Batcorder der Firma H & M, Hesel
Batcorder

Bei einem Spaziergang im Gemeindewald zwischen der Wippinger Straße Kiefernweg und der Gutshofstraße fallen etwa ein halbes Dutzend Batcorder der Firma H & M Ingenieurbüro GmbH & Co. KG aus Hesel auf, die haushoch an Bäumen befestigt im Wald verteilt sind. Mit Batcordern kann die Fledermausaktivität über einen Zeitraum von mehreren Wochen bis Monaten durchgehend erfasst werden. Eine Anfrage bei H & M ergibt, dass es sich um ein Dauermonitoring für die Firma Smals handelt, die in Wippingen eine Kiesgrube betreibt.

Die Firma Smals, die seit ihrem 125. Jubiläum im Jahr 2010 das in den Niederlanden bekannte Prädikat „Königlich“ tragen darf, betreibt in den Niederlanden und in Deutschland an jeweils drei Standorten Kiesgruben. Das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von ca. 22 Mio. € beschäftigt derzeit 70 Mitarbeiter, davon drei in Wippingen (zwei Schlosser, ein Baggerfahrer). Der Betrieb in Wippingen wurde 2006 von der Meppener Firma Hermann Jansen aufgekauft und nach damals zwei Jahren Stillstand wieder in Betrieb genommen. Mittlerweile nimmt die Kiesgrube eine Fläche von ca. 25 ha ein.

Smals-Projektmanager Paul Hartman im Wippinger Büro neben einem Gerät zur Qualitätskontrolle von Sanden.
Smals-Projektmanager Paul Hartman im Wippinger Büro neben einem Gerät zur Qualitätskontrolle von Sanden. Mehrere Siebe in einem Rüttler geben Aufschluss über den Anteil der verschiedenen Körnungen.

Der 62jährige Projektmanager der Firma Smals, Paul Hartman, ist gern bereit, über die Pläne von Smals in Wippingen Auskunft zu geben. Hartmans Aufgabe ist es u. a. eine eventuelle Erweiterung des Wippinger Kiesabbaus zu erkunden und in die Wege zu leiten. Die Begutachtung durch die Firma H & M dient der Vorbereitung für ein eventuelles Genehmigungsverfahren.

Laut Hartman lässt sich anhand der vorhandenen Kiesgruben und dem jetzt ins Auge gefassten Gemeindewald von etwa 8 ha ungefähr nachvollziehen, wie der Eiszeitgletscher seinerzeit die Kies- und Gesteinsmassen mit sich her geschoben hat und seine Last schließlich in den Wippinger Boden als Grundmoräne in den Boden gedrückt hat. Rund um die Wippinger Kiesgrube wurde vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) ein Rohstoffsicherungsgebiet für Sand ausgewiesen. Die Firma Smals habe im Laufe der Jahre rund um die jetzige Grube mit Bohrungen nach Kiesablagerungen gesucht, aber außer im Gemeindewald  nichts gefunden. Tatsächlich sei auch direkt neben der Kiesgrube nichts zu finden – eben weil der Gletscher nur diese Fracht vor sich her geschoben habe.

Man merkt Hartman im Gespräch an, dass Sand und Kies für ihn nicht einfach x-beliebige Produkte sind, sondern er kommt beim Fachsimpeln über die verschiedenen Beschaffenheiten des Sandes und von Kies fast ins Schwärmen. „Sand wird überall gebraucht, wohin sie schauen. Ihr Brillenglas ist aus Sand gemacht, die Straßen, alle Gebäude und vieles mehr ist ohne Sand nicht denkbar.“

In Wippingen wird vor allem grober Mauersand, so genannter 0-2 A-Sand oder Feinbetonsand, gefördert. Das heißt die Sandkörner haben eine Größe von 0 bis 2 mm. Weiter südlich in Deutschland fördere und benutze man etwas gröberen Sand bis 4 mm, was aus Kostengründen bevorzugt werde, weil dann weniger von dem teuren Zement gebraucht werde. In Süddeutschland oder in Frankreich gebe es wegen der felsigen Böden kaum Sand, so dass dort gebrochener Stein verwendet werde. Dieser erzeugte Sand sei eckiger und nicht so rund geschliffen wie der norddeutsche Mauersand. Das habe eine höhere Festigkeit des Betons zur Folge; der norddeutsche Beton habe dagegen einen anderen Vorteil: Er lasse sich mit Pumpen bis in den 10. Stock befördern, während Beton mit Brechsand wegen der mangelnden Fluidität weniger einfach und weniger hoch gepumpt werden kann.

Beton besteht zu etwa 1 Teil aus Zement, zu 2 Teilen aus Sand und zu drei Teilen aus Kies. In der Wippinger Kiesgrube wird trotz des Namens nur zu etwa 2-3 % Kies gefördert; der Rest sind Mauersand und Füllsand. Füllsand ist nur für den Unterbau von Straßen, Pflasterungen und bei Fundamenten zu gebrauchen.

Der Rohstoff wird mit einem unbemannten Saugbagger derzeit aus einer Tiefe bis zu etwa 22 m gefördert und in einer Sortieranlage gewaschen und gesiebt. Dabei müssen z. B. Holz und Lehm entfernt werden.

In den nächsten ca. 3 Jahren wird der Saugbagger den Weg zurück zum Ausgangspunkt nehmen und bis auf eine Tiefe von 30 Metern saugen. Danach ist die Grube voraussichtlich erschöpft und kann nur noch zur Füllsandgewinnung dienen. Ein Teil des Wippinger Sands geht übrigens derzeit an das Kalksandsteinwerk in Surwold, wo es als Beimischung zum eigenen feineren Sand dient. Die Abbaugenehmigung läuft noch bis 2032.

Nach der Stilllegung soll die Grube sich zur Renaturierung selbst überlassen werden. Der Baggersee werde die für die Entwicklung nötigen Flachwasserzonen enthalten. Denn man habe in Wippingen lernen müssen, dass die erlaubten steilen Böschungen nicht möglich seien. Werde ein Verhältnis von 1 Meter Tiefe auf 6 Meter Länge überschritten, rutsche die Böschung nach und das gefalle den Nachbarn nicht.

Hartman geht davon aus, dass die Gutachterfirma H & M in etwa zwei Monaten die ersten Ergebnisse liefern kann, obwohl das Monitoring bis November 2020 weiterläuft. „Wenn die bis dahin keine seltenen Fledermäuse oder Elefanten gefunden haben, besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass sie auch nichts mehr finden.“ Dann habe man auch eine Vorstellung, wie teuer Kompensationsleistungen für die Inbetriebnahme der Fläche werden könnten und man könne nachdenken, ob ein Abbau sich wirtschaftlich unter welchen Umständen tatsächlich rechne. Und wenn dieser interne Prozess abgeschlossen sei, werde man der Gemeinde ein konkretes Angebot unterbreiten können.

Für eine Kiesgrube im Gemeindewald könnten die jetzt bestehenden Anlagen direkt verwendet werden. Die Distanz der Sortieranlagen zum jetzigen Ende des Baggersees entspricht ungefähr der Entfernung zum Gemeindewald. In Niedersachsen wird der Kiesabbau nach dem Wasserrecht und nicht nach dem Bergrecht genehmigt. Kies kann also nicht gegen den Willen des Grundbesitzers abgebaut werden, was nach dem Bergrecht möglich wäre.

Kies und Sand sind als Bodenschätze endliche Güter, auch wenn scheinbar immer noch genug vorhanden ist. Hartman berichtet, dass in den Niederlanden die Gebiete entlang der Flüsse aus Umweltschutzgründen immer weniger für den Abbau von Kies in Frage kämen. Experimente mit anderen Stoffen als Ersatz für Kies, wie z.B. verglaste Asche aus Müllverbrennungsanlagen, hätten gezeigt, dass diese als Baustoff zwar in Frage kommen, aber einfach zu teuer seien. Die Firma Smals bereitet derzeit einen Antrag auf Sandgewinnung im IJsselmeer vor. In der Zwischenzeit ist das Salz im Boden der ehemaligen Zuiderzee verschwunden und somit verwertbar geworden.

Um unnötigen Verkehr zu vermeiden, werde – zumindest in den Niederlanden, wo der Stickstoffeintrag durch den Verkehr ein großes Thema ist – zunehmend gefordert, dass die Transportstrecke zwischen Kiesgewinnung und Verbrauch im Betonwerk möglichst kurz sein müsse. Kiestransport mit Lastwagen über längere Strecken sei deshalb unerwünscht und zu teuer.

Auf der Homepage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wendet sich der BUND vor allem gegen den Abbau von Kies und Sand in der Nordsee, wo ganze Sandbänke samt Bewohnern weggesaugt würden. Ansonsten kritisieren Umweltschützer am Kiesabbau neben dem Lärm beim Abtransport und der Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen, vor allem die Probleme für den Grundwasser- und Gewässerschutz. Bei größeren Abgrabungsstätten kann der Grundwasserspiegel sinken, wodurch in Folge Brunnen oder nahe gelegene Biotope austrocknen können. Außerdem  besteht das Risiko, dass das durch Kiesabbau freigelegte Grundwasser vermehrt über Luftemissionen verschmutzt wird.

Baggerseen können aber auch eine Chance für die Natur darstellen, wenn sie in einem guten Zustand gehalten werden. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie dient einer nachhaltigen und umweltverträglichen Wassernutzung, aber gilt erst für Gewässer ab 50 ha. Umweltschützer fordern daher, Baggerseen, deren Uferlinien weniger als 50 m voneinander entfernt liegen, müssten miteinander verbunden werden.

Weltweit gibt es teilweise einen großen Sandmangel, so dass selbst Wüstenländer Sand importieren müssen. Vor allem in armen Ländern kommt es zum Raubbau durch legalen und illegalen Sand-Abbau, wie z. B. in Indien, wo Taucher mit Eimern Sand aus der Tiefe der Flüsse holen. Der unregulierte Abbau von Sand ist nicht nur für die Umwelt gefährlich, sondern stellt auch gefährliche und ungesunde Arbeitsplätze für die Menschen dar. [jdm]