Prokon Nord ist in Schieflage geraten
Ein Hintergrundbericht zur Lage des Unternehmens: Kurzarbeit geht weiter - Manager mussten gehen - Verkauf ist denkbar
Stade.
In Bützfleth pfeifen es bereits die Spatzen vom Dach und die Gerüchte-Küche kocht kräftig hoch: Der Firma Prokon Nord (PN) geht es nicht gut. Im Bioethanolwerk, das bis heute nicht richtig ins Laufen gekommen ist, wird weiterhin kurzgearbeitet. Rund 80 Arbeitsplätze sind betroffen - ein Hintergrund zur Lage des Unternehmens.
Bereits im Frühjahr vermeldete das TAGEBLATT, dass es in der Bioethanolanlage nicht richtig läuft. Technische Probleme führten offenkundig zu erheblichen Verzögerungen. Parallel zur weitgehend fertiggestellten Ethanol-Anlage - rund 70 Millionen Euro wurden hier investiert - wird an der Müllverbrennung gebaut. Sie soll den für die Alkoholherstellung notwendigen Dampf liefern. Diese Anlage ist bereits im Bau, aber nicht fertig. Das aus Weizen hergestellte Bioethanol soll nach einer EU-Verordnung dem Benzin beigemischt werden, um einen Anteil nachwachsenden Rohstoffs in dem Treibstoff zu haben. Auch andere Ethanol-Hersteller stellen sich derzeit auf diesen wachsenden Markt ein.
PN-Ingenieure hatten aber offenkundig den Ehrgeiz, nicht eine Anlage von der Stange in Bützfleth umzusetzen, sondern eine, die bereits den erst in einigen Jahren geltenden Grenzwerten entspricht und kaum Abwässer produziert. Doch das gelang offenbar nicht, denn es fielen extrem verschmutze Abwasser an, die per LKW oder Schiff in Klärwerke der Region gebracht wurden, um sie dort zu entsorgen. Daraufhin wurde der Bau einer Abwasseraufbereitungsanlage geplant, der aber noch nicht umgesetzt ist.
Folge dieses ganzen Desasters: Die Anlage kostete jeden Tag viel Geld, Millioneninvestitionen sind getätigt, aber es kommen keine Erlöse herein. Die Produktionskapazität lag höchstens bei 30 bis 50 Prozent. In den vergangenen Wochen wurde gar nicht produziert, weil - wie Insider bestätigen - gar keine Abwässer mehr entsorgt worden sind. Hinzu kamen aktuell gestiegene Weizenpreise. Das wurde von PN-Sprecher Frank Michalke in einem TAGEBLATT-Bericht zur Kurzarbeit in dem Unternehmen Mitte August als Grund für den Produktionsstillstand angegeben.
Doch damit hatte Michalke bestenfalls die halbe Wahrheit gesagt. Denn die Krise bei PN Bioethanol, die das gesamte Unternehmen offenbar in Schieflage gebracht hat, ist weitgehend hausgemacht. Ein Indiz für den finanziellen Engpass bei PN war schon im Frühjahr der Verkauf der florierenden Tochterfirma PN Rotor an den französischen Konzern Areva. In der Firma werden die Rotorblätter für Offshore-Windanlagen hergestellt. Areva ist auch Mehrheitsgesellschafter des Offshore-Herstellers Multibrid in Bremerhaven, bei dem PN ebenfalls beteiligt ist. Mit dem Verkaufserlös - so Insider - sollten damals offenkundig Löcher gestopft werden. Dem Vernehmen nach gab und gibt es offene Rechnungen auch bei vielen hiesigen Betrieben.
Die durch die angespannte Preissituation zugespitzte Lage führte dann zur Kurzarbeit, die zunächst bis Ende September läuft, aber nur die Hälfte der Arbeitszeit betrifft, wie die Betriebsratsvorsitzende von PN Bioethanol, Maren Geest, bestätigt. Aber sie führte darüberhinaus auch zu Konsequenzen im Management. Rainer Klee ist als neuer kaufmännischer Geschäftsführer in die Leerer Firmenzentrale geholt worden - nach eigener Aussage von PN-Chef Ingo de Buhr selbst. Vermutet wird auch, dass er von Gläubigern eingekauft worden ist, um den Laden wieder auf Vordermann zu bringen. Er gilt jedenfalls als Sanierer. Der bisherige Alleingeschäftsführer de Buhr zeichnet noch für die Technik verantwortlich. In einem internen Rundschreiben an die Belegschaft, das dem TAGEBLATT vorliegt, wird mitgeteilt, dass drei führende PN-Manager gehen mussten - darunter der frühere de Buhr-Vertraute und für Planungen verantwortliche Ingenieur André Hamers.
Die Betriebsratsvorsitzende Geest wartet derzeit auf ein Gespräch mit den neuen Geschäftsführung. Vor allem möchte sie wissen, wie es mit der Ethanol-Anlage weitergeht. Das möchte auch der Bützflether Ortsbürgermeister Wolfgang Rust gerne wissen. Er wird demnächst ein Gespräch mit Klee haben und möchte das Ergebnis abwarten, bevor er sich äußert. Nur so viel: Besorgt sei er schon wegen der Entwicklung bei Prokon Nord, sagt der CDU-Bürgermeister.
An die Zukunftsfrage der Ethanol- und Verbrennungsanlage schließt sich auch die Frage nach der Perspektive der Eisengießerei an, die auch nicht endgültig fertig ist und noch keine Produktion aufgenommen hat. Hierfür wie auch für die Ethanol-Herstellung soll es bereits Interessenten geben, sagen Insider. Unter anderem sollen auch große Konzerne darunter sein. Es bleibt also spannend auf dem Bützflethersand. (pa)
Das sagt der neue PN-Geschäftsführer Rainer Klee
Der seit vier Monaten amtierende kaufmännisch Geschäftsführer der Prokon Nord (PN), Rainer Klee, will nach eigenem Bekunden die Bützflether PN-Produktion mit Ethanol-Anlage und Eisengießerei nach betriebswirtschaftlichen Kriterien neu aufstellen. Dazu gehöre auch die Entscheidung, die Ethanolproduktion wegen der zurzeit extrem hohen Weizenpreise komplett einzustellen und weiterhin 50 Prozent Kurzarbeit zu fahren. Sobald es wirtschaftlich vertretbar sei, gehe es weiter mit der Ethanolanlage.
Klee räumt ein, dass es bei dem ehrgeizigen Versuch, eine hochinnovative und bisher einzigartige Technik umzusetzen, nicht alles glatt gelaufen sei. Zudem sei der Kostenrahmen nicht eingehalten worden. Dafür hätten die verantwortlichen Manager und Planer gehen müssen, bestätigt Klee die Information, dass drei führende PN-Leute geschasst worden sind.
Klee sagt, die Ethanol-Anlage würde optimiert und gehe in die Produktion, sobald die Weizenpreise auskömmlich seien. Er schließt nicht aus, dass es zu weiteren Verkäufen kommen könnte. Das Kerngeschäft von PN Energiesystem seien der Bau und die Planung von Windparks. Besonders die Offshore-Projekte erforderten einen enormen Kapitaleinsatz. Klee: „Verkäufe dienen letztlich nur der Stabilisierung des Unternehmens.“ (pa)
02.09.2010
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