Bitte Mehdorn SO NICHT nicht stürzen! |
Bitte Mehdorn SO NICHT nicht stürzen!
von Winfried Wolf
Der Bahnchef soll wegen flächendeckender Bespitzelung der Bahnbelegschaft geschasst
werden. Natürlich wird man ihm dabei am Ende mehr nachweisen können als den mit den
falschen Mitteln geführten Kampf gegen Korruption. Ließ Mehdorn nicht bereits beim
?Projekt Uhu? Spitzel auf denjenigen ansetzen, den er für den Urheber einer anonymen
Strafanzeige gegen sich selbst wegen Steuerhinterziehung hielt? Gemutmaßt werden kann,
dass auch bei der Bahn, wie bei der Telekom, die Belegschaftsvertreter flächendeckend
überwacht wurden. (An der Spitze der Gewerkschaft Transnet war dies sicher nicht
erforderlich, wie der geschmeidige von mir seit Jahren öffentlich vorhergesagte -
Übergang des Norbert Hansen ins Unternehmerlager dokumentiert). Auch liegt es nahe zu
unterstellen, Mehdorn habe auch die Gegner der Bahnprivatisierung überwachen lassen. In
diesem Sinn haben in der vergangenen Woche Peter Conradi (Stuttgart), Rolf Becker
(Hamburg) und ich bei der Staatsanwaltschaft Berlin Anzeige gegen Unbekannt erstattet und
u.a. (mit Datum und Uhrzeit) zwei Fälle dokumentiert, wo sich Unbekannte in interne
Telefonkonferenzen des Bündnisses einwählten. Natürlich würde der Fall Mehdorn
dann im doppelten Sinn des Wortes dann politisiert, wenn sich der letztgenannte
Anfangsverdacht erhärten ließe.
Dennoch: So darf der Mann nicht aufs Abstellgleis rollen. Es darf nicht das aktuell
gezeichnete Bild bleiben: Der Mann hat ja so viel für die Bahn geleistet! Halten wir nur
drei Bereiche der tatsächlichen Mehdorn-Bilanz fest:
Mehdorn, die Abrissbirne: Unter Bahnchef M. wurde die Infrastruktur und das Angebot der
Bahn massiv abgebaut. Allein das Schienennetz der DB AG verkleinerte sich von 37.500 km
Streckenlänge (Ende 1999) auf 33.900 km (Ende 2007). Die beliebte Zuggattung InterRegio,
die in den 1990er Jahren erfolgreicher als der ICE war, wurde 2001 ersatzlos gestrichen,
sodass Dutzende Regionen und Oberzentren vom Fernverkehr der Bahn abgehängt wurden.
Mehdorn, der Bahnzerstörer: Unter Bahnchef M. wurde systematisch auf Verschleiß
gefahren. Das Durchschnittsalter der Gleisanlagen und des rollenden Materials hat sich
so der Bundesrechnungshof kontinuierlich erhöht. Sicherheitsstandards
wurden systematisch abgebaut. Im ICE-Verkehr wird auch heute noch die Gefahr eines neuen
großen Bahnunglücks in Kauf genommen, da die ICE-3 und die ICE-T-Züge weiterhin mit
nicht dauerfesten Radsatzwellen (Achsen) verkehren.
Mehdorn, der Arbeiterverächter: Unter Bahnchef M. wurde die Zahl der Bahnbeschäftigten
um weitere 50.000 reduziert (die Neuerwerbung Schenker herausgerechnet), die
Arbeitsverdichtung aller lohnabhängig Beschäftigten enorm gesteigert und beim GDL-Streik
alles unternommen, um ein exemplarisches Streikverbot durchzusetzen. Während die
Realeinkommen der meisten Bahner reduziert wurden, ließ Mehdorn sein persönliches
Einkommen verdreifachen und die Zahl der sehr gut verdienenden Manager verdoppeln.
All das erfolgte mit dem Ziel der Bahnprivatisierung. Es war das Ziel der Auftraggeber
dieses Mannes - in der Regierung: Gerhard Schröder und Angela Merkel, in der Wirtschaft:
die Topleute bei den Banken, in der Flugzeug- und in der Autobranche, die Bahn als das
letzte große Volksvermögen in diesem Land privaten Eigentümern auszuhändigen. Dafür
wurde die Belegschaft ausgequetscht. Dafür wurde die Infrastruktur zurechtgestutzt.
Dafür wurde der Konzern zerlegt. Dafür wurde hunderte bahnfremde Abzocker ins Unternehme
geholt.
Februar 2009 ist das letzte Zeitfenster, wo die Bahn vor der Bundestagswahl 2009 -
privatisiert werden kann. Daher wurde Mehdorn bis heute gestützt, obgleich er, zusammen
mit Ackermann, in der Bevölkerung als der mieseste Manager angesehen wird. Doch Mehdorn
droht beim Großausverkaufsprojekt Bahn zu patzen auch wegen der langanhaltenden
Kampagne der Privatisierungsgegner.
Deshalb lassen ihn jetzt seine politischen Abzocker-Freunde fallen. Wenn sie dabei
vorgeben, das erfolge wegen eines Spitzelei-Skandals, so sei darauf hingewiesen: Dieselbe
Bundesregierung will via online-Spitzelei die Mehdornschen Praktiken verfeinern und
verallgemeiern.
Meine Bilanz lautet: Mehdorn muss weg. Aber nicht (allein) wegen der Daten. Sondern (vor
allem) wegen der Taten.
Winfried Wolf ist Chefredakteur von ?Lunapark21 Zeitschrift zur Kritik der
globalen Ökonomie?. Er ist Sprecher der Bahnfachleutegruppe ?Bürgerbahn statt
Börsenbahn (BsB)? und maßgeblich an der Kampagne ?Bahn für Alle? beteiligt.
jdm