Kreis Emsland | Ems-Zeitung vom 26.03.2008 |
Herr Schnieders, wie gestaltet sich die Arbeit des Kreuzbundes in der Region?
Der Diözesanverband Osnabrück besteht aus mehreren Kreis- und Stadtverbänden und Arbeitsgemeinschaften mit insgesamt 1050 Mitgliedern. Die Arbeitsgemeinschaft Emsland-Nord, deren Leiter ich bin, umfasst sechs Gruppen in Berßen, Sögel, Breddenberg, Esterwegen, Papenburg und, neu, in Emden. In diesen Gruppen treffen sich viele Menschen, um über ihre Probleme reden zu können und Möglichkeiten zu finden, aus ihrer Sucht auszusteigen.
Geht es dabei "nur" um Alkoholabhängigkeit?
Nein. Nachdem sich der Kreuzbund lange Zeit vor allem der Alkohol- und Medikamentensucht gewidmet hat, müssen wir uns heute anderen Süchten öffnen, weil junge Menschen, wenn sie abhängig werden, in der Regel nicht nur ein Suchtmittel konsumieren.
Aber nehmen junge Menschen die Angebote des Kreuzbundes überhaupt an?
Leider nicht sehr oft. Manche kommen zwar zum Schnuppern, doch eine langfristige Bindung können sie sich oft nicht vorstellen. Erst so ab 30 kommen Betroffene dann regelmäßig.
Wie sieht der Weg aus einer Sucht denn im Idealfall aus?
Ich halte vier Schritte für erforderlich: eine Erstberatung, eine stationäre Entgiftung, eine Therapie und eine Nachsorge in einer Selbsthilfegruppe. Unsere Mitglieder bieten bereits in den Krankenhäusern Gruppensitzungen an, um die Arbeit des Kreuzbundes vorzustellen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Suchterkrankungen nur mit Selbsthilfegruppen überwindbar sind. Meine Erfahrung aus 16 Jahren im Kreuzbund hat mir gezeigt, dass ein Ausstieg ohne die Nachsorge in den Gruppen fast nie funktioniert.
Was können Angehörige, Nachbarn oder Kollegen machen, wenn sie vermuten, dass ein Mensch in ihrem Umfeld suchtkrank ist?
Ich kann sie nur ermutigen, den Betroffenen direkt anzusprechen, auch wenn er es am Anfang leugnen wird. Die Menschen sollten einander mehr im Blick haben - das gilt gerade für Jugendliche. Den Betroffenen zu schützen ist in jedem Fall der falsche Weg, denn das bestärkt ihn in seinem Verhalten. Deshalb sollten auch Arbeitgeber im Umgang mit Suchtkranken geschult werden. Ein wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit ist auch die Einbindung von Mitbetroffenen, denn diese sogenannten "Co-Abhängigen" leiden oft genauso wie die eigentlich Abhängigen.
Ist Alkoholismus ein Tabu?
Leider ja - obwohl die Gesellschaft deutlich mehr Akzeptanz aufbringt als noch vor zehn Jahren. Dennoch gibt es viele Berührungsängste. Wenn wir an Ständen über den Kreuzbund informieren, gehen viele weiter, weil sie Angst haben, gesehen zu werden. Da wünsche ich mir schon mehr Offenheit und Interesse.
Wird das Risiko, alkoholkrank zu werden, unterschätzt?
Ja, weil man nicht bewusst erlebt, wann die Abhängigkeit eintritt.
Sind Jugendliche besonders anfällig?
Ja. Deshalb besuchen wir auch Schulklassen und klären über Suchtgefahren auf. Zum Glück nehmen die Jugendlichen uns sehr ernst.