tb Meppen. Der Neubau großer Mastställe wird im Landkreis Emsland schwieriger. Ab sofort verlangt die Kreisverwaltung ein sogenanntes Keimgutachten.
Landrat Hermann Bröring teilte gestern mit, im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes müsse die Kreisverwaltung tätig werden. Möglich gemacht habe dies der Entwurf der Richtlinie 4250 des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), der seit Ende 2009 vorliege. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen habe 2010 in zwei Urteilen zum Stallbau ausdrücklich auf die VDI-Richtlinie 4250 verwiesen und die zuständige Behörde aufgefordert, Vorsorge zu betreiben. Dies wolle man im Emsland nun umsetzen.
In der Richtlinie geht es um die zusätzliche Belastung der Luft mit Mikroorganismen, die aus der Tierhaltung hervorgehen können. Bröring betonte, eine Hintergrundbelastung mit Keimen sei ohne Zweifel von Natur aus gegeben. Es gehe aber darum, die Belastung durch Ställe „nicht zusätzlich zu erhöhen“.
Zwar sei nicht bewiesen, dass die sogenannten Bioaerosole, also die über den Luftweg verbreiteten Keime, in jedem Fall gesundheitsschädliche Auswirkungen hätten, sagte der Landrat. Allerdings sei dies auch nicht auszuschließen. Dass viele Tierställe Keime enthalten und verbreiten, ist in neueren Studien nachgewiesen worden (wir berichteten).
Die VDI-Richtlinie schlage deshalb vor, Mindestabstände für Stallbauten zur Wohnbebauung einzuhalten – unabhängig von der Zahl der Häuser. Bei Schweinen sollen 350 Meter Abstand gehalten werden, bei Geflügel 500 Meter. „Will ein Antragsteller innerhalb dieses Radius bauen, muss er ein Gutachten vorlegen, das nachweist, dass es zu keiner zusätzlichen Keimbelastung kommt“, sagte Bröring. Institute, die zu diesen Gutachten befähigt seien, gebe es. Ob der Nachweis zu erlangen sei, könne er nicht sagen, und dies sei auch nicht seine vorrangige Aufgabe. „Ich gehe davon aus, dass es in absehbarer Zeit zertifizierte Filteranlagen geben wird.“
Allerdings gelte die Vorgabe, die der Landkreis Emsland mache, nur für Ställe, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zu genehmigen seien. Nur dieses Gesetz kenne den Vorsorgetatbestand. Baudezernent Dirk Kopmeyer sagte, etwa 66 Prozent der aktuell 230 beantragten Ställe seien betroffen. Derzeit gibt es im Emsland 32 Millionen Hähnchenmastplätze, elf Millionen sind beantragt. Zu den 1,5 Millionen Schweinemastplätzen sollen 64000 weitere hinzukommen.
Bröring gab zu, die Verwaltung bewege sich mit diesem bundesweit einmaligen Projekt auf einem schmalen Grat, weil die VDI-Richtlinie noch nicht bundesweit gültig sei. „Aber ich bin zuversichtlich, dass wir bei gerichtlichen Überprüfungen im Sinne des Gesundheitsschutzes recht behalten werden.“
Seit wenigen Tagen fordert der Landkreis auch ein Brandschutzgutachten für neue Ställe. Beide Gutachten müssen für die aktuell noch nicht genehmigten Ställe vorgelegt werden. Die Alten genießen vorerst Bestandsschutz. Eine Methode, um dem problematischen Auswuchs der Mastställe einen „Deckel draufzumachen“, sei dies nicht, sagte Bröring.
Allerdings sagte er auf Nachfrage, alle Bemühungen, das Baugesetzbuch so zu ändern, dass Mastställe nicht privilegierte Bauvorhaben und damit stets zu genehmigen seien, hätten nicht gefruchtet. „Das Gesetz schützt inzwischen nicht mehr die Landwirte, sondern die Großagrarier.“