Bericht im Beliner Tagesspiegel vom 25.04.2003 über Schwester Juvenalis |
Franziskanerinnen besuchen Nonnenmusical und spielen nach der Aufführung selbst
Theater
Von Frauke Herweg
Sie hat den neuen Sommeranzug angezogen, die Haare frisch frisiert, die Lippen
kräftig nachgezogen. Umsonst. Vier Damen, die schlichtes Grau tragen, stehlen der
Mittfünfzigerin, die am Dienstag in der Tribüne das Nonnenmusical
Non(n)sense besucht, die Show. Nonnen, die in Reihe sieben sitzen, ziehen alle
Blicke auf sich. Sind die echt? scheinen sich Besucher zu fragen. Sie sind es.
Drei Schwestern des Berliner Franziskanerordens führen am Dienstag ihren Besuch aus
Münster aus. Schwester Juvenalis, Schwester Bernhildis, Schwester Hannelore und Schwester
Vincentia. Sie amüsieren sich, die 65-jährige Juvenalis lacht am lautesten. Auf der
Bühne müssen die Nonnen eines Marienfelder Missionsordens tote Kolleginnen in der
Tiefkühltruhe lagern, weil ihnen das Geld für die Beerdigung ausgegangen ist. Vier
Schwestern mit Gefrierbrand, singen die Schauspielerinnen. Schwester Juvenalis
schlägt sich lachend die Hand vor den Mund.
In der Pause plaudern
die vier bei einem Weißwein. Auch der Franziskanerorden, der in der Pankower
Wollankstraße eine Suppenküche betreibt, sich in der Obdachlosenarbeit und in der
Aidshilfe engagiert, kämpft mit Geldnöten. Die Schlange vor der Suppenküche wird
länger, aber die Spenden nicht mehr. Die Franziskanerinnen sind angenehm überrascht,
dass Non(n)sense-Autor Dan Goggin nicht die üblichen Witze reißt.
Sicherlich, sagt Schwester Hannelore, das Spiel mit den Klischees, der Tabubruch seien
reizvoll. Für mich jedoch ist wichtig, dass dieser Witz nicht beleidigend ist.
Glücklicherweise ist er das nicht. Vor 15 Jahren legte die gelernte
Krankenschwester erstmals ihre Ordenskleidung an. Anders als im Stück, in dem die
Schwestern singen, sie hätten schon als kleines Mädchen Nonnen werden wollen, hat die
heute 43-Jährige einen schweren Kampf durchgefochten, bis sie sich für den Orden
entschied. Vier Jahre grübeln, dann war sie sich sicher.
Nach der Aufführung treffen die Schwestern die Musical-Sängerinnen auf der Bühne. Echte
und vermeintliche Nonnen kommen sofort ins Gespräch. Schwester Juvenalis entdeckt
plötzlich die Schweinepuppe. Auf der Bühne war die Stoffnonne mit dem
Miss-Piggy-Gesicht für einige derbe Rüpeleien zuständig. Schwester Juvenalis langt
begeistert nach der Puppe und imitiert mit rauem Ton deren Stimme. Du sollst die
Klappe halten, röhrt sie in den Saal. Schwester Hannelore lacht. Juvi, lass
es, sagt sie grinsend.
Aus dem Tagesspiegel vom 25.04.2003
jdm