Volksbank-Zeitung bejubelt rechtsradikalen Präsidenten
Die Welt ist sich einig: Brasiliens Präsident Bolsonaro ist reaktionär, homophob, demokratiefeindlich und frauenverachtend. Da ist man nicht erfreut, wenn in der Wippinger Volksbankfiliale eine Zeitung des Deutschen Genossenschaftsverlages ausliegt, in der im Leitartikel die „guten Ansätze der Administration“ dieses absoluten Rechtsaußens gefeiert werden.
Die unappetitlichen Begleitumstände dieser rechtsradikalen Regierung werden entschuldigt, wie seinerzeit die Umtriebe der deutschen Nazi-Regierung, die heute vor genau 74 Jahren vor den Alliierten kapitulierte. Die VR International 5/2019 schreibt: „Andererseits braucht jede Neuordnung ihre Zeit …“.
Die katholische Entwicklungshilfeorganisation Misereor weiß, was Bolsonaro so treiben lässt: „In einem Drohbrief … rufen Anhänger Bolsonaros die indigenen Frauen dazu auf, sich mit ihnen zu verbünden, weil sie ansonsten „niedergemetzelt“ würden. Schon am Abend des Wahlsiegs Bolsonaros hätten sich Großgrundbesitzer mit mehr als 40 Fahrzeugen aufgemacht und Indigene an den Grenzen von deren Territorien eingeschüchtert. Dabei fielen laut CIMI auch Schüsse, es gab zahlreiche Verletzte. Am Wahltag selbst wurden Indigene den Angaben zufolge überfallen, als sie auf dem Weg zur Wahlurne waren.“
In diesem Jahr gab es schon mehr als 430 Tote durch Polizeigewalt in Rio de Janeiro. In den Elendsvierteln, den Favelas kommt es ständig zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Militär, Polizei, Verbrecherbanden und Zivilbevölkerung. „Die Regierung versucht nicht, die sozialen Probleme in den Armenvierteln zu bekämpfen. Stattdessen konzentriert sie sich darauf, die Leute in den Favelas zu kriminalisieren.“, sagt die Parlamentarierin Mônica Francisco aus Rio de Janeiro über die Politik des neuen brasilianischen Präsidenten.
Die Raiffeisen- und Volksbanken-Zeitschrift hat ihren Artikel überschrieben mit „Druck auf Bolsonaro wächst“. Der demokratische Leser denkt, es geht um die Verhinderung der despotischen Maßnahmen der Rechts-Regierung. Aber nein: Die Konzerne – auch die deutschen in Brasilien – bauen Druck auf und wollen von Bolsonaro Vollzug sehen: Privatisierungen, Rentenkürzungen, Sozialabbau, Freihandel – also das klassische neoliberale Mantra.
Die katastrophale Politik der Regierung wird im Volksbank-Artikel so beschrieben: „Neben der Konsolidierung des Staatshaushaltes unter anderem durch die dringliche Rentenreform gilt es die Privatisierung, die Marktöffnung und viertens die Entbürokratisierung voranzutreiben. Auf allen Gebieten lassen sich Fortschritte erkennen.“
Wie medico international berichtet, zielen die von Bolsonaro eingeforderten Reformen wie die geplante Anhebung des Renteneintrittsalters bei gleichzeitiger Senkung der Renten auf die Wiederherstellung weißer Privilegien. „Am härtesten betroffen werden diejenigen sein, die in der informellen Ökonomie arbeiten, Kleinigkeiten auf der Straße verkaufen oder auf dem Land ohnehin nie in eine Rentenkasse eingezahlt haben. Übergeordnetes Ziel ist die Entlassung der Unternehmen und des Staates aus der Verantwortung und eine Stärkung der privaten Rentenkassen. Einmal mehr wird das neoliberale Lied der Individualisierung statt solidarischem Ausgleich angestimmt.“
Der Begriff der Entbürokratisierung ist in Brasilien genauso wie in Deutschland ein Verschleierungsbegriff für den Abbau von Schutzrechten aller Art: im Arbeits- und Sozialrecht, im Umweltrecht, beim Tierschutz, bei den Minderheitenrechten.
Im deutschen Handelsblatt wird der Ausverkauf der Volkswirtschaft an einzelne Konzerne wie folgt verschleiert: „Als kurzfristigen Wachstumstreiber sieht er (André Clark, Brasilienchef von Siemens) vor allem den Energiesektor, besonders die Stromverteilung, wo sich zunehmend ausländische Konzerne engagieren. Auch bei Öl und Gas sind die Multis bei den Auktionen der Förderlizenzen eingestiegen. Bei der Versteigerung der Flughafenlizenzen vor zwei Wochen zahlten ausländische Investoren wie die Flughafen Zürich AG oder der spanische Betreiber Aena Aufschläge von rund 1.000 Prozent auf den Mindestpreis für zwölf Flughäfen. In der Landwirtschaft erweitern die Konzerne die Wertschöpfungsketten in Richtung Lebensmittel“. Auch die VR International begrüßt, dass die 12 Flughäfen und die Schienenstrecke Norte-Sul versteigert wurden.
Obwohl Brasilien eine relativ geringe Auslandsverschuldung hat, werden die nationalen Güter auf Kosten der indigenen Bevölkerung und der Armen des Landes, sowie auf Kosten des Klima- und Artenschutzes (Stichwort Regenwald) in Windeseile verscherbelt. Die deutschen Konzerne sind alle dabei und die deutschen sogenannten „Wirtschaftsjournalisten“ singen alle das neoliberale Hohelied auf den Halb-Faschisten Bolsonaro.
Dass auch die deutsche Genossenschaftsbank hier mitmacht, ist peinlich. Bekämpfen doch Bolsonaros Polizei- und Miliztruppen die genossenschaftlich Organisierten von der Landlosenbebewegung MST und der „Bewegung der Arbeitenden ohne Dach“ MTST nicht nur politisch, sondern auch mit Rechtsbeugung und Waffengewalt. Friedrich Wilhelm Raiffeisen wird wahrscheinlich im Grab rotieren.
Zum Handwerkszeug von Wirtschaftsjournalisten gehört es, mit Zahlen und Diagrammen Objektivität und Kompetenz vorzutäuschen. In dem Volksbank-Artikel gibt es ein Balkendiagramm mit zwei Zahlen: 92 % der deutschen Unternehmer in Brasilien glauben, ihre Geschäftslage werde sich verbessern und 8 % glauben es bleibe gleich. Für die herz- und empathielosen Deppen, die Wirtschaftszeitungen konsumieren, wird dieser „schwierige“ Sachverhalt visualisiert. [jdm]