Wie Ökolandwirte Kartoffelkäfer aus dem Schlaraffenland vertreiben |
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Stefanie Hahn, Pressestelle Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft 20.03.2007 |
Wissenschaftler der Biologischen Bundesanstalt (BBA) stellen Ergebnisse zur Wirksamkeit verschiedener Mittelkombinationen auf Ökolandbau-Tagung (20.-23. März) vor
Kleinmachnow (20.03.07) Für Kartoffelkäfer und ihre
gefräßige Brut, die Larven, ist ein Kartoffelfeld das Schlaraffenland. Egal ob hier Bio-
oder normale Knollen gedeihen, es herrscht grüne Blattnahrung im Überfluss. Da die
Fresssucht der Käfer jedoch zu Ernteverlusten führt, überlassen auch Bio-Bauern den
Schädlingen nicht kampflos das Feld. Sie setzen Mittel auf natürlicher Basis ein.
"Ausschlaggebend für den Bekämpfungserfolg sind der richtige Zeitpunkt und die
richtige Kombination der Präparate", sagt Dr. Stefan Kühne von der Biologischen
Bundesanstalt für Land und Forstwirtschaft (BBA). Am Institut für integrierten
Pflanzenschutz in Kleinmachnow wurden zwischen 2004 und 2006 in Feldversuchen
Kartoffelkäfer mit drei Präparaten bzw. Kombivarianten bekämpft. Dabei erwies sich der
zeitversetzte Einsatz zweier Mittel auf Neem- bzw. B.t.t.-Basis als besonders wirksam.
Beim aus Crysanthemenblüten gewonnenen Pyrethrum blieb der Erfolg aus, was die
BBA-Forscher auf eine steigende Resistenz der Käfer zurückführen. Ihre Ergebnisse
stellen sie auf der "Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau" vor, die ab
heute (20. März) in Hohenheim stattfindet.
"Da der Kartoffelkäferbefall in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat, ist es
besonders wichtig, den Ökolandwirten praxistaugliche Strategien vorzuschlagen",
erklärt Dr. Stefan Kühne. Deshalb testete er drei für den Ökolandbau zugelassene,
handelsübliche Präparate gegen die Käfer und ihre Larven. Zwei der Wirkstoffe führen
zum sofortigen Fraßstopp und schnellen Tod der Käfer. Dies sind Pyrethrum und ein Toxin
aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis tenebrionis, kurz B.t.t. Die Wirkung von
Azadirachtin, ein Wirkstoff aus dem indischen Neembaum, tritt mit Verzögerung ein. Sein
fraßhemmender Effekt führt dazu, dass die Larvenentwicklung langfristig gestört wird
und die Käfer unfruchtbar werden.
"Am besten hat in unseren Versuchen die Variante abgeschnitten, bei der zuerst der
Neem-Extrakt ausgebracht und zwei Tage später mit dem Bacillus thuringiensis-Toxin
nachbehandelt wurde", sagt Torben Reelfs. Der Student von der Humboldt-Universität,
der seine Masterarbeit zum Thema an der BBA angefertigt hat, kennt auch den Grund dafür:
"Auf diese Weise können sich die unterschiedlichen Wirkmechanismen der Präparate
voll entfalten." Für die Praxis bedeutet dies, dass der Landwirt mehr Bio-Kartoffeln
ernten und vermarkten kann. Vergleicht man die erfolgreichste Bekämpfungsvariante mit dem
unbehandelten Kontrollfeld, ergibt sich nach Abzug der Behandlungskosten ein Mehrerlös
von 826 Euro pro Hektar.
Der Einsatz von Pyrethrum, dem Wirkstoff aus Chrysanthemenblüten, lohnt sich nach
BBA-Erkenntnissen für die Landwirte kaum. Ungewöhnlich viele Kartoffelkäfer überlebten
die Behandlung mit dem biologischen Pflanzenschutzmittel. Der Fraßschaden lag nur 20%
unter dem Wert der unbehandelten Kontrolle. "Viele Käfer sind offensichtlich
resistent gegen Pyrethrum", erklärt Dr. Stefan Kühne. Als Grund nennt er den
jahrelangen Einsatz synthetisch hergestellter Pyrethroide (Insektizid) durch nicht
ökologisch wirtschaftende Betriebe.
Pyrethroide sind dem natürlich vorkommenden Pyrethrum nachgebaut worden und ähneln ihm
sehr. Die fortschreitende Resistenz von Käfern gegen die Pyrethroide ist in Fachkreisen
bekannt. Den Kartoffelkäfern ist es egal, ob das Gift, dass sie aufnehmen, aus dem Labor
oder aus der Chrysantheme stammt. Sie sind gegen beide Stoffe resistent. "Da
Kartoffelkäfer stets aus Vorjahresflächen einwandern, gibt es in Anbaugebieten wie
Brandenburg, in der ökologisch und konventionell wirtschaftende Betriebe nah beieinander
liegen, nun resistente Käfer, die dem Pyrethrum trotzen", sagt Stefan Kühne.
"Daher raten wir Öko-Landwirten zur erprobten Doppelstrategie mit den beiden anderen
Wirkstoffen." Damit werde gleichzeitig das Risiko gesenkt, dass sich auch gegen eines
dieser Mittel Resistenzen ausbilden, so der BBA-Wissenschaftler.
Neben der Wahl der richtigen Mittel sind auch der Behandlungszeitpunkt sowie das Wetter
ausschlaggebend für den Bekämpfungserfolg. Mit dem computergestützten Prognosemodell
SIMLEP3 lassen sich die Termine ermitteln, an denen die meisten Junglarven auf dem Feld
sind. Dazu müssen lediglich das Datum an dem erstmals Eigelege auftreten und die nächste
Wetterstation in das Programm unter http://www.isip.de
eingegeben werden. Dieses Vorgehen erspart dem Landwirt viele zeitlich aufwendige
Bestandsuntersuchungen. Aufbau und detaillierte Ergebnisse der BBA-Versuche werden im
April in zwei Fachzeitschriften publiziert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Stefan Kühne und Torben Reelfs
Institut für integrierten Pflanzenschutz der Biologischen Bundesanstalt für Land- und
Forstwirtschaft
Stahndorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow
Tel.: 033203 / 48-307
E-Mail: s.kuehne(at)bba.de
Hintergrundinfo zur Tagung:
Die 9. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau findet vom 20.-23. März an der
Universität Hohenheim statt. Da die wachsende Internationalisierung neue
Herausforderungen an die Weiterentwicklung des Sektors stellt, heißt das Motto dieses
Jahr "Zwischen Tradition und Globalisierung". Die Stiftung Ökologie &
Landbau koordiniert in Zusammenarbeit mit einer Hochschule oder Versuchsanstalt seit
Anfang der 90er Jahre alle zwei Jahre die Tagung, die inzwischen als die
Schlüsselveranstaltung für ökologische Forschung in der Landwirtschaft im
deutschsprachigen Raum gilt. Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz
stellen hier ihre Forschungsergebnisse vor.
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