Amazons Alexa hört ab – und Innenminister wollen mithören
„Schnauze Alexa – Ich kaufe nicht bei Amazon“ heißt das kleine Büchlein von Johannes Bröckers, in dem er polemisch und kenntnisreich Argumente liefert, wie Amazon unser aller Leben schlechter macht, auch wenn wir das nicht direkt wahrnehmen.
Schon heute ist es so, dass Amazon als Allesverkäufer die Abhängigkeit der Firmen von Amazon als Verkaufsplattform ausnutzt, deren Geschäftsgeheimnisse ausspioniert, um dann bei lohnenden Märkten deren Geschäfte selbst zu übernehmen. Bis dahin bezahlen die Anbieter Amazon eine Steuer in Form von Gebühren. Amazon lebt von der Ausbeutung der Arbeiter, denen gewerkschaftliche Betätigung und Betriebsräte verweigert werden, denen nur Mindestlöhne und keine Tariflöhne gezahlt werden. Und natürlich lebt Amazon von der Ausbeutung der Paketboten, wie ja mittlerweile allgemein bekannt ist. Wer das Buch gerade nicht zur Hand hat, kann hier ein kurzes Interview mit Bröckers zum Thema beim gemeinsamen Hörfunkprogramm COSMO des WDR, Radio Bremens, sowie des Rundfunks Berlin-Brandenburg anhören.
Und Amazon hat die „Alexa“ im Angebot. Johannes Bröckers warnt davor, dass sich mit der Alexa jeder praktisch ein Abhörgerät in seine Wohnung stellt. Das war seine Warnung, als er im letzten Jahr das Buch schrieb. Und schon wird die Warnung von der Wirklichkeit eingeholt:
Die Innenminister haben auch von den Abhörgeräten, die die Menschen sich ins Haus stellen, gehört. Nicht, dass diese jetzt Amazon verbieten wollen, mit Alexa herumzuschnüffeln. Nein, der schleswig-holsteinische Innenminister und derzeitige Präsident der Innenministerkonferenz (IMK) Joachim Grote (CDU) , sowie die Innenstaatssekretäre von CDU, CSU und SPD wollen die Daten haben, die persönliche Assistenten wie Amazons „Alexa“ oder „Google Home“, „smarte“ Kühlschränke, Fernseher oder Temperaturregler sammeln. Daten, die bei der Nutzung solcher Helferlein im „Smart Home“ anfallen, sollen vor Gericht verwendet werden dürfen.
Einer Beschlussvorlage zufolge kommt digitalen Spuren „eine immer größere Bedeutung“ bei der Aufklärung von Kapitalverbrechen und terroristischen Bedrohungslagen zu. Nach einer richterlichen Anordnung sollen Ermittlungsbehörden künftig auf diese Spuren zugreifen können.
Laut ZDF darf heute schon bei Verdacht auf schwere Straftaten und nur mit richterlicher Genehmigung mit technischen Mitteln in ein von dem Betroffenen genutztes informationstechnisches System eingegriffen und dürfen Daten daraus erhoben werden“ – so regelt es Paragraf 100 b der Strafprozessordnung unter dem Stichwort „Online-Durchsuchung“.
Warum die Innenminister trotzdem bei ihrer derzeit stattfindenden Konferenz darüber sprechen wollen, hat einen technischen Grund. Diese Daten sind verschlüsselt und Amazon und Google wollen die Daten bisher nicht mit den Ermittlungsbehörden teilen. Deshalb planen die Innenminister die Aufweichung der im kommenden 5G-Mobilfunkstandard vorgesehenen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung oder, wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Anbieter von verschlüsselten Messengern durch richterliche Anordnung zur Herausgabe der Nachrichten in Klartext zu zwingen. Wie das technisch umgesetzt werden soll, bleibt unklar.
In der letzten Woche erteilten die EU-Justizminister bei einem Treffen in Luxemburg das Mandat für Verhandlungen der EU-Kommission mit der US-Regierung über die Nutzung der digitalen Spuren. Diese erließ 2018 den „Cloud Act“, nach dem FBI und andere Behörden weltweit direkten Zugang zu Cloud-Daten haben sollen. Die nun bevorstehenden Verhandlungen sollen europäischen Polizeien und Geheimdiensten den gleichen Zugang verschaffen.
Übrigens: Jedes Smartphone, bei dem Alexa, Siri und KollegInnen aktiviert sind, bietet die gleichen Möglichkeiten für die Schlapphüte. [jdm]