Neue OZ online - 01.07.2007, 22:41 Uhr                drucken | Fenster schließen

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Ressort / Ausgabe: Nordwest
Veröffentlicht am: 29.06.2007
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"Wir sind keine grünen Spinner"
Von Beate Tenfelde
Jühnde.

Ausgerechnet jetzt, da Neugierige in Scharen kommen, macht die einzige Kneipe des Ortes dicht. Es wird umgebaut. Das ist eigentlich nichts Neues im Bioenergiedorf Jühnde bei Göttingen. Umbauen gehört hier zur Lebensphilosophie, seit vor knapp zwei Jahren Bürgermeister August Brandenburg mit einem Handgriff den verträumten Weiler in die "Tagesthemen" katapultierte. Er setzte eine 550-kW-Holzhackschnitzel-Heizanlage in Betrieb und eine neue Ära in Gang, als dazu noch eine 700-kW-Biogasanlage die Energieversorgung übernahm: Als erster Ort in Deutschland holt die südniedersächsische 750-Einwohner-Gemeinde Wärme vom Acker.

Hat es sich gelohnt? Ist Brandenburgs Strom- und Heizrechnung niedriger geworden? Das ist die entscheidende Frage, als auf Einladung der Landesregierung Berliner Journalisten zwischen stinkender Silage und Bergen von Holzschnitzeln umherwandern. "Uneingeschränkt ja", sagt Brandenburg in die Mikrofone, die für den 76-Jährigen mittlerweile zur Tagesordnung gehören. "Früher hatte ich in meinem Zwei-Familien-Haus 4000 Euro Heizkosten pro Jahr. Heute sind es nur noch 1800 Euro."

Eckhard Fangmeier, Vorstandsmitglied einer eigens gegründeten Genossenschaft, stellt den angeschlossenen 141 Haushalten sogar Erträge in Aussicht. Weil die Stromproduktion mit 4,5 Millionen kW pro Jahr doppelt so hoch ist wie der Dorfverbrauch, können die Jühnder Energie an die großen Versorger verkaufen. Es läppert sich. "2009/2010 ist die erste Ausschüttung zu erwarten", kündigt Fangmeier an. Nicht viel, 120 Euro Rendite sind es vielleicht, die für den "Genossen" abfallen. Immerhin hat jeder von ihnen mindestens 1500 Euro in die Genossenschaft mitbringen müssen und 1000 Euro Anschlussgebühr bezahlt, um mit dem sechs Kilometer langen Wärmenetz verknüpft zu werden.

500000 Euro Eigenkapital steckten die Jühnder in ihren ganz speziellen Beitrag zum Klimaschutz, mit dem sie 300000 Liter Öl pro Jahr einsparen. 1,5 Millionen Euro gab die öffentliche Hand. 3,4 Millionen Euro Kredite müssen bedient werden. "Aber wir stehen an der Schwelle zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit", blickt Fangmeier optimistisch in die Zukunft und legt Wert auf die Feststellung, kein "grüner Spinner" zu sein.

In mühevoller Überzeugungsarbeit haben er und vor allem Bürgermeister August Brandenburg 70 Prozent der Dörfler für das Projekt gewonnen, das die Universität Göttingen angestoßen hat und das drei Dinge beweisen soll: Es geht auch ohne Stromkonzerne, das Haus wird warm mithilfe von Pflanzen und Holz, und davon profitiert noch dazu die Landwirtschaft. Verdienen dürfte auch der demnächst renovierte Dorfgasthof: 7000 Gäste aus aller Welt sehen sich jährlich in Jühnde um. Nur schade, dass der letzte Laden im Dorf vor einem halben Jahr geschlossen hat.

 

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