Homosexualität und ihre Diskriminierung weltweit

Aus Le Monde Diplomatique "Atlas der Globalisierung"

Homosexualität und ihre Diskriminierung

Aufgrund der Schwulen-Bewegung der 1970er Jahre kann sich heute in den westlichen Ländern Homosexualität freier äußern. Daneben entstand und etablierte sich eine »gay culture« in Kunst, und Konsum. Zwar ist auch in den westlichen Ländern die Diskriminierung nicht völlig verschwunden - sie ist jedoch ausgesprochen harmlos im Vergleich mit der Repression, der Schwule und Lesben in vielen anderen Ländern ausgesetzt sind: Todesstrafe, Inhaftierung, medikamentöse Behandlung usw.

In den entwickelten westlichen Ländern hat sich die Homosexualität erst im Lauf der 1970er Jahre einen Platz erobert, ja Anerkennung erlangt. Die politischen Ziele der Homosexuellen -rechtliche und soziale Gleichstellung, keine Diskriminierung - stoßen immer noch auf den Widerstand vieler Konservativer, in der Regel sind jedoch alle gesetzlichen Diskriminierungen, die Homosexualität unter Strafe gestellt haben, aufgehoben.

Homosexuelle können heute in der Politik Karriere machen - sogar bei rechtsextremen Parteien. In mehreren nordeuropäischen Ländern ist die Homosexuellen Ehe eingeführt - in den Niederlanden und Schweden bei völliger Gleichstellung mit heterosexuellen Ehepaaren, in anderen Ländern als »Zivilvertrag«. Die Möglichkeit, ein Kind zu adoptieren, ist noch lange nicht etabliert. Bei den alljährlich weltweit veranstalteten Christopher-Street-Day-Umzügen äußert sich eine Kultur, die » in« ist, aber nicht unbedingt die Mehrheit der Homosexuellen repräsentiert. Viele Kämpfer der ersten Stunde bedauern den konsumistischen Schwenk ins »pink Business«.

Strafrechtliche Sanktionierung der Homosexualität in den USAAngefangen hat alles mit einem brutalen Polizeieinsatz gegen die Besucher des Stonewall Inn in Manhattan in der Nacht vom 27. Juni 1969 -danach gab es drei Nächte lang schwere Ausschreitungen. Seither gelten die USA als Vorreiter der Selbstbehauptungs Bewegung. Aber San Francisco und New York lassen leicht in Vergessenheit geraten, dass in fünfzehn Bundesstaaten - von Florida über Texas bis Idaho - Analverkehr nach wie vor unter Strafe steht. Auch der Mythos, die kommunistischen Länder seien der »sexuellen Revolution« offener gegenübergestanden, ist - sofern er die Veröffentlichung von »Retour de l'URSS« von Andre Gide (1936) überdauert hat spätestens in den 1970er Jahren verschwunden.

In den Ländern des Südens ist die Situation äußerst unterschiedlich. In Lateinamerika - mit Ausnahme von Guayana, Nicaragua und einigen der karibischen Inseln - wurden alle Gesetze, die Homosexualität unter Strafe stellten, abgeschafft, desgleichen in mehreren Staaten Afrikas und Südostasiens. Doch in vielen Ländern instrumentalisieren die Regierenden das Thema, um fundamentalistische Bewegungen in Misskredit zu bringen und Sündenböcke zu kreieren. In Saudi-Arabien wurden im Jahr 2002 drei Männer wegen Homosexualität zum Tode verurteilt. Auch im Iran und in Afghanistan wurde die Todesstrafe für Homosexualität verhängt. In Ägypten, wo in einem Schauprozess 52 Menschen der Homosexualität angeklagt wurden, hatte das Gericht zwanzig der Angeklagten zu Freiheitsstrafen von a bis 5 Jahren verurteilt, bevor der Prozess auf internationalen Druck hin für ungültig erklärt wurde. Ein anderer Prozess steht jedoch noch aus.

IHomosexualität und Gesetzgebungn den 1990er Jahren war weltweit eine Verbesserung der Lage für Homosexuelle zu verzeichnen. Die Diskriminierung der gleichgeschlechtlichen Liebe ist deshalb nicht verschwunden. In vielen Staaten der Welt, so ein Bericht von Amnesty International, werden Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transsexuelle nach wie vor wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt, diskriminiert, misshandelt oder gefoltert. Die Organisation berichtet von zahlreichen Fällen, in denen Schwule oder Lesben in Polizeigewahrsam genommen, gefoltert oder gar - angeblich zum Zweck der »Kurierung« - vergewaltigt wurden. Außerdem werden Homosexuelle in vielen Ländern nach wie vor eingesperrt und zwangsweise medikamentös behandelt. Hinzu kommen unzählige Formen der Diskriminierung in der Arbeitswelt und die Inhaftierung von Menschenrechtlern oder Oppositionellen, die nach Bedarf der »Homosexualität« bezichtigt werden. Auf internationalen Konferenzen wird deutlich, dass die rigidesten Moralisten (Abtreibungs und Verhütungsgegner sowie Gegner der gleichgeschlechtlichen Liebe) sich international immer besser vernetzen.

Seit den ersten Nachrichten über HIV und Aids im Schwulenmilieu von New York und San Francisco 1981 und erst recht seit der erschreckenden Ausbreitung der Krankheit in den weniger entwickelten Ländern stehen heute Fragen der Prävention und medizinischen Versorgung im Zentrum der Debatte. Die Ausbreitung der Krankheit zeigt: Frauen und Menschen in armen Ländern, vor allem in Afrika, Asien und Osteuropa sind besonders gefährdet. In ihrem Kampf um Anerkennung haben die homosexuellen Gemeinschaften viele wertvolle Erfahrungen gesammelt, auf die auch andere Bewegungen gegen Diskriminierung zurückgreifen können.

Französische Mütter zur möglichen Homosexualität ihrer Kinder
Aus "Atlas der Globalisierung" von der Monatszeitschrift Le Monde Diplomatique
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