Forderungen nach Konjunkturprogrammen: Aus Gesundheits- und Klimakrise nichts gelernt
Die Autokonzerne Volkswagen und BMW, ihr Branchenverband VDA und die Landesregierungen von Bayern und Niedersachsen fordern Prämien für Autokäufer, um die Nachfrage anzukurbeln. Sogar der VW-Betriebsrat fordert dieses Programm zur Schädigung des Klimas. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) möchte für Elektroautos sogar 10 000 Euro Prämie zahlen, also den Reichen ihre Protzautos zum Teil vom Staat bezahlen lassen.
Als stünde die Welt nicht am Rande des Abgrunds durch die vor sich gehende Klimaerwärmung. Als ginge es um nichts, fordern die Unternehmerverbände der Großkonzerne und ihre Lautsprecher, zu denen auch ein Großteil der Grünen jetzt gehört, unverdrossen, im alten Stil weiter zu machen.
Der Lobbyist des Investitionshais Blackrock Friedrich Merz (CDU) fordert ein Konjunkturprogramm und schließt dabei ausdrücklich Maßnahmen für den Klima- und Umweltschutz aus: „Die Wiederbelebung der Wirtschaft muss natürlich mit einer sinnvollen Klima- und Umweltpolitik einhergehen. Bei Konjunkturhilfen geht es aber zunächst um die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft“.
Auch die Schnapsidee der Grünen für Einkaufsgutscheine, um die Konjunktur anzuheizen, ist abgesehen von dem rein propagandistischen Inhalt, der wohl von Trumps 1200-Dollar-Schecks inspiriert ist, kaum „nachhaltig“. Diese Forderung folgt der alten Logik des Kapitalismus, dass wir einfach Wachstum brauchen und einfach produziert und gekauft werden muss – egal was. Dabei hat der Club of Rome schon in den 1970er Jahren festgestellt, dass die Erde nicht unendlich ist und es demnach „Grenzen des Wachstums“ geben muss, wenn wir die Erde lebenswert erhalten wollen.
Was die Welt und speziell Deutschland nicht braucht sind mehr Autos. Die Forderungen nach neuen Abwrackprämien oder Kaufprämien dienen nur dazu, dass die Großaktionäre die Coronakrise nutzen können, um auch aus dieser Krise ihren Extraprofit zu schlagen. Die Kassen von VW sind immer noch voll – und wenn sie nicht so voll sind, wie gewünscht, liegt es daran, dass die Volkswagen-Manager die Öffentlichkeit und die Käufer vorsätzlich über die Schädlichkeit ihrer Produkte belogen haben, was dann halt aufgeflogen ist.
Am Montag, den 20.04.2020, forderten unter anderem der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und über hundert einzelne Umweltorganisationen und Unternehmen wie der Energiekonzern Engie ebenfalls ein Konjunkturprogramm, aber die milliardenschweren Konjunkturhilfen nach Corona sollten vor allem das Thema Klimawandel berücksichtigen. „Die notwendigen Investitionshilfen können Weichen stellen, die über Jahrzehnte die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung bestimmen werden“, heißt es in einem Brief an die Bundeskanzlerin.
Statt Autos brauchen wir eine Verkehrswende, die den Menschen Mobilität erlaubt, ohne das Klima durch Verbrennungsmotoren aufzuheizen und ohne durch den Lithium- und Kobalt-Hunger für Autobatterien Hunger und Elend in den Abbaugebieten vor allem in Afrika zu produzieren. Eine Verkehrswende mit autofreien Innenstädten ist möglich. In Kopenhagen wurden z. B. 400 km Fahrradwege für 280 Mio € angelegt, so dass dort heute mehr als zwei Drittel der Bewohner mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Im Vergleich: Im Schnitt kostet ein Kilometer Autobahn mindestens 10 Mio €, also für 280 Mio € gibt es maximal 28 Km Autobahn, oder, wie in Kopenhagen, eine klimagerechte und lebenswerte Stadt mit Platz für Radfahrer und Fußgänger. (Quelle: Kathrin Hartmann, Grüner wird`s nicht, S. 156)
In die Deutsche Bahn und das Öffentliche Nahverkehrssystem wird auch nur so viel investiert, dass sie nicht zusammenbrechen. Hier wäre also auch eine Baustelle, wo sinnvoll Geld verbraucht und Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.
Auch unser Gesundheits- und Pflegesystem braucht dringend einen Ausbau, wie die Coronakrise gezeigt hat. Also muss Schluss sein mit den Privatisierungen und Schließungen und stattdessen ein Ausbau in öffentlicher Hand her.
Der sozialverträgliche und klimagerechte Wohnungsbau ist eine weitere Baustelle. Und nicht zuletzt die Landwirtschaft: Unsere Landwirtschaft ist durch die Exportorientierung einer der Hauptproduzenten von CO2. Durch Sojaimporte nach Deutschland für die Fleischproduktion in den riesigen Schweinemast- und Hähnchenställen werden z. B. in Brasilien oder Indonesien Urwälder abgebrannt und einheimische Bauern von den Agrarindustriellen, auch deutschen Firmen, gewaltsam vertrieben und ermordet. Hilfen für die Bauern, um ihre Produktion natur- und klimafreundlich betreiben zu können, würden zwar nicht der Agrarindustrie helfen, aber den bäuerlichen Familienbetrieben.
Durch Palmölimporte für unsere Lebensmittelindustrie und für den angeblichen „Bio“-Spritanteil in unserem Benzin erzeugen die deutschen und europäischen Konzerne in den Entwicklungsländern Hunger, Gewalt und Elend.
Und nicht zuletzt: Deutschland ist zwei Plätze aufgerückt und jetzt der siebtgrößte Waffenkäufer der Welt, der 45,6 Mrd. Euro dafür ausgegeben hat. Das bringt keinen Frieden, keine soziale Sicherheit und sorgt für eine weitere Klimaerwärmung Das ist etwas, was wir schon gar nicht brauchen. Stattdessen könnte das Geld für eine klimagerechte Energieinfrastruktur verwendet werden. Denn das würde den Klimaflüchtlingen in der Welt wirklich Frieden bringen. [jdm]