Weiter offene Fragen nach Urteil |
Ems-Zeitung vom 26.02.2003
Zum Artikel über Treffen von Landrat Bröring mit Frauen der Dersumer Bürgerinitiative
Weiter offene Fragen nach Urteil
Richter: Hoher Tierbesatz reicht zur Ablehnung von Mastställen nicht aus
Von Hermann Gerdes
Neuvrees Die Viehdichte allein reicht nicht aus, um das Entgegenstehen
öffentlicher Belange zu begründen. Damit könnte ein Einvernehmen der Kommune nicht
verweigertwerden. Das steht in einem jetzt vorliegenden Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg. Das OVG hatte überdie Beschwerde eines Bauern
aus Neuvrees zu entscheiden, der einen Hähnchenmaststall mit knapp 40000 Plätzen bauen
wollte.
Die Stadt Friesoythe hatte das Einvernehmen versagt, weil das Vorhaben zu schädlichen
Umwelteinwirkungen führe bei mehr als drei Großvieheinheiten pro Hektar würden sich
bestehende städtebauliche Missstände verfestigen und die verkehrliche Erschließung sei
nicht gesichert. Der Landkreis Cloppenburg war aber anderer Meinung und erteilte das
Einvernehmen. Mit dem sofortigen Widerspruch hatte die Stadt Friesoythe bei der
Bezirksregierung Erfolg. Der Landkreis hätte das Einvernehmen nicht ersetzen dürfen.
Ein Novum", sagte damals Regierungspräsident Bernd Theilen. Erstmals
haben wir aus rein städtebaulichen Gründen den Bau eines weiteren Maststalls
abgelehnt."
Das Oberverwaltungsgericht führt jetzt in seinem Urteil jedoch weitgehend
formaljuristische Gründe für die Entscheidung an. So steht im Beschluss explizit, dass
die Viehdichte nicht als Begründung für eine Verweigerung des Einvernehmens
herangeführt werde. Der Tierbesatz ermächtige die Regionalplanung zwar zur Aktivität,
aber er sei ohne Hinzutreten weiterer Kriterien nicht geeignet", privilegierte
Vorhaben also Tierställe im Außenbereich einer Gemeinde zu sperren". In den
einschlägigen Vorschriften würde bei solchen Anlagen mit Z GV/ha nur die Schwelle
genannt, von der ab eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls" stattzufinden
habe. Dieser Belastungswert reiche aber nicht aus, um eine Zulassung eines privilegierten
Vorhabens auszuschließen.
Eine Massierung von Intensivtierhaltung, wie sie mit der Überschreitung von zwei
Großvieheinheiten pro Hektar verbunden sei, stelle zwar ein gewisses Indiz für das
Vorliegen von städtebaulichen Missständen dar, insbesondere wenn es um Schweine
und Geflügelhaltung geht". Es sei aber nicht erkennbar, bei welchem
Schwellenwert die Belastung der Umwelt eine Größenordnung erreicht, dass öffentliche
Belange einem weiteren Stall entgegenstehen". Dabei würden nicht nur die Tierarten,
sondern auch die Haltungsmethoden zu berücksichtigen sein, z. B. durch Geruchsminderung
durch Haltung auf Stroh oder Biofilter. Die Viehdichte in Neuvrees hat mit 3,06 GV/ha
landwirtschaftlicher Nutzfläche einen hohen Wert. Das Gericht schreibt, Neuvrees sei zwar
von einer ländlichen Idylle weit entfernt, aber städtebauliche Missstände dürfen
auch nicht unbesehen für den ganzen Ortsteil angenommen werden".
Die Stadt Friesoythe hatte im Neuvreeser Fall noch Glück. Neben dem Verfahrensfehler
schluckte das Gericht die Begründung der nicht ausreichenden Erschließung. Bei solch
einer Belastung müsse die Erschlie= ßungsstraße mindestens 3,50 Meter breit sein.
Tatsächlich ist sie nur drei Meter breit. So bleibt der Stadt noch Zeit für andere
Planungsinstrumente. Das wollen wir jetzt nutzen", meint Erster Stadtrat Dirk
Vorlauf. Ob nun Sondergebiete ausgewiesen oder bestimmte Gebiete für andere Nutzungen
überplant werden, müsse sorgfältig abgewogen werden.
Gesetzgeber muss handeln
Meppen (lj)
Landrat Hermann Bröring hält es für dringend erforderlich, dass endlich Bundesgesetze
verabschiedet werden, um das Problem der Mastställe auch im Emsland sozialverträglich in
den Griff zu bekommen.
Frauen von der Dersumer Bürgerinitiative gegen Geflügelmastställe versuchten in der
jüngsten Kreistagssitzung, mit gezielten Fragen den Landrat in die Zange zu nehmen.
Bröring erwiderte: ,,Sie werden in der Bundesrepublik keinen Landkreis finden, der sich
wie wir mit dem Orientierungsrahmen städtebaulich so weit nach vorne gewagt hat."
Wie berichtet, soll dieser Orientierungsrahmen den Gemeinden eine Hilfestellung bieten, um
die städtebauliche Entwicklung besser steuern zu können.
Bröring räumte aber ein, dass dieser Orientierungsrahmen bislang einer
gerichtlichen Ãberprüfung nicht standgehalten habe. ,,Hier wird insoweit Neuland
beschritten", sagte der Chef der Kreisverwaltung. Er machte deutlich, wie dünn das
Eis ist, auf dem man sich bewegt. ,,Wir können nicht willkürlich Anlagen ablehnen, sonst
setzten wir uns der Gefahr großer Schadensersatzforderungen aus."
Zugleich kritisierte er das Verhalten von Landwirten, die die Rechtslage dahingehend
ausnutzten, um Anlagen in Ortsnähe zu bauen, die mit herkömmlicher Landwirtschaft nichts
zu tun hätten.
Aus der Ems-Zeitung vom 26.02.2003