Mastställe: Orientierungsplan" für Kommunen |
Ems-Zeitung vom 19.02.2003
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Zum Bericht über das Bürgerbegehren in Dersum
Hähnchenmast: Landkreis will Notbremse ziehen
Orientierungsplan" für Kommunen
Emsland (ma) Die Antragsflut zur Genehmigung von Geflügelmastställen im
Landkreis Emsland reißt nicht ab. Zu allem Überfluss steigen auch im Schweinebereich die
Anträge stetig an. Erschwerend kommt hinzu, dass dabei der Anteil gewerblicher
Großanlagen erschreckend zunimmt. Die Kreisverwaltung in Meppen will dieser Entwicklung
offenbar nicht mehr tatenlos zusehen. Im Rahmen einer nichtöffentlichen
Kreisausschusssitzung stellte sie jetzt einen Orientierungsplan für die Kommunen vor. Er
soll planungsrechtliche Möglichkeiten zur Steuerung von Tierhaltungsanlagen"
aufzeigen.
Das ganze Ausmaß der industriellen Mast lässt sich eindrucksvoll in Zahlen darlegen.
Allein im Hähnchenbereich gibt es im Kreisgebiet bereits 14,5 Millionen genehmigte
Mastplätze, weitere 6,2 Millionen sind im Genehmigungsverfahren. Im Vergleich zu 1997 ist
dies eine Verdoppelung. In der offiziellen Vorlage räumt der Landkreis Emsland ein:
Es bilden sich Schwerpunkträume, in denen eine städtebauliche Entwicklung von
Gemeinde entweder gar nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt möglich ist."
Dabei ließen sich die Antragsteller auch nicht von schärferen gesetzlichen Auflagen
abschrecken. Selbst die deutlich höheren Anforderungen im Bereich von Staubund
Ammoniakemissionen könnten die Antragsflut nicht aufhalten. Auch für die
Kommunen seien diese verschärften Genehmigungsbedingungen leider kein wirkliches
Steuerungsinstrument". Viele Gemeinderatsmitglieder müssten immer noch gegen ihren
Willen den Mastanträgen zustimmen, weil sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen
wollen.
In der Vorlage der Meppener Verwaltung an die führenden Kreistagspolitiker im
Kreisausschuss heißt es weiter: Um unseren Gemeinden Hilfestellung zu geben, hat
die Kreisverwaltung einen Orientierungsrahmen für die planungsrechtliche Steuerung von
Mastställen erarbeitet." Ziel sei, in den emsländischen Kommunen für ihre
Zukunftsfähigkeit noch bauleitplanerische Bewegungsmöglichkeiten zu erhalten.
Dabei hat die Kreisverwaltung den Städten und Gemeinden einen Maßnahmenkatalog an die
Hand gegeben, um Anträge ablehnen zu können. Da ist u. a. das Überschreiten des
Schwellenwertes von zwei Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftlicher Fläche im
Gemeindegebiet bzw. in Teilgebieten ein wichtiger Faktor. Zudem müssen nicht um jeden
Preis städtebauliche Missstände bzw. Einschränkungen der städtebaulichen Entwicklungen
in Kauf genommen werden. Auch die Freizeit und Erholungsbedürfnisse der Bürger in freier
unverbauter Natur dürfen nicht um jeden Preis gestört werden. Um den Maststallbau in
bestimmten Gemeindezonen kanalisieren" zu können, komme auch die Ausweisung
von Sondergebietsflächen für gewerbliche Tierhaltung in Bebauungs und
Flächennutzungsplänen in Betracht. (Siehe Kommentar.)
Kommentar: Tierproduktion im Emsland
Zu spätes Einlenken
Von Hermann Josef Mammes
Das Emsland ist ein Agrarland. Landwirtschaftliche Betriebe bestimmen weitgehend das Bild
dieser Region. Trotz viel versprechender Erfolge bei der Ansiedlung von Industrie und
Gewerbe gilt noch immer: Die Landwirtschaft ist ein dominierender Wirtschaftsfaktor, der
vom bäuerlichen Familienbetrieb geprägt und getragen wird. Wenn jetzt die Geduld der
Emsländer mit der Ansiedlung immer neuer und größerer Mastställe zu Ende geht, ist das
mehr als verständlich. Die große Bürgerinitiative im landwirtschaftlich geprägten
Dersum ist der beste Beweis.
Die Spirale der Hähnchenmast dreht sich immer schneller und immer heftiger. Bereits in
ein bis zwei Jahren dürften im Emsland rund 20 Millionen Mastplätze vorhanden sein. Bei
einem Besatzungsdurchlauf von nur wenigen Wochen sind dies über 100 Millionen Tiere, die
per annum überwiegend in den emsländischen Gemeinden entlang der niederländischen
Grenze gemästet werden.
Die Kreisverwaltung in Meppen hat jahrelang den Eindruck erweckt, als sei sie machtlos und
quasi per Ge
setz gezwungen, fast jeden Maststall zu genehmigen. Auch den Gemeinden rieten der
emsländische Landrat und seine Dezernenten immer wieder, den Bauanträgen ohne Wenn und
Aber ihre Zustimmung zu erteilen.
Erst jetzt rührt sich Widerstand. Der Landkreis gibt den Kommunen einen
Orientierungsrahmen" an die Hand, mit dem sieden Antragsfluten entgegentreten
sollen. Es bleibt zweifelhaft, ob dieser Wegwirklich in größerem Umfang den Bau weiterer
Ställe verhindern kann, doch zumindest ist er ein Zeichen für die Antragsteller aus der
Großindustrie, dass sie auch im Emsland an Grenzen stoßen. Wahrscheinlich werden sich
einige Gemeinderatsmitglieder jetzt ermutigt fühlen und tatsächlich Anträge ablehnen.
Dabei ist der eigentliche Urheber dieser Misere der Bund als Gesetzesgeber. Bis auf einige
schärfere Auflagen zur Emissionsverminderung hat Berlin tatenlos zugesehen, wie
ländliche Regionen durch eine falsche raumordnerische Zukunftsplanung mehrund mehr ihre
Lebens und Wohnqualität einbüßen. Eine gesetzgeberische Weichenstellung ist trotz
vieler Versprechungen immer noch nicht in Sicht.
300 Unterschriften gegen Mastställe
Ziel: Bürgerentscheid in Dersum
Dersum (ma) In der Gemeinde Dersum gibt es bereits seit Jahren massive
Widerstände gegen den Bau von Hähnchenmastställen. Die Bürgerinitiative Contra
Geflügelmastställe" hat jetzt im Rahmen eines Bürgerbegehrens 300 Unterschriften
gesammelt. Wir werden in den kommenden Wochen noch weitere zusammentragen",
kündigte Hubert Brand an.
Tatsächlich würden laut Gesetz bereits zehn Prozent der Einwohnerzahl für ein
Bürgerbegehren reichen. Bei 1100 Wahlberechtigten Dersumern sind dies 110 Unterschriften.
Dabei fragten die Mitglieder der Bürgerinitiative mit Brand, Bernhard Wilken und Sylvia
Timmer ihre Mitbürger schlicht und einfach: Sind Sie gegen die Errichtung und den
Bau weiterer Mastställe in Dersum bzw. Neudersum?" Es liegt jetzt im Ermessen von
Bürgermeister Hermann Schwarte, ob ihm diese Umfrage ausreicht, um einen Bürgerentscheid
durchzuführen.
Wir haben bei der Umfrage fast nur positive Reaktionen erhalten", so Brand
auf Anfrage unserer Zeitung. Einige hätten nur deshalb nicht unterschrieben, weil sie
Verwandte oder Bekannte haben, die von der Geflügelmast lebten. Dafür haben sogar
Dersumer Landwirte das Bürgerbegehren offiziell unterstützt", fügte Brand stolz
hinzu.
Falls sich die Dersumer beim Wahlentscheid anschließend mehrheitlich gegen weitere
Mastställe aussprechen sollten, könnten Gemeinderatsbeschlüsse zukünftig gekippt
werden". Doch bis dahin hat der Dersumer Gemeinderat das Wort. Auch während der
heutigen öffentlichen Gemeinderatssitzung um 19.30 Uhr im Jugendheim geht es wieder um
den Bau von zwei neuen Mastställen in Dersum. Laut Bürgerinitiative sind allein in
Dersum schon über eine Million Mastplätze vorhanden.
Aus der Ems-Zeitung vom 19.02.2003