Versorgungssicherheit:
Stromlücke entpuppt sich als Stromlüge
Neue
Studienergebnisse: Für eine sichere Stromversorgung braucht Deutschland weder längere
Reaktorlaufzeiten noch zusätzliche Kohlemeiler Unflexible Großkraftwerke auf
Basis von Kohle und Uran bedrohen im Gegenteil den Ausbau der Erneuerbaren Energien
DUH-Bundesgeschäftsführer Baake: Negativpreis-Rekord an der Strombörse ist
Wetterleuchten für heraufziehenden Systemkonflikt keine größere
Abhängigkeit von Erdgasimporten
Berlin, 09.
Oktober 2009: Deutschland braucht für eine jederzeit und an
jedem Ort sichere Stromversorgung weder Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken noch
zusätzliche Kohlekraftwerksblöcke. Vielmehr können aus Altersgründen oder wegen des
gesetzlich festgelegten Atomausstiegs stillgelegte Großkraftwerke bis 2020 durch den
von allen Bundestags-Parteien gewünschten Ausbau der Erneuerbaren Energien
und neue flexible Gaskraftwerke ersetzt werden. Das geht aus dem aktuellen Zwischenbericht
einer vom Bundesumweltministerium geförderten Energiestudie des Solar-Instituts Jülich
und der Fachhochschule Aachen hervor.[1] Die Untersuchung
bestätigt im Grundsatz Ergebnisse ähnlicher Studien aus der jüngsten Vergangenheit. [2],[3]
Das
neue Gutachten entlarvt das Gerede von der drohenden Stromlücke endgültig als
interessengeleitete Stromlüge der Atomkonzerne, erklärte
DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Die der Atomenergie von Politikern aus
Union und FDP zugeschriebene Brückenfunktion sei durch das 2002 im Deutschen
Bundestag verabschiedete Atomausstiegsgesetz abschließend geregelt: Die Atombrücke in Deutschland endet Anfang der 2020er
Jahre alles, was danach kommen soll, sind Geschenke willfähriger Politiker an die
marktbeherrschenden Energiekonzerne im Lande, sagte Baake. Verdienst des
neuen Gutachtens sei es, dies noch einmal mit Hilfe plausibler Modellrechnungen ermittelt
zu haben. Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke und der Neubau weiterer Kohlekraftwerke
wären allerdings nicht nur unnötig, sondern
für eine zukunftsfeste, klimaschonende Stromzukunft kontraproduktiv.
Der DUH-Bundesgeschäftsführer
erklärte, dass das Festhalten an unflexiblen Großkraftwerken auf Basis von Kohle oder
Atomkraft den von der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gewünschten Ausbau
der Erneuerbaren Energien zunehmend erschwere. Der Grund: Der naturgemäß unstet
anfallende Strom aus Wind und Sonne könne nur dann wirksam integriert werden, wenn
flexible, schnell regelbare Kraftwerke den Ausgleich zwischen schwankendem Strombedarf und
dem ebenfalls schwankenden Stromangebot schaffen. Für eine Übergangszeit seien dazu mehr
flexible Gaskraftwerke notwendig, später könnten Stromspeicher und ein internationaler
Stromverbund für den notwendigen Ausgleich sorgen.
Der heraufziehende
Systemkonflikt zwischen den Erneuerbaren Energien und den Technologien des vergangenen
Jahrhunderts zeige sich schon jetzt immer häufiger an der Strombörse EEX in Leipzig.
Seit dem September 2008, als am dortigen Spotmarkt erstmals negative Strompreise
zugelassen wurden, lag der Handelspreis 130 Stunden lang bei Null oder darunter. Tendenz
steigend: Am vergangenen Sonntag (4. Oktober) notierte erstmals der Durchschnittspreis
für die an diesem Tag insgesamt am Spotmarkt gehandelte Strommenge negativ, nämlich bei
minus 11,59 Euro pro Megawattstunde (entspricht 11,59 Ct/kWh). Acht Stunden hintereinander
lag der Strompreis bei oder unter Null Euro und erreichte zwischen zwei und drei Uhr in
der Nacht ein Allzeittief von minus 500,02 Euro pro Megawattstunde. Das bedeutet, dass die
Stromkonzerne, die ihre unflexiblen Großkraftwerke auch dann weiterlaufen lassen, wenn
die Erneuerbaren den Großteil des Strombedarfs decken, immer tiefer in die Tasche greifen
müssen, damit ihnen irgendjemand innerhalb oder außerhalb Deutschlands den
Überschussstrom abnimmt. Am vergangenen
Wochenende haben wir das Wetterleuchten eines Systemkonflikts erlebt, der sehr bald
alltäglich wird, wenn nicht parallel zum Ausbau der Erneuerbaren Energien nacheinander
Atomkraftwerke und später Kohlekraftwerke vom Netz genommen werden,
erklärte Baake.
Im Basisszenario der
Untersuchung des Solar-Instituts Jülich und der Fachhochschule Aachen wird am
Atomausstieg festgehalten, zusätzliche Kohlekraftwerke über bereits genehmigte und im
Bau befindliche hinaus werden nicht mehr errichtet. Lücken in der bis 2020 auf gut 35
Prozent ansteigenden Strombereitstellung aus Wind, Sonne und Co. werden zunehmend aus
Erdgaskraftwerken gedeckt. Wer daraus auf einen
massiven Anstieg der Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas schließt,
unterliegt einem Kurzschluss, erklärte der Leiter Politik und Presse der
DUH, Gerd Rosenkranz. Zum Einen müsse zwar übergangsweise mehr
Gaskraft-Kapazität errichtet werden. Mit zunehmendem Anteil der Erneuerbaren Energien
müssten die aber immer weniger Stunden im Jahr hochgefahren werden. Zum Anderen würden
derzeit nur etwa 11 Prozent des in Deutschland insgesamt eingesetzten Erdgases in der
Stromerzeugung verbrannt. Der Löwenanteil gehe in die Wärmebereitstellung und dort
werden wegen immer besserer Wärmedämmung Jahr für Jahr erhebliche Einsparungen erzielt.
Perspektivisch könnten auch die kürzlich vorgestellten Zuhausekraftwerke des
Ökostromhändlers Lichtblick auf Basis von gasbetriebenen VW-Motoren zu einem
effizienteren Erdgaseinsatz beitragen. Sie erzeugen gleichzeitig Strom und Wärme für
Raumheizung und Warmwasser. Insgesamt werde der Erdgasbedarf für eine Übergangszeit nur
moderat oder gar nicht ansteigen, erläuterte Rosenkranz.
Das Hauptrisiko für die
Entwicklung einer zukunftsfesten und klimaschonenden Stromerzeugung entstehe dann, wenn
verlängerte Reaktorlaufzeiten und neue Kohlekraftwerke den Systemkonflikt zwischen neuen
und alten Energietechnologien anheizen. Die
Parole vom ´gesunden Strommix´ aus Uran, Kohle und Erneuerbaren ist genauso verlogen,
wie es die von den Erneuerbaren als Nischentechnologie war, sagte
Rosenkranz. Ab sofort geht es nicht mehr um
Sowohl-als-auch, sondern um Entweder-Oder.
[1] Struktur und Dynamik
einer Stromversorgung mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energieerzeuger
Energiestudie (Zwischenbericht, August 2009) www.erneuerbare-energien.de/inhalt/45057/40870
[2] Fraunhofer IWES, September
2009:http://www.bee-ev.de/_downloads/presse/2009/090915_BEE_IWES_Studie_PK_Hintergrund_endg.pdf
[3] Umweltbundesamt, September
2009: http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3850.pdf
Für
Rückfragen:
Rainer
Baake,
Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin;
Mobil: 0151
55016943, Tel.: 030 2400867-0, Fax: 030 2400867-19, E-Mail: baake@duh.de
Dr. Gerd
Rosenkranz, Leiter Politik und Presse,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin,
Mobil: 0171
5660577, Tel.:030 2400867-0, Fax: 030 2400867-19,
E-Mail: rosenkranz@duh.de