07.08.2016 - Woher der Eifer beim Türkei-Bashing? |
Wollen EU und USA die Türkei zum Failed State machen?
Erdogan macht es den deutschen Medien leicht, Türkei-Bashing zu betreiben.
Verhält er sich doch wie intolerante Autokraten sich gerne betragen: Verfassungs- und
Rechtsgrundsätze werden beiseite geschoben, Minderheiten unterdrückt und der
Personenkult darf auch nicht fehlen.
Aber: Woher stammt der derzeitige Haß der Westeuropäer und
Amerikaner? Der Putsch in der Ukraine von 2014 mit Hilfe von Faschisten wurde von
denselben Medien und Politikern, die sich jetzt gegen die Türkei nach dem gescheiterten
Putsch ereifern, mit aller Macht begrüßt und schöngeschrieben und freudig kommentiert.
Die Ukraine ist heute ein zerstörter Staat.
Erhoffte sich der Westen hier Gleiches? Erdogan behauptet,
der Putsch sei von seinem Widersacher Gülen
in den USA inszeniert worden. Das derzeitige Trommelfeuer legt nahe, dass sich die
führenden Kreise in den westlichen Staaten durch das Scheitern des Putsches enttäuscht
sehen und Erdogans Verdacht zu Recht bestehen könnte. Sicher ist, dass ein Putsch der
Militärs die Türkei nicht demokratischer gemacht hätte.
Dabei hat der Westen genauso wie die türkischen Regierungen die
kurdische Opposition in der Türkei immer kriminalisiert. Die PKK und
verbündete Organisationen der PKK gelten in Deutschland als Terrororganisationen und ihre
Mitglieder werden auch in Deutschland durch die Strafjustiz verfolgt.
Als die Bewohner der syrisch-kurdischen Stadt Kobane 2014
von der IS eingekesselt waren, weigerten sich die westlichen Staaten im Wesentlichen
die Eingekesselten zu unterstützen. Denn in und um Kobane hatte die PKK-nahe
syrisch-kurdische Partei PYD
eine sehr stark auf direkte Demokratie und Achtung der Frauenrechte fokussierte autonome
Region errichtet. Dies missfiel dem Westen und der Türkei. Deshalb erfolgte keine direkte
Hilfe an die PYD, sondern es wurden Peschmerga aus der (irakischen)
Autonomen Region Kurdistan nach Kobane gebracht, um gegen den IS zu kämpfen. Die
Autonome Region Kurdistan ist kapitalistisch orientiert und besitzt große Bodenschätze,
vor allem Öl.
Diese Freundschaft der NATO-Staaten mit Erdogan wurde auf die Probe
gestellt, als die Türkei nicht bereit war, ohne Gegenleistungen die von den USA und der
EU verursachte Flüchtlingsbewegung in Richtung Europa zu stoppen. Erdogans
nationalistische Politik hatte vorher schon zu Kollisionen mit den USA bzw. der EU
geführt. So wurden Angriffe gegen den Irak von türkischem Boden aus untersagt;
Sanktionen gegen Iran abgelehnt, mit Russland wurden Verträge über Öl und Pipelines
abgeschlossen, von China wurden Waffen gekauft und zuletzt versuchte Erdogan das
zwischenzeitlich zerrüttete Verhältnis zu Russland wieder zu kitten.
Teil des Türkei-Bashings schon vor dem Putsch war in diesem Jahr die
Armenien-Resolution
des deutschen Bundestags. Nicht dass irgendetwas an der Einschätzung des Völkermords
an den Armeniern falsch wäre. Aber der Bundestag hat sich bis heute nicht damit
beschäftigt, dass 12 Jahre vor der Vertreibung und Tötung von etwa 1,5 Millionen
Armeniern 1916 durch das Osmanische Reich das Deutsche Reich 1904 das Volk der Hereros und Nama in Namibia fast komplett ermordet hat. Auch
das sich als Schutzmacht der Armenier fühlende
Das Verbot, Erdogan per Videozuschaltung auf der Kölner
Demonstration sprechen zu lassen, erscheint nicht gerade demokratisch. Die DITIB zuerst zu hofieren und jetzt plötzlich ihre demokratische Unzuverlässigkeit zu erkennen und sie
als Ansprechpartner von Deutsch-Türken nicht mehr anzuerkennen, spricht auch nicht gerade
für rechtsstaatliches Handeln. Erdogan die Ausrufung des Ausnahmezustands vorzuwerfen,
während gleichzeitig in Deutschland nach drei Amokläufen der Einsatz der Bundeswehr im
Inneren gefordert wird und in
Wurde Erdogans Partei, die AKP, in der Vergangenheit als eine Art
türkischer CDU angesehen, scheint man jetzt in Westeuropa entschlossen zu sein, die AKP
zu dämonisieren und das Land so destabilisieren zu wollen, dass der Westen dort nach
eigenem Gusto regieren kann. Während vorher der Kampf gegen die Kurden durch den
türkischen Staat in Deutschland durch Verfolgung der PKK unterstützt wurde, entdecken
jetzt plötzlich dieselben Politiker die Demokratiedefizite in der Türkei.
Man erinnere sich: Am Anfang der Zerstörung der Ukraine durch die EU
stand die plötzliche Entdeckung mangelnder Demokratie, ebenso entdeckte der Westen diese
in Libyen und in Syrien, allerdings nicht in Katar oder Saudi-Arabien. Mit dieser
Strategie, ein Land plötzlich massiv - angeblich im Interesse von Demokratie und
Menschenrechten - unter Druck zu setzen und bewaffnete Kräfte gegen die Regierung zu
unterstützen, wurden schon einige Staaten zerstört. Erdogan weiß um diese Gefahr und
beugt vor, indem er seine Anhänger in großem Stil mobilisiert. Und bekommt damit
wiederum mehr Spielraum für seine antidemokratischen Maßnahmen.
Die Ukraine, Syrien, Libyen, Irak und Ägypten wurden so schon zu
Failed
States gemacht. Es ist verbrecherisch, wenn das Kalkül der NATO-Staaten wäre,
die Türkei in diese Reihe einzugliedern. Statt mäßigend auf Erdogan einzuwirken und ihn
so an einer vollständigen Umwandlung der noch zumindest bürgerlich-demokratischen
Türkei in eine Diktatur zu hindern, wird alles getan, um die Türkei in diese Richtung zu
treiben.
jdm