Vom Pflegenotstand ist auch im Emsland die Rede| Ems-Zeitung vom 05.04.05

Vom Pflegenotstand ist auch im Emsland die Rede
Von Torsten Tietz
Meppen/Haren/Twist
Man ist sie aus den Medien gewohnt: Bilder aus Altenpflege- und Wohnheimen, die ruhig gestellte Heimbewohner zeigen, weil es am Personal mangelt. Von Pflegenotstand ist mittlerweile auch im Emsland die Rede, dennoch ist die Welt noch weit gehend in Ordnung.


Das ergab eine Umfrage im Marienhaus Meppen, im St.- Martinus-Seniorenzentrum in Haren und im St.-Anna-Seniorenheim in Twist. "Wir sitzen auf einem Pulverfass, Reformen sind überfällig" - so beurteilt Antonius Otto, Leiter des St.-Martinus-Seniorenzentrums in Haren, das heutige System der Pflegeversicherung. Für Elfriede Robbe vom St.-Anna-Seniorenheim Twist steht fest: "Der Pflegenotstand ist schon Realität!"

Marlene Krüp-Haskamp vom Marienhaus Meppen verweist auf den Hintergrund: "Die Altenpflege hat sich in den letzten Jahren gewandelt, es kommen nur noch Pflegefälle. Das erhöht die Ansprüche an die Pflege. Das klassische Altenheim gibt es nicht mehr." Das hänge auch damit zusammen, dass Heimplätze teuer seien, und Familien die Inanspruchnahme möglichst lange hinauszögerten: Die Entscheidung für das Heim falle oft erst, wenn es keine andere Lösung mehr gebe. Gleichzeitig steige der finanzielle Druck auf die Heime immer mehr, sind sich alle drei einig. Das sei so, seit vor ein paar Jahren das Umlagesystem abgeschafft wurde, bei dem jede Einrichtung pauschale Beträge einzahlte und diese refinanziert bekam, wenn sie zum Beispiel ausbildete. Heute seien jene, die ausbildeten, finanziell betrachtet die Dummen, weil sie Extrakosten schultern müssten. Zudem würden Auszubildende auf den Pflegesatz angerechnet, obwohl sie viel Zeit in der Schule verbrächten, so Antonius Otto.

Der Pflegesatz gibt den Heimen genau vor, wie das Verhältnis von Personal zu Pflegefällen sein darf. Für einen Pflegefall der Stufe drei (höchste Pflegestufe) seien zwischen 1,8 und 2,5 Pflegekräfte nachzuweisen. Die gesetzliche Regelung gehe sogar so weit, dass das Verhältnis "ein Hausmeister für 72,5 Bewohner" festgelegt sei.

Die Verwaltung solle die Qualität der Pflege sichern. Viel Zeit sei aber zum Beispiel für die Betreuung des Pflegefalles nötig: Die Heimleitung müsse für jede Stunde die Pflegeleistung dokumentieren, so Marlene Krüp-Haskamp. Eine positive Überraschung allerdings zum Thema Personalmangel: Im Emsland gibt es den Angaben zufolge mehr Bewerbungen als ausgeschriebene Stellen. In den Heimen in Meppen, Haren und Twist, die sich durchweg in kirchlicher Trägerschaft befinden, arbeiten keine "Billiglohnkräfte" aus Osteuropa. Bezahlt wird nach Tarif. "Wir würden gern mehr ausbilden, können es aber nicht finanzieren", war die einhellige Aussage.

Apropos kirchliche Trägerschaft: Da gebe es Unterschiede zu rein kommerziellen Pflegeheimen, wird betont.

Und was sagen die Heimbewohner? Etwa zu den immer wieder vorkommenden Misshandlungen, von denen im Fernsehen die Rede ist? Hermann Geering aus dem Heimbeirat des Marienhauses und somit Sprecher für die Bewohner: "Hier gibt es keine Misshandlung! Wenn in der Nacht wenig Personal da ist, muss man sich damit abfinden. Es liegt auch viel am Verhalten der Bewohner, wie das Personal auf sie reagiert."

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