Ein Dankeschön an die Umweltschützer | Süddeutsche Zeitung vom 26. Juli 2005

Ein Dankeschön an die Umweltschützer

Er war oberstes Ziel grüner Politik doch genutzt hat der Ausstieg bislang vor allem den Betreibern deutscher Kernkraftwerke

Von Michael Bauchmüller

Wie nicht anders zu erwarten, war Walter Hohlefelder am 10. Mai frohen Mutes. „Rückblickend auf das vergangene Jahr kann man sagen, es war für die Kernenergie ein gutes Jahr", verkündete der Präsident des Deutschen Atomforums. Die Atomenergie Lobby traf sich aus Anlass ihrer „Jahrestagung Kerntechnik" in Nürnberg, die Stimmung war gut. In der Öffentlichkeit, fuhr der freundliche Rheinländer fort, habe es keine größeren Auseinandersetzungen gegeben. „Unseren Kernkraftwerken ist diese Ruhe gut bekommen. 2004 lagen die deutschen Kernkraftwerke im weltweiten Vergleich bei der Erzeugung ganz vorn." Ärger über den staatlich erzwungenen Atomausstieg? Keine Spur.

Auch die öffentlich verlautbarte Haltung der Unternehmen zu dem Ausstieg, den die Energiekonzerne einst mit der Bundesregierung aushandeln mussten, klingt erstaunlich defensiv. „Wir stehen zum Konsens mit der Regierung", heißt es unisono aus den Vorstandsetagen deutscher Stromkonzerne. Kein Wunder: Bis dato haben sie mehr vom Ausstieg profitiert als irgendwer sonst. Bislang nämlich hat der Konsens, zumindest auf dem Papier, zwei alte Kernkraftwerke gestoppt. Doch besonders ärgerlich war das für die betroffenen Unternehmen nicht. Als das Eon Energie Kraftwerk Stade im November 2003 stillgelegt wurde, war selbst Atomforums Präsident Hohlefelder, in Personalunion Kernkraft Vorstand bei Eon Energie, nicht traurig. Schließlich plagten die Stromwirtschaft damals noch große Überkapazitäten. Die deutschen Kraftwerke produzierten mehr, als die Deutschen verbrauchen konnten. „Wir hätten Stade ohnehin stillgelegt", räumte eine Eon Energie Sprecherin kurz nach dem Ende der Reaktor Laufzeit ein. Mit seinen 630 Megawatt Leistung zählte das Kraftwerk ohnehin zu den kleineren Anlagen; es galt als unwirtschaftlich. Wenig problematisch war auch die Abschaltung des EnBW Reaktors Obrigheim, der mit 357 Megawatt weniger Strom lieferte als ein einzelner Block eines Gaskraftwerks.

Schmerzhafter würde es für die Unternehmen erst in ein paar Jahren werden etwa dann, wenn von 2008 an Großkraftwerke wie Biblis A (1200 Megawatt) oder Neckarwestheim 1 (840 Megawatt) vom Netz müssten.

Aber so weit muss es nicht kommen, falls im Herbst die Regierung wechseln sollte. Die Lage der Betreiber würde ein Politikwechsel der Union in Sachen Kernkraft weiter verbessern selbst wenn sie in Zukunft nachweisen müssen, dass die Reaktoren technisch für längere Laufzeiten gewappnet sind. Lieber wäre ihnen allemal eine pauschale Verlängerung der Laufzeiten. Lohnend wäre der Abschied von der mit Rot Grün vereinbarten Verabredung in jedem Fall: Bis zu acht Milliarden Euro, schätzt das Marktforschungsinstitut Trend Research, könnten die Energieversorger sparen, wenn sich die Laufzeiten ihrer Kernkraftwerke von 32 auf 40 Jahre verlängern würden. Andernfalls müssten sie mehr in den Bau neuer Kraftwerke stecken. Theoretisch könnte sogar Obrigheim wieder ans Netz; erst von 2007 an soll der Reaktor abgebaut werden. Betreiber EnBW will davon aber nichts wissen. Obrigheim werde nach Plan abgebaut, sagt ein Sprecher. „Im Übrigen stehen wir zum Atomkonsens" bis auf Weiteres.
Umweltpolitisch steht auf der Haben-Seite des Atomausstiegs damit noch nicht allzu viel, dafür währt er noch zu kurz. Politisch haben die Betreiber indes profitiert: Die trügerische Lösung der Kernkraft Problematik hat weite Teile der Anti-AKW-Bewegung sanft entschlafen lassen. Jahrelang etwa dämmerte das Endlager Projekt Gorleben vor sich hin, weil sich Betreiber und Regierung darauf verständigt hatten, die Untersuchung vorerst einzustellen. Die deutschen Atomkraftwerke übertrafen derweil regelmäßig und weitgehend unbehelligt die Rekorde des Vorjahres. Denn der Atomausstieg - auch das eine Nebenwirkung der Vereinbarung - garantiert den Betrieb der Reaktoren ohne weitere Einschränkungen. Unangefochtener Weltmeister bei der Erzeugung von Atomstrom ist seit Jahren der Eon Reaktor Isar z. Nach den USA, Frankreich und Japan produziert kein Land auf der Erde so viel Atomstrom wie Deutschland. Trotz -oder wegen - des Ausstiegs.

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