Mathias und Edwina Sperlich

Für kleine Kulturunternehmen ist die Corona-Krise der unternehmerische Super-GAU. Auch dem Figurentheater Stella in Klein Berßen sind alle Einkommensquellen weggebrochen. Jetzt hoffen die Sperlichs auf materielle Solidarität der Bürger und darauf, dass die Nöte der Branche endlich wahrgenommen werden.

Das Figurentheater, das sind Mathias und Edwina Sperlich, die ihr Unternehmen im Januar 2018 gegründet haben. Schon die Urgroßeltern, Großeltern und Eltern von Mathias waren und sind, Schauspiel-, Marionetten-, Handpuppen- und Stabfigurenspieler. Edwina Sperlich stammt aus einer Artistenfamilie. Ihre Eltern betreiben einen Zirkus, in dem Mathias Sperlich auch als Artist tätig ist.

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Aufgetreten ist das Theater vor allem in Kindergärten und Schulen, aber auch in anderen Kultureinrichtungen. Diese Auftrittsmöglichkeiten sind derzeit versperrt. Nicht nur die Corona-Verordnungen stehen dagegen; die Kindergärten sind mit ihren relativ kleinen Räumlichkeiten auch oft nicht dazu geeignet, während eines Auftritts die Abstandsregelung wahren zu können.

Selbst organisierte Auftritte sind finanziell unkalkulierbar. Mathias Sperlich macht uns gegenüber eine Beispielrechnung auf: Würde er die 800 Personen fassende Stadthalle Rheine für eine Tagesmiete von 1150 € mieten, dürfte er dort für einen Auftritt 100 Personen hinein lassen. Bei 8 € Eintritt, müsste er allein 350 € zuschießen, um die Miete zahlen zu können. Falls er mehrere Auftritte am selben Tag in der Halle organisieren würde, sei es in diesen Corona-Zeiten äußerst unsicher, dass genug Zuschauer kommen würden.

Über den Cirkus Montana berichtete die Ems-Zeitung mehrfach. Dieser hat sich durch die dadurch ausgelöste Hilfewelle bisher über Wasser gehalten. Derzeit wird versucht, das vorhandene Inventar – also vor allem die Tiere – für einen improvisierten Streichelzoo zu nutzen.

Für das Figurentheater Stella besteht diese Möglichkeit nicht, aber auf solidarische Hilfen aus der Bevölkerung hoffen auch die beiden Theaterleute.

Das Kulturkonjunkturprogramm der Bundesregierung enthält auch Hilfen bei pandemiebedingten Einkommensausfällen. Sperlich berichtet, dass er bisher 9000 € staatliche Hilfen für April bis Juni bekommen hat. Aber er hatte in der Zeit 15.000 € zu zahlen, die für bereits bestellte Investitionen fällig wurden. Zusätzlich habe er monatlich 1300 € Fixkosten, u. a. für die verschiedene Versicherungen. Er habe bei der N-Bank einen 30.000 € Kredit aufgenommen, um alles am Laufen zu halten.

Für den Lebensunterhalt bekommen er und sein Sohn Arbeitslosengeld II. Hier habe es sehr lange gedauert, bis es endlich zur Zahlung gekommen sei. Für seine Frau, die getrennt als selbständige Freiberuflerin gilt, seien alle Hilfen abgelehnt worden. Seinen Schwiegereltern seien absurderweise alle Hilfen mit Verweis auf das Vermögen, das das Zirkusunternehmen darstelle, verweigert worden.

Die Grünen weisen in ihrer Stellungnahme zum Kultur-Konjunkturpaket der Bundesregierung auf einen zentralen Fehler hin. Der liege „ in der Trennung von Betriebs- und Lebenshaltungskosten. Für förderungsberechtigte Unternehmen ist ein Zuschuss zu betrieblichen Fixkosten möglich. Für ihren Lebensunterhalt werden Selbständige und Freiberufler auf die Grundsicherung verwiesen. Doch sind sie nicht arbeitssuchend, sondern können nur kein Einkommen generieren, weil sie ihrer Arbeit derzeit nicht nachgehen dürfen. Anders als angekündigt, sieht auch der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung eine Vermögensprüfung vor. Sie kommt bei Altersrücklagen ab 60.000 Euro zum Tragen. Wer also für die Zukunft etwas zurückgelegt hat, um Rentenausfallzeiten zu überbrücken, wird so bestraft.“

Für Mathias Sperlich ist die Verlängerung der Corona-Maßnahmen bis zum November eine Katastrophe. Ihn erbost besonders, dass diese Maßnahmen ohne Vorwarnung fünf Tage nach einem Gespräch des Schaustellerpräsidenten mit der Bundesregierung verlängert wurden. Es habe schon zwei große Demonstrationen des Schaustellergewerbes gegeben. Aber darüber sei nur lokal berichtet worden.

Heute legte eine Protestfahrt der Schausteller durch Stuttgart den kompletten Verkehr in der Landeshauptstadt lahm. Nach Angaben der Stuttgarter Zeitung trafen sich Hunderte Schausteller gegen 12.30 Uhr auf dem Cannstatter Wasen, um kurze Zeit später zu ihrem Protestzug aufzubrechen.

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat nach Schätzungen des Schaustellerverbandes im Südwesten etwa jeder fünfte Unternehmer in der Branche aufgegeben. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagte der baden-württembergische Verbandsvorsitzender Mark Roschmann im Vorfeld des Protests. Die Corona-Auflagen kämen einem Berufsverbot gleich. (Quelle)

Die Schausteller fühlen sich vollkommen allein gelassen. Sie sind nicht einfach arbeitslos, sondern sie häufen wegen der laufenden Kosten Schulden an, die zur Insolvenz führen, wenn nicht endlich wieder Einnahmen generiert werden können. Sperlich: Wenn die Weihnachtsmärkte wegfallen, ist für alle das Ende da.

Die Sperlichs hoffen für sich, dass sie nach den Ferien mit den Kindergärten und Schulen zumindest kleine Auftritte vereinbaren können. „Damit wir endlich wieder was zu tun haben, und wenigstens etwas Geld herein kommt.“ [jdm]