die
CDU/CSU haben in den Fragen, die für das Wahlverhalten von entscheidender Bedeutung sein
werden wer bringt die Wirtschaft besser in Schwung, wer schafft mehr Arbeitsplätze
einen großen Vorsprung vor der SPD und vor Rot-Grün, hier habe ich auch in allen
Umfragen die höhere Kompetenz-Zumessung als der Kanzler. Dass er beliebter ist,
respektiere ich. Nur, ich will ja nicht Nachfolger von Günther Jauch werden.
Schröder: Sie sollten damit nicht so oberflächlich umgehen, wie Sie das tun. Herr
Stoiber. Sie unterstellen ja damit, dass die Wählerinnen und Wähler nach anderen als
nach politischen Motiven entscheiden.
» Wir werden gewinnen, weil wir gute Arbeit abgeliefert haben «
Gerhard Schröder
Stoiber: Nein, das tue ich nicht.
Schröder: Natürlich. Wenn Sie sagen, der wird gewählt, weil er beliebt ist...
Stoiber: Habe ich doch nicht.
Schröder: Klar haben Sie das unterstellt.
Stoiber: Nein, das haben Sie missverstanden. Ich sagte, der Wähler wählt die Kompetenz.
Schröder: Dann stellen Sie das richtig und unterstellen den Wählerinnen und Wählern
nicht, dass sie sich keine Vorstellung von der Frage machten, wenn sie pro oder kontra
eine Person votieren, was der an Führungskraft aufbringt. Das ist das, wonach gemessen
wird. Ich finde, Ihr Versuch, sozusagen den Wählern zu unterstellen, dass sie
oberflächliche Motive bei ihrer personalen Wahlentscheidung zum Ausdruck brächten, das
ist eine Beleidigung.
Stoiber: Das stimmt doch nicht.
Schröder: Das ist eine schlichte Beleidigung der politischen Sensibilität und des
politischen Urteilsvermögens der Wählerinnen und Wähler. Das sollten Sie mal schnell
lassen. Das ist ein guter Rat. Sonst fallen Sie persönlich immer noch weiter zurück.
Stoiber: Herr Schröder, ich glaube, dass die Menschen ihre Wahlentscheidung nicht nach
der Beliebtheit, sondern entscheidend nach der Kompetenz zur Lösung der Probleme treffen.
Schröder: Nach der Führungskraft, das ist Ausdruck für das Maß an Vertrauen.
Stoiber: Entscheidend ist die Frage der Lösungskompetenz, was die Wirtschafts- und die
Arbeitsmarktpolitik angeht.
Schröder: Die Menschen urteilen doch nicht so, wie Sie es gerne darstellen. Die Menschen
urteilen bei politischen Führungspersonen danach, wer kann dieses Land in der nächsten
Legislaturperiode führen.
Stoiber: Da liegen Sie hinten mit der SPD.
Frage: Gemach! Herr Bundeskanzler, wenn Sie sagen, Ihre Sympathiewerte seien so viel
besser als die der Partei, sind Sie dann unzufrieden mit der SPD?
Schröder: Nein, überhaupt nicht. Ich bin der Letzte, der Grund hat dazu. Es hat selten
ein solches Maß an Unterstützung und Übereinstimmung zwischen Partei und Spitzenmann
gegeben, wie das jetzt der Fall ist.
Frage: Glauben Sie das wirklich? In dem Wahlkampf läuft doch einiges schief, oder warum
sind die Umfragen so schlecht?
Schröder: Ich kann Ihnen das gerne sagen. Sie haben als Regierung es immer damit zu tun,
dass Ihnen auch jene Widrigkeiten, etwa die weltwirtschaftlichen Verwerfungen, zugerechnet
werden, auf die Sie nur einen sehr begrenzten Einfluss haben. Das ist so, wenn Sie
regieren. Das wird sich auch nie ändern.
Frage: Und? Was folgt für Sie daraus?
Schröder: Die Aufgabe, die wir haben, ist, das Vertrauen, das in die Person gesetzt wird,
auf die Partei zu übertragen, weil die letztlich gewählt werden muss.
Frage: Obwohl Sie bei der Wirtschafts- und Steuerpolitik denkbar schlechte Noten bekommen?
Schröder: Die Steuerpolitik, die wir gemacht haben mit dem ersten und zweiten
Steuerentlastungsgesetz, ist sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite sehr
ausgewogen. Übrigens, international hoch anerkannt. Die Union hatte 16 Jahre lang Zeit,
so etwas Ähnliches zu bewerkstelligen, und sie hat es nicht hinbekommen.
Wir haben heute für Steuersätze gesorgt, sowohl bei den großen als auch bei den kleinen
und mittleren Unternehmen, die im unteren Drittel dessen liegen, was in Europa üblich
ist.
Frage: Die Opposition und die Mittelstandsverbände werfen Ihnen aber vor, Ihre
Steuerpolitik habe die großen Kapitalgesellschaften bevorzugt. Beide fordern zumindest
eine Senkung des Spitzensteuersatzes.
Schröder: Sie können doch nicht gut herkommen und sagen, der tut zu viel für die
Großen, und gleichzeitig wollen Sie den Spitzensteuersatz auf unter 40 Prozent drücken.
Das ist doch wohl eindeutig eine steuerpolitische Maßnahme, die nur einigen wenigen
hilft.
Frage: Das heißt: Ihre Reformfreudigkeit in diesen Dingen ist erschöpft?
Schröder: Was die Frage der Reformfreudigkeit angeht. Da will ich Ihnen nur sagen:
Stoibers Leute haben doch 16 Jahre lang Zeit gehabt, zum Beispiel Kapitaldeckung bei der
Rente aufzubauen. Das haben die doch nicht gemacht. Das haben wir gemacht. Natürlich
unter großen Schwierigkeiten durchgesetzt.
Sie, Herr Stoiber, haben aber nie die politische Kraft entwickelt, in diesen wichtigen
Reformbereichen das zu machen, was objektiv notwendig war. Ich prophezeie Ihnen, beim
Arbeitsmarkt wird das ganz genau so sein. Fazit: Was Ihnen wirklich fehlt, ist eine
Stringenz in der Argumentation. Sie versuchen durchaus populistisch...
Stoiber: Ha!
Schröder: ...sozusagen die Vorwürfe gegen das, was wir tun, zu mixen. Sie werfen uns auf
der einen Seite vor, zu viel für die Großen zu tun, und auf der anderen Seite sagen Sie,
wir hätten sie mit 20 Milliarden Mark belastet.
Stoiber: Die großen Kapitalgesellschaften zahlen keine Körperschaftssteuer mehr,
während Arbeitnehmer und Mittelstand 27 Milliarden Euro mehr Steuern zahlen als 1998. Da
bringen Sie etwas durcheinander.
Schröder: Nein, ich bringe da überhaupt nichts durcheinander. Wo passt das zusammen?
Frage: Und auch die Wachstumsschwäche haben Sie nicht mitzuverantworten?
Schröder: Sie müssen zur Kenntnis nehmen, in den neunziger Jahren, bis 1998, war das
durchschnittliche Wirtschaftswachstum in Deutschland unter 1,4 Prozent. In der Zeit von
1998 bis jetzt beträgt es 1,8 Prozent im Durchschnitt der Jahre.
Frage: Und das reicht Ihnen?
Schröder: Das reicht mir nicht. Aber herzukommen und zu sagen, damals war alles besser,
das glaubt Stoiber nun wirklich kein Mensch.
Stoiber: Entschuldigen Sie bitte. Sie haben gesagt, ich werde nicht alles anders machen,
ich werde vieles besser machen. Wenn ich heute Ihre Bilanz ansehe, über vier Millionen
Arbeitslose im Juli, das Wachstum der Arbeitslosigkeit liegt über dem europäischen
Durchschnitt.
Frage: Das Argument kennt man inzwischen...
Stoiber: ...Und obendrein ist Schröders Schlussbilanz, dass Deutschland in diesem Jahr
mit seinen Haushalts-Defiziten ganz eindeutig über die 3,0-Grenze der
Maastricht-Kriterien kommen wird. Die rot-grüne Wirtschaftspolitik führt dazu, dass der
Blaue Brief diesmal von Brüssel definitiv kommen wird.
Frage: Worauf wollen Sie hinaus?
Stoiber: Die Lage ist ernst und macht mir Sorge. Rot-Grün wird leider nicht
Neuverschuldung auf die von Eichel angenommenen 2,5 Prozent begrenzen können, allein auf
Grund von 500.000 Arbeitslosen mehr, als Herr Schröder versprochen hat. Das allein sind
etwa elf Milliarden Euro Kostenbelastung für den Haushalt und die sozialen
Sicherungssysteme.
Die Steuerschätzung bricht zudem um über elf Milliarden ein. Und die Ausfälle bei der
Körperschaftsteuer schlagen mit weiteren rund neun Milliarden minus im Haushalt zu Buche.
Das heißt, ich muss die Menschen heute darauf aufmerksam machen, dass wir im Grunde eine
zerrüttete Situation bei den öffentlichen Finanzen übernehmen müssen.
Frage: Aber Herr Stoiber, wollten Sie die Körperschaftsteuer denn nicht auch senken?
War denn das 25 Jahre alte Gesetz nicht reformbedürftig?
Stoiber: Ich werfe Herrn Schröder vor, dass er einen schwerwiegenden Fehler gemacht hat
mit der Körperschaftsteuer. Eine 15-jährige Phase einzubauen, in der die Unternehmen
ihre früher gezahlte Körperschaftsteuer zum Teil zurückverlangen können, führt jetzt
im zweiten Jahr in Folge zu einem Totalausfall dieser wichtigen Einnahmequelle. Während
Deutschland im Jahr 2000 noch 23 Milliarden Euro Körperschaftsteuer-Einnahmen hatte,
haben wir 2001 mit Inkrafttreten Ihrer Steuerreform ein Minus von 400 Millionen gehabt.
Jetzt, im zweiten Jahr, haben wir Steuerausfälle, die unerträglich sind. Bei neun
Ländern, insbesondere bei Ihrem Freund Clement, führen sie zu katastrophalen Situationen
mit Haushaltssperren. Sie, Herr Schröder, haben hier einen schweren Fehler gemacht.
Ich sage Ihnen das ganz offen: Sie mokieren sich ja manchmal, dass ich mehr die Akten
studiere, während Sie die Dinge so locker nehmen.
Schröder: Wer sagt das?
Stoiber: Es ist ja immer so unterschwellig von Ihnen gesagt worden.
Schröder: Von mir?
Stoiber: Ja, natürlich.
Schröder: Das verbreiten Ihre Leute, dass ich nicht lesen kann.
Stoiber: Ich sage Ihnen, hätten Sie ein bisschen mehr aufgepasst, wäre Ihnen das bei der
Körperschaftsteuer nicht passiert. Genau wie bei den Veräußerungserlösen von
Industriebeteiligungen, von großen Kapitalgesellschaften.
Die haben Sie für völlig steuerfrei erklärt und gleichzeitig diese Entlastungen dem
Mittelstand verweigert. Das ist eine massive Ungleichbehandlung des Mittelstandes
gegenüber den großen Kapitalgesellschaften.
Frage: Und Sie sind plötzlich der Kämpfer gegen das Großkapital und Retter der kleinen
Leute?
Stoiber: Die Ungleichbehandlung, die Herr Schröder zu verantworten hat, ist für mich
auch vom sozialen Verständnis her schleierhaft. Er gibt den großen Kapitalgesellschaften
im Verhältnis zum Mittelstand einen außerordentlich hohen Bonus.
Dazu kürzen Sie, Herr Schröder, entscheidende Sozialleistungen für die kleinen Leute.
Sie haben die Spekulationsfrist bei Wohnungsverkauf von zwei Jahren auf zehn Jahre
erhöht.
Sie haben gleichzeitig den Sparer-Freibetrag halbiert. Sie haben den Steuersatz für die
Abfindung von Arbeitnehmern erhöht, was mir unverständlich ist.
Wenn jemand entlassen wird, weil das Unternehmen Pleite macht, bekommt er noch 10.000,
15.000 oder 20.000 Euro. Vor Ihrer Regierung zahlte der Betroffene für diese 20 000 Euro
Abfindung den halben Steuersatz, heute deutlich mehr. Sie haben die soziale Balance in
dieser Gesellschaft nicht im Auge gehabt.
Frage: Die Kritik über die Ungleichbehandlung von Mittelstand und Kapitalgesellschaft
hört man oft. Herr Bundeskanzler, sehen Sie da in der neuen Legislaturperiode
Handlungsbedarf?
Schröder: Wir sind diejenigen, die im ersten Schritt dafür gesorgt haben, dass der
Mittelstand, weil das Personengesellschaften sind, die also zur Einkommensteuer veranlagt
werden, ab jetzt maximal 48,5 Prozent, 2005 höchstens noch 42 Prozent zahlen.
Frage: Und was ist mit den Ausfällen der Körperschaftssteuer?
Schröder: Seit 1977 gilt das alte Körperschaftsteuer-Recht. Die sich daraus ergebenden
Steuerguthaben sind vor allem in den letzten 16 Jahren entstanden und sie resultieren aus
der Differenz zwischen der Besteuerung der einbehaltenen und der Besteuerung der
ausgeschütteten Gewinne. Nicht ich habe 16 Jahre lang regiert, sondern Stoibers Leute
waren das.
Frage: Also Kohl war wieder Schuld?
Schröder: Wir haben das geändert. Die ausgeschütteten Gewinne müssen genauso besteuert
werden wie die einbehaltenen und umgekehrt.
Beide werden jetzt mit 25 Prozent besteuert, weswegen es zu diesem Steuerguthaben in
Zukunft nicht mehr kommen kann. Wir zahlen die aufgetürmten Steuerguthaben ab, die in der
Regierung Kohl entstanden sind.
Stoiber: Ich sage es noch einmal deutlich: Wir haben in der Debatte um die Steuerreform
gewarnt, dass aus der System-Umstellung eine hohe Rückzahlung von bezahlter
Körperschaftssteuer auf die öffentlichen Kassen zukommt.
Sie haben damit zu verantworten, dass eine ganze Reihe von Jahren 2001, 2002, 2003
keine Körperschaftsteuer ...
Schröder: Das sind die Guthaben, die in Ihrer Zeit entstanden sind.
Stoiber: ... keine Körperschaftsteuer insgesamt mehr bezahlt wird. Und dies führt
natürlich zu einer außerordentlichen Zerrüttung der Finanzgrundlage des Staates.
Schröder: Und trotzdem wollen Sie auf unter 40 Prozent, obwohl alles zerrüttet ist. Sie
nehmen dann doch weniger, nicht mehr ein.
Stoiber: Falsch. Die Ungleichbehandlung von Mittelstand und großen Unternehmen muss
beendet werden. Da können Sie den Kopf schütteln.
Das ist halt auch ein Zeichen, dass Sie einfach beratungsresistent geworden sind und das
einfach nicht mehr zur Kenntnis nehmen.
Schröder: Das ist falsch.
Stoiber: Der Mittelstand zahlt höhere Steuern als die Aktiengesellschaften und die GmbHs.
Schröder: Die Kapitalgesellschaften zahlen 25 Prozent Körperschaftsteuer,
Definitivbesteuerung. Das zahlen die von der ersten verdienten Mark an. Plus volle 13
Prozent Gewerbeertragsteuer.
Wenn, wie in München geschehen, bei der BayernHyp oder Ihrer Landesbank, für die Sie ja
verantwortlich sind, durch Engagement in einer Größenordnung von Milliarden bei Herrn
Kirch das können Sie nicht bestreiten, bei der Landesbank alleine sind es zwei
Milliarden, die in den Sand gesetzt worden sind keine operativen Erträge gemacht
werden, Herr Ministerpräsident, ist es doch selbstverständlich, dass wegen dieser
Tatsache auch keine Gewerbesteuer anfällt.
Das heißt, die Politik Ihrer Landesbank, wo Ihre Leute sitzen, hat natürlich dazu
geführt, dass das Gewerbesteuer-Aufkommen in München so ist wie es ist. Sie sollten es
nicht uns in die Schuhe schieben wollen.
Stoiber: Aber Sie tun mir schon etwas Leid, wenn Sie die gesamte wirtschaftliche
Situation, die der Bürgermeister und Ihr Parteifreund Ude in München beklagt, alleine
auf die Situation von Herrn Kirch reduzieren.
Wir haben in München acht Dax-geführte Unternehmen. Keines dieser Dax-geführten
Unternehmen da sind große Firmen dabei wie die Allianz, die Münchener Rück,
Siemens, BMW und so weiter zahlt Körperschaftsteuer. Sie zahlen vor allen Dingen
auch keine Gewerbesteuer.
In den m eisten deutschen Städten ist die Lage noch schlimmer. Das heißt also, die
Grundlage für diese Misere, in der wir uns befinden, ist die fehlerhafte Steuerreform und
die konjunkturelle Situation, die außerordentlich prekär ist, und die Sie im hohen Maße
mit zu verantworten haben.
Schröder: Da sagt Herr Späth etwas völlig anderes.
Stoiber: Sie werden es erleben, Herr Schröder, Sie haben null Rückhalt mehr bei den
mittelständischen Unternehmungen und bei der Mitte, aus der Sie 1998
so geschöpft haben. Sie werden das beim Wahlergebnis sehen.
Die Leute vertrauen Ihnen nicht mehr, weil sie deutlich von Ihnen benachteiligt wurden
gegenüber den großen Kapitalgesellschaften. Wir brauchen eine international akzeptable
Steuerreform, die heißt, Eingangsteuersatz unter 15, Spitzensteuersatz unter 40.
Frage: Wie wollen Sie das finanzieren?
Stoiber: Mit Wachstum.
Schröder: Mit Wachstum?
Stoiber: Mit Ihrem Wachstum von 0,7 Prozent kann ich natürlich überhaupt keine
Innovationen mehr durchsetzen. Das heißt, wir brauchen zunächst einmal ein höheres
Wirtschaftswachstum.
Schröder: Hört, hört.
Frage: Herr Stoiber, Wenn die Lage so schlecht ist und die Kassen so leer sind, sagen Sie
uns doch mal, was Sie den Bürgern abverlangen werden.
Jeder im Lande weiß, es wird einschneidende Maßnahmen geben müssen. Was werden die
Menschen erleiden müssen, wenn Sie Kanzler werden?
Stoiber: Wenn wir bestimmte Reformen, bestimmte Erneuerungen nicht vornehmen, werden wir
in eine desaströse Entwicklung hineingelangen. Aber wir können Reformen nicht gegen die
Menschen machen, wir müssen sie mitnehmen.
Frage: Konkret bitte. Welche Opfer?
Stoiber: Wir müssen dem Einzelnen ein höheres Maß an Möglichkeiten geben, im Rahmen
des sozialen Sicherungssystems etwas mehr zu wählen, sich seinen Versicherungsschutz
stärker selber zuzuschneiden, ob er dieses oder jenes will.
So müssen wir anerkennen, dass der medizinische Fortschritt in Sprüngen geht und
deswegen ist die rot-grüne Budgetierung, Rationierung von Gesundheit, falsch. Denn auch
die breite Mehrheit hat Anspruch auf Spitzenmedizin.
In der Frage der Rente muss ich sagen, hat die Regierung Schröder einen historischen
Fehler gemacht, indem sie die demographische Formel ausgesetzt hat. Die müsste heute auch
etwas weiter geschrieben werden. Hier ist ein hohes Maß an sozialer Ungerechtigkeit.
Frage: Und was erwartet die Rentner dann?
Stoiber: Herr Schröder verantwortet, dass die nächsten acht Jahre die Rentner jeweils
0,5 Prozent weniger an Rentenanpassung bekommen, obwohl nur eine Minderheit der
Beitragszahler überhaupt eine kapitalgesicherte Rente in Anspruch nimmt.
Im Jahre 2011 wird die Rentenformel noch einmal abgesenkt. Alles willkürlich. Wir werden
sofort versuchen, das zu ändern, indem wir wieder die demographische Formel herstellen.
Demographische Formel heißt, wenn unsere Lebenserwartung steigt, wenn die Menschen älter
und die Jungen gleichzeitig weniger werden, müssen natürlich der Anstieg der Rente und
die Beitragszahlungen gerecht verteilt werden. Aber nicht willkürlich, wie es hier
gemacht worden ist.
Frage: Herr Bundeskanzler, bei Herrn Stoiber gibt es offenbar wenig Opfer. Wie ist es bei
Ihnen?
Schröder: Wir haben ja bei der Rentenreform schon Opfer zugemutet. Wir haben nämlich
gesagt, angesichts der demographischen Entwicklung wird das mit der beitragsfinanzierten
Rente alleine nicht ausreichen.
Also, liebe Leute, müsst ihr etwas tun für die private Vorsorge, also selber etwas tun.
Wir sind bereit, als Staat etwas dazuzugeben, aber der Hauptanteil muss von euch kommen.
Das ist Kapitaldeckung. Ich halte das, was wirklich unter Mühen zustande gebracht worden
ist, für wirklich epochal.
Frage: Der Blick zurück hilft den Menschen wenig. Sagen Sie uns lieber, was auf uns
zukommt.
Schröder: Entschuldigung. Das wirkt ja auch in der Zukunft. Was wir vorhaben und was
angefangen worden ist mit dem Job-Aqtiv-Gesetz, das wird jetzt weitergeführt mit dem, was
Herr Hartz entwirft. Wir sind dabei, die Bundesanstalt für Arbeit voll umzubauen, die
Vermittlung der Arbeitslosen in den Mittelpunkt zu stellen.
Frage: Warum haben Sie das nicht früher gemacht?
Schröder: Diejenigen, die nicht vermittelbar sind, werden bei der Bundesanstalt für
Arbeit im Grunde als Zeitarbeiter eingesetzt werden, um ihnen die Chancen im ersten
Arbeitsmarkt zu erhalten. Dazu werden wir das Arbeitsförderungsrecht entscheidend
verändern.
Frage: Das war nicht die Frage. Warum das alles jetzt erst?
Schröder: Wir werden, was die Frage der Zumutbarkeit angeht, das sozial, aber auch
regional neu definieren. Und wir werden die Sanktionen verändern müssen, die auferlegt
werden müssen, wenn zumutbare Arbeit, aus welchen Gründen auch immer, es sei denn es
sind nachvollziehbare, nicht angenommen wird. Wir werden da unmittelbar ansetzen.
Frage: Wir lassen nicht locker: Warum nicht früher?
Schröder: Das Problem ist, dass viele Menschen vor Veränderungen Angst haben, weil sie
befürchten, es gehe ihnen danach nicht besser, sondern schlechter. Das Gegenteil ist
richtig. Um diese Angst zu überwinden, brauchen Sie ein hohes Maß an Legitimation für
Veränderungen.
Frage: Das heißt, Sie brauchen erst eine Krise für diesen Reformschritt?
Schröder: Krise nicht. Sie brauchen ein hohes Maß an Legitimation. Die Frage der
Arbeitsvermittlung ist besonders relevant geworden, als am Anfang des Jahres deutlich
wurde, dass die Bundesanstalt für Arbeit, bei allem Respekt vor den Leistungen der
Beschäftigten, nicht optimal organisiert ist.
Frage: Das haben Sie erst da gemerkt?
Schröder: Das war der Zeitpunkt, um den Veränderungsprozess mit Zustimmung möglichst
vieler Betroffener weiterzutreiben.
Frage: Gibt es ein derartiges Krisenmanagement auch bei der Lehrstellenkrise?
Schröder: Da werden wir sicherstellen, dass wir nicht in eine Situation laufen, die wir
ansatzweise in den frühen neunziger Jahren hatten dass aus Kostengründen die
Unternehmen weniger ausbilden, als es objektiv notwendig wäre.
Das ist eine gefährliche Situation, die sich gerade jetzt andeutet. Im Unterschied zum
letzten Jahr, wo wir einen ausgeglichenen Ausbildungsmarkt hatten. Die betrieblichen
Ausbildungsplätze gehen um etwa sieben Prozent zurück. Damit sägen diejenigen, die es
angeht, den Ast ab, auf dem sie morgen sitzen wollen. Und alle diejenigen, die vielleicht
hoffen, wir würden das ausgleichen über Zuwanderung, irren.
Frage: Bekennen Sie sich auch jetzt noch offen zur Zuwanderung?
Schröder: Zuwanderung ist das eine. Wir brauchen sie wegen unserer Internationalität.
Aber das darf nicht auf Kosten von Qualifizierung gemacht werden.
Frage: Sie sind also mit Ihrer Bilanz rundherum zufrieden?
Schröder: Wenn ich ein Fazit zu ziehen hätte: Wir haben doch bewiesen in den vier
Jahren, dass wir in wichtigen Bereichen etwas angepackt haben, was von unseren Vorgängern
liegen gelassen wurde, beispielsweise Schuldenabbau, Steuer- und Rentenreform, Ausstieg
aus der Kernenergie, das neue Staatsbürgerschaftsrecht und ein modernes
Zuwanderungsgesetz.
Frage: Herr Stoiber, der Bundeskanzler trat einst an, nicht alles anders, aber vieles
besser zu machen. Ihnen, Herr Stoiber, hält man vor, nicht alles besser, aber wenig
anders machen zu wollen. Sind Sie überhaupt ein Reformer?
Stoiber: Ich werde doch wegen unseres Reformwillens von den Gewerkschaften und von Herrn
Schröder massiv angegriffen. Warum? Weil ich mehr Flexibilität haben will. Ich will ein
Bündnis für Arbeit auch in den Betrieben zwischen Belegschaft und Arbeitgeber mit
Veto-Recht der Gewerkschaften. Die sollen mehr vor Ort machen können. Deswegen müssen
wir hier die so genannte Günstigkeitsklausel im Mitbestimmungsrecht ändern.
Frage: Wird das Mitbestimmungsgesetz geändert?
Stoiber: Das Mitbestimmungsgesetz werde ich sowieso ändern, weil das
Betriebsverfassungsgesetz ein derartiges bürokratisches Monster geworden ist und
natürlich auch mittelständische Betriebe mit 200 Mitarbeitern in wirklich schwierigste
Probleme hineinführt.
Sie, Herr Schröder, haben mit Ihrem Mitbestimmungsgesetz sicherlich auch einen Preis
abbezahlt an die Gewerkschaften. Aber nach dieser Novelle hat kein einziger gerufen. Der
Mittelstand leidet außerordentlich unter dieser Gesetzgebung. Wir werden auch den
Teilzeitanspruch so nicht aufrechterhalten. Weil Sie danach fragen. Sie müssen dann
allerdings auch mal sehen, was wir alles in unserem Regierungsprogramm vor haben.
Frage: Ich habe zwar nicht danach gefragt, aber Sie dürfen es trotzdem sagen. Wir wollten
nur wissen, wie weit Ihr Reformmut geht.
Stoiber: Dann müssen Sie halt mal genauer in das Regierungsprogramm hineinschauen. Im
Gegensatz zur SPD gilt unser Regierungsprogramm. Das Regierungsprogramm der SPD ist ja,
wenn ich jetzt sehe, was diskutiert wird, bereits Makulatur. Und das nach zwei Monaten.
Das ist die Sprunghaftigkeit, die Ihnen zum Verhängnis wird.
Frage: Herr Stoiber, das kriegen Sie alles hin ohne Steuererhöhung?
Stoiber: Es stehen zwei Dinge außerhalb jeglicher Debatte.
Frage: Steuererhöhungen...
Stoiber: Steuererhöhungen sind in einer rezessiven Phase absolut tödlich. Der zweite
Punkt. Wenn wir sie nicht hätten, würden wir stärker in die Versuchung geraten, aber
wir können Gott sei Dank nicht, weil da der Stabilitätspakt, die Maastricht-Kriterien,
praktisch alle hemmt, den Ausweg über die Verschuldung zu suchen.
Das heißt, der Ausweg über die Verschuldung bleibt nicht. Wir brauchen also ein höheres
Wirtschaftswachstum und wir brauchen vor allen Dingen als ersten Weg das höhere
Wirtschaftswachstum durch mehr Beschäftigung.
Frage: Mal konkret, wie wird Ihre Steuerreform, die Sie ja für 2004 in Aussicht stellen,
aussehen?
Stoiber: Die jetzige Gesetzeslage werden wir zum 1.1. des Jahres 2004 ersetzen durch eine
neue steuerliche Gesetzgebung mit den Eckpunkten, die ich gerade genannt habe und
natürlich auch mit der Notwendigkeit einer Steuervereinfachung. Wir müssen das machen,
denn das Steuersystem ist derart kompliziert geworden.
Frage: Weitere Entlastungen können Sie heute auch noch nicht versprechen?
Stoiber: Die Entlastungen, die ich genannt habe vorausgesetzt wir bekommen ein
höheres wirtschaftliches Wachstum, das wir mit unserer Politik schaffen werden. Sonst
können wir das nicht.
Das ist einmal der Eingangssteuersatz unter 15 und dann der Spitzensteuersatz unter 40. Am
Arbeitsmarkt wird es mit Sicherheit zu Flexibilisierungen kommen müssen. Wenn jetzt
endlich das auch mal von Seiten der SPD akzeptiert wird, begrüße ich das. Dass wir eine
schärfere Zumutbarkeitsregelung beim Empfang des Arbeitslosengeldes machen, das ist ja
immer abgelehnt worden in den ganzen vier Jahren, dann hätten wir auch ein entsprechendes
Einsparpotenzial.
Wir wollen natürlich auch deutlich die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe in
Job-Centern zusammenfassen. Wir hatten das ja in einem von der SPD abgelehnten
Gesetzentwurf im Bundestag vorgeschlagen. Drittens werden wir die Veräußerungserlöse
überprüfen. Ich möchte relativ rasch, spätestens im Jahre 2004 eine Gleichstellung
haben von Veräußerungserlösen bei Kapitalgesellschaften und beim Mittelstand.
Frage: Das heißt, Sie werden den Kapitalgesellschaften die Steuer wieder abverlangen,
wenn die Beteiligungen verkaufen wollen?
Stoiber: Entweder wir können beides gleich bei Null machen, was ich nicht glaube, aber
ich will es nicht ausschließen. Entscheidend ist, dass wir den Mittelstand so behandeln
wie die Kapitalgesellschaften.
Wenn Steuerfreistellung für beide nicht geht, bedeutet das natürlich am Ende im Rahmen
einer Steuerreform eine maßvolle Anhebung bei Veräußerungserlösen für
Kapitalgesellschaften, um hier eine Deckungsgleichheit zu bekommen.
Frage: Das wird Ihnen dort aber keine Freunde machen.
Stoiber: Ich will nicht, das ist das Ziel auch dieser Steuerreform, dass immer mehr Leute
sagen, ich gehe aus der OHG als haftender Unternehmer heraus und gehe in eine GmbH oder in
eine Aktiengesellschaft, je nach Größe.
Frage: Herr Bundeskanzler, sind für Sie Steuererhöhungen tabu?
Schröder: Das kann man ausschließen.
Frage: Und Steuersenkungen, wie Stoiber sie uns verspricht?
Schröder: Also eines sage ich ganz klar: was Herr Stoiber für 2004 oder wann auch immer
ankündigt, nämlich mit dem Spitzensteuersatz unter 40 zu gehen, das wird nicht
funktionieren, wenn er nicht gleichzeitig, was er ausgeschlossen hat, den Stabilitätspakt
in Brüssel torpediert.
Es wird nicht gehen, weil man dann die staatlichen Ausgaben wirklich nicht mehr
finanzieren kann. Das ist doch das, was entweder bewusst unredlich oder fahrlässig ist.
Herr Stoiber sagt, ich will zugleich die Einnahmen des Staates zurücknehmen, keine
Neuverschuldung machen und gleichzeitig die Ausgaben erhöhen.
Das ist der Versuch, in der Politik den Kreis zu quadrieren. Das schaffen Sie, Herr
Stoiber, in der Geometrie nicht, in der Politik aber erst recht nicht.
Stoiber: Herr Schröder, es ist bedauerlich, dass Sie das nicht wissen, dass nicht nur
Amerika, Australien, Neuseeland, Schweden, sondern auch Deutschland unter dem
Finanzminister Stoltenberg bewiesen haben, dass eine Steuersenkung am Ende zu steigenden
Einnahmen durch mehr Wachstum geführt hat.
Es geht um die soziale Balance. Die Schlechterstellung des Mittelstandes ist ein Grund der
hohen Arbeitslosigkeit und auch der miesen Stimmung in unserem Lande. Dass Sie das nicht
erkennen, zeigt ja auch, dass Sie ein Stück Bezug zur Wirklichkeit verloren haben.
Schröder: Na, na.
Stoiber: Ihr Brechen des Versprechens, also 500.000 Arbeitslose mehr als Sie im Juli 1998
gesagt haben, kostet uns insgesamt elf Milliarden Euro. Mir vorzuwerfen, unsere Dinge
wären nicht seriös finanziert, gleichzeitig aber Dinge zu verantworten, wo die
Milliardenausgaben geradezu sprießen, ist doch bezeichnend.
Mir vorzuwerfen, wir könnten diese Steuerreform mit 15 Prozent Eingangssteuersatz und 40
Prozent Spitzensteuersatz nicht schaffen, gleichzeitig aber Dinge zu planen, die massive
Steuerbelastungen bedeuten, das ist etwas, was einfach Ihre Sprunghaftigkeit wiederum
deutlich macht.
Sie sagen, der Staat soll auf die und die Einnahmen nicht verzichten. Ich sage, er muss
darauf verzichten, wenn er mehr Arbeitsplätze schaffen will. Mit Umverteilung schaffen
Sie das nicht.
Frage: Sprunghaftigkeit ist heute Stoibers Lieblingsvokabel. Herr Bundeskanzler, sind Sie
sprunghaft?
Schröder: Sprunghaft? Herr Stoiber, ich nehme ja zur Kenntnis, dass Sie gerne Etiketten
anhängen wollen, die Ihnen Herr Spreng wohl in die Tasche gesteckt hat.
Stoiber: Die Etiketten werden doch üblicherweise doch mir angehängt.
Schröder: Wie auch immer. Ich verstehe ja ganz gut, dass Sie das vorhaben. Aber ich habe
zur Kenntnis genommen, dass es Inhalt Ihrer Politik ist, weniger Geld in die Kasse zu tun,
um mehr Geld drin zu haben.
Stoiber: Das ist der Sinn von Steuerentlastungen, das sie Wachstum auslösen und Wachstum
wiederum Steuereinnahmen.
Schröder: Sie sagen ich tue weniger Geld in die Kasse und habe trotzdem mehr drin. Alles
andere ist zunächst einmal Hoffnung. Deswegen gebe ich Ihnen den guten Rat, wenn Sie
ernst genommen werden wollen in einer steuerpolitischen Debatte, dann schminken Sie sich
eines ab, nämlich die Vorstellung, Sie könnten zu einem Spitzensteuersatz unter 40
Prozent kommen, ohne die Neuverschuldung zu erhöhen oder die sozialen en Leistungen
drastisch zu kürzen. Was Sie sagen heißt, Wohltaten anzukündigen aber massive
Einschnitte zu machen.
Stoiber: Das stimmt ja nicht.
Schröder: Alles andere ist Hoffnung. Die Refinanzierungsquoten, die Sie im Kopf haben, um
insgesamt Ihr Programm, das jährlich 70 Milliarden Euro kosten würde wir haben
das mal rechnen lassen zu finanzieren, sind abenteuerlich.
Stoiber: Ihre Zahl ist abenteuerlich. Wenn jemand Wertpapiere für Job-Floater auflegen
will mit einer solchen steuerlichen Entlastung, mit einem solchen ungewissen Erfolg, von
dem lasse ich mir mit Sicherheit nicht das Fehlen einer seriös finanzierten
Steuerentlastung vorwerfen.
Schröder: Seriös finanziert?
Stoiber: Eine seriös durchgerechnete Steuerentlastung vorwerfen.
Schröder: Oh, oh, oh.
Stoiber: Nein, ha, ha, ha.
Frage: Herr Bundeskanzler, Roland Berger hat Ihnen einen Job nach dem 22. September
angeboten. Haben Sie ihm schon zugesagt?
Schröder: Berät Herr Berger nicht Herrn Stoiber?
Stoiber: Der berät doch Sie! Und rühmt sich der Freundschaft mit Ihnen...
Schröder: Na soweit sind wir doch noch nicht, dass man Roland Berger nicht duzen darf...
Frage: Also haben Sie ihm abgesagt oder nicht?
Schröder: Ich werde nicht in die Situation kommen, dieses Angebot annehmen zu müssen,
denn wir werden am 22. September die Wahlen gewinnen.