Plattdeutsch

Die Sprache

Die im Emsland und somit auch in Wippingen gesprochene Sprache ist Plattdeutsch. Manche sagen auch Niederdeutsch. Sprachforscher in den USA nennen unser Idiom "Low Saxon", also "Niedersächsisch". Der Emsländer selber sagt: "Ik proot Platt".

Mundart? Dialekt? Sprache? - Sprache!

Aber was ist nun dieses Platt. Wenn in der Zeitung über Maßnahmen zum Erhalt des Plattdeutschen berichtet wird, stößt man auf Begriffe wie Mundart, Dialekt, Sprachvariante oder einfach Sprache. Um es vorweg zu nehmen: Platt ist kein Dialekt oder eine Variante des Deutschen, sondern eine eigenständige Sprache mit eigener Entwicklungsgeschichte und eigenen Regeln zur Aussprache, zum Wortschatz, Satzbau etc. Aus diesem Grund genießt es seit 1999 den Schutz der Sprachencharta der Europäischen Union als Regionalsprache. Mit der Unterzeichnung dieser Sprachencharta hat sich die Bundesrepublik Deutschland (genauer: die norddeutschen Bundesländer) zum Schutz und zur Förderung des Plattdeutschen verpflichtet. Wir Plattsprecher haben nunmehr das Recht, unsere Anliegen bei Behörden und vor Gericht mündlich und schriftlich auf Platt vorzubringen. Fast alle norddeutschen Bundesländer haben sich darüber hinaus verpflichtet, Plattdeutsch als Schulfach anzubieten. Nur Niedersachsen hat den Bereich der Schule ausdrücklich ausgeklammert. Dies hat wahrscheinlich mit der geringen Verbreitung des Plattdeutschen in Hannover zu tun...

Etwas Geschichte

Ein Vorfahr unseres Platt ist die Sprache des alten Stammes der Sachsen, zu dessen Stammesgebiet das heutige Emsland spätestens seit dem 7. Jahrhundert n. Chr. gehörte. Ein Teil dieser Sachsen (nicht zu verwechseln mit den Einwohnern des gleichnamigen ostdeutschen Bundeslandes, das seinen Namen durch adelige Erbfolge erhielt) wanderte übrigens zwischen 400 und 700 n. Chr. zusammen mit den Angeln aus dem heutigen Schleswig-Holstein nach Britannien aus. Daher spricht man noch heute von den Angelsachsen. Dies erklärt auch, warum viele englische Wörter große Ähnlichkeit mit unserem Plattdeutsch aufweisen.

Der Hilferuf eines Wippingers, der nach dem Genuss einiger Flaschen Export in der Wippinger "Kieskuhle" landet, würde von einem Engländer ohne weiteres verstanden: "Help mi, dat Waoter is to deip!" Der Engländer schrei(b)t den Satz in seiner Sprache so: "Help me, the water is too deep!"

Dass das Plattdeutsche viele Merkmale mit dem Englischen und Holländischen gemeinsam hat, die diese Sprachen vom (Hoch)Deutschen unterscheiden, geht auf eine Entwicklung im frühen Mittelalter zurück, der so genannten Hochdeutschen Lautverschiebung oder auch Zweiten Lautverschiebung. Während in Norddeutschland und den angrenzenden Niederlanden der alte germanische Lautstand erhalten blieb, wandelten sich die Laute südlich einer Linie, die beginnend im nördlichen Rheinland bei der Stadt Benrath, von West nach Ost quer durch Deutschland verläuft. Südlich dieser Benrather Linie wurde t zu s oder z, p zu f oder pf, k zu ch usw.

Karte zur hochdeutschen Lautverschiebung

Karte Lautverschiebung
   Niederdeutsch und Hochdeutsch trennt sich an der 'Benrather Linie'.

Beispiele für die Lautverschiebung:
DeutschPlatt*HolländischEnglisch
brechenbreken ("bräken")brekento break
machenmaken ("maoken")makento make
pflückenplückenplukkento pluck
WasserWater ("Waoter")waterwater
*die Wippinger Aussprache ist zur besseren Erkennbarkeit des Wortes in Klammern dargestellt

Dadurch, dass unser Platt dem Englischen und Holländischen näher steht als das Deutsche, haben wir es beim Erlernen dieser Sprachen leichter, als z.B. unsere Freunde aus Wippingen bei Ulm, die diese Lautverschiebung voll mitgemacht haben.

Karte Lautverschiebung

Standardsprache

Die in der Vergangenheit geführte Diskussion, ob Platt eine Sprache oder ein Dialekt ist, wurde häufig von dem Einwand begleitet, dass es für Plattdeutsch keine Norm für Schrift und Aussprache gibt, sozusagen einen Duden für Norddeutschland. Dieser Einwand ist richtig. Während die zahlreichen Dialekte der (hoch)deutschen Sprache sich auf einen Standard einigen konnten, der im wesentlichen auf die Bibelübersetzung Martin Luthers zurückgeht, fehlt den Dialekten des Plattdeutschen dieses einigende Element.

Also doch Dialekt? Ja. Plattdeutsch ist in zahlreiche Dialekte aufgeteilt. Emsländisch, Münsterländisch, Oldenburgisch oder Ostfriesisch sind Dialekte der Sprache ‚Plattdeutsch'. Aber sie sind keine Dialekte des Hochdeutschen.

Da die Lutherbibel sich schnell über ganz Deutschland ausbreitete, orientierten sich die wenigen Schreibkundigen auch in Norddeutschland zunehmend an deren Standard und Plattdeutsch sank in den Augen vieler zur Sprache des einfachen ungebildeten Volkes herab.

Reichtum oder Armut?

Die Geringschätzung des Plattdeutschen lebt teilweise bis heute fort, was man z.B. daran merkt, dass in den vergangenen Jahrzehnten viele Eltern dazu übergingen, ihre Kinder mit hochdeutscher Muttersprache (sofern der Begriff in diesem Fall überhaupt passt) aufwachsen zu lassen. In jüngster Zeit scheint hier jedoch ein Umdenken stattzufinden. Viele junge Eltern sind mittlerweile entschlossen, ihrem Nachwuchs den Reichtum ihrer eigenen Muttersprache nicht vorzuenthalten. Für die Kinder stellt dies eine große Bereicherung dar. Zum einen entwickeln sie durch den von Kindesbeinen gewohnten Umgang mit zwei verschiedenen Sprachen ein geschärftes Sprachbewusstsein. Zum anderen verfügen wir mit unserer Regionalsprache über eine Brücke zu Europa, die den Zugang zu Englisch und Holländisch erleichtert. Das alte Vorurteil, dass Platt sprechende Kinder es in der Schule schwerer haben, ist längst durch wissenschaftliche Untersuchungen widerlegt worden.

Und wer von uns Plattsprechern möchte schon den Reichtum missen, der in den Ausdrücken und Redensarten unserer Regionalsprache steckt? Dies fängt bereits bei einem einfachen Ja oder Nein an. Oder haben Sie schon mal darüber nachgedacht, auf welche Art man auf Platt "Ja" sagen kann. Natürlich gibt es das einfache "Jao" das auch den meisten Plattunkundigen bekannt sein wird. Aber wie würde man auf eine Frage antworten die ungefähr so lautet "Schaffst du das denn bis heute abend?" "Hooouuuuh!" wäre hier eine passende Antwort, was soviel bedeutet wie "schaff ich locker, na klar!". Eine derart nachdrückliche Antwort gibt es natürlich auch bei der Verneinung "Heeeeeeiiii!." (Um Gottes willen nein, wo denkst du hin!). Vielleicht haben Sie noch mehr Varianten für Ja und Nein anzubieten. Gern würden wir davon erfahren unter zintus@hallo-wippingen.de

zint

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