Rassen gibt es nicht – was es nicht gibt, darf kein juristischer Begriff im Gesetz sein
Die aktuelle Diskussion um die Begriff „Rasse“ im Grundgesetz zeigt, dass gesellschaftliche Prozesse und Widerstand Lernprozesse erzeugen können. Die Grünen schlagen heute vor, was sie 2012 noch abgelehnt haben. Nur die CDU beharrt auf einem anerkannt unwissenschaftlichen, also rassistischen Begriff.
Im Grundgesetz steht in Artikel 3: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Jetzt gibt es die Forderung, den Begriff der „Rasse“ durch andere Formulierungen zu ersetzen. Die französische Nationalversammlung beschloss am 12. Juli 2018 einstimmig, „Rasse“ aus Artikel 1 der französischen Verfassung zu streichen.
Die Begründung für die Streichung des Begriffs ist im Wesentlichen, dass die Verwendung des Begriffs die Vermutung nahe legt, es gebe menschliche Rassen. Die gibt es aber nicht, sondern es gibt nur rassistisches Verhalten.
In der Biologie – außer bei der Haustierhaltung – wird der Begriff nicht mehr verwendet. Hier spricht man von Arten und Unterarten. Im Wikipedia-Artikel wird das Bonmot zitiert: „Eine Rasse ist eine Rasse, wenn dies genügend Leute bezeugen“. Das beschreibt deutlich, dass es sich bei der Verwendung des Rassebegriffs nur um unscharfe Beschreibungen handelt, die aber kein wissenschaftliches Kriterium darstellen. Die rassistischen Eugeniker und Rassentheoretiker des Kolonialismus, Faschismus und Antsemitismus haben aber versucht, genau diesen Eindruck zu erwecken. Bei der Hundehaltung mag es helfen, bestimmte äußere Merkmale, wie Boxerschnauze oder Rückenhöhe einer Rasse zuzuordnen, aber es bleiben immer nur Hunde mit den hundespezifischen Lebensweisen.
Die aktuelle Forderung stammt von den Grünen und wird neben den Linken von der SPD und der FDP unterstützt. Die Linken haben schon am 1.12.2010 einen solchen Antrag in den Bundestag eingebracht, der am 22.03.2012 im Bundestag verhandelt wurde und von keiner Fraktion außer der Linken unterstützt wurde.
Damals begründete der Redner der Grünen, Jerzy Montag, die Ablehnung des Antrags so: „So gut gemeint der Ansatz der Linken ist, sich von jeglicher Rassenideologie im Bezug auf Menschen zu verabschieden und in Zukunft nicht mehr von Rassen im Bezug auf Menschen zu sprechen, so falsch und kontraproduktiv scheint uns der Ansatz, in allen Völkerrechtsverträgen, im europäischen Recht und im Grundgesetz das Wort Rasse zu streichen und durch „ethnische, soziale und territoriale Herkunft“ zu ersetzen. Damit nehmen wir diejenigen, die von Rassen reden und rassisch diskriminieren, aus dem Fokus und ermuntern Rassisten, ihr Unwesen weiter zu treiben. Einem solchen Antrag werden wir nicht zustimmen.“
Die FDP wollte natürlich auch nicht zustimmen und deren Redner Stephan Thomae fand u. a. die originelle Begründung: „Vielleicht ist die Verwendung des Begriffs Rasse nicht mehr wissenschaftlich zu begründen; jedoch sollte diese positive Entwicklung des Begriffs weitergetragen werden. Der Antrag von Ihnen, meine Damen und Herren der Linken, würde diesen besonderen Schutz schmälern. Er zielt politisch nur darauf ab, Aufmerksamkeit zu erregen.“
Und die SPD? Sie unterstützte das Anliegen zwar inhaltlich weitgehend, aber enthielt sich wegen der Koalitionsdisziplin. Ihre Rednerin Gabriele Fograscher begründete dies so:“… Es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, den Begriff ‚Rasse‘ weiterhin zu verwenden. Deshalb unterstützen wir als SPD-Bundestagsfraktion grundsätzlich das Anliegen, den Begriff Rasse aus deutschen Gesetzestexten zu streichen .… Dennoch werden wir als SPD-Bundestagsfraktion dem Antrag der Linksfraktion nicht zustimmen; wir werden uns enthalten. Die von den Linken vorgeschlagene Formulierung „ethnische, soziale und territoriale Herkunft“ anstatt des Begriffs Rasse ist unbefriedigend, weil sie den Schutzbereich der Norm einengt. Wir als SPD-Bundestagsfraktion folgen der Argumentation des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Deshalb befürworten wir die Formulierung „rassistische Diskriminierung“. Mit dieser Begrifflichkeit in der deutschen Verfassung würden wir uns klar und deutlich von jeglicher Art Rassismus distanzieren.
Der Antrag der Linken wird heute keine Mehrheit erhalten. Damit ist das Thema für uns aber nicht erledigt. Wir werden versuchen, eine mehrheitsfähige Lösung herbeizuführen, um den Begriff Rasse aus der deutschen Rechtsordnung zu streichen“
Und die CDU begnügte sich wie üblich mit der oberflächlichsten Behandlung des Themas und Ablehnung des Antrags der Linken: „Für Rassentheorien und Rassenwahn gibt es in unserer Gesellschaft ebenso wenig Platz wie für die Diskriminierung und Benachteiligung von Menschen aus rassistischen Motiven. Dies sollten wir in unserer Verfassung und unseren Gesetzen bewusst und ausdrücklich betonen. Nicht ohne Grund haben die Väter und Mütter des Grundgesetzes, die die Nazidiktatur selbst erlebt hatten, Art. 3 unserer Verfassung denn auch so deutlich formuliert. Klar ist für uns dabei auch: Wir machen uns Theorien, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen, nicht zu eigen. Bei uns ist für derartiges Gedankengut kein Raum. Den Antrag der Fraktion Die Linke werden wir ablehnen.“
Das Sich-Berufen auf die „Väter und Mütter des Grundgesetzes“ hört sich zwar gut an. Aber Vorsitzender des Ausschusses für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rates war Hermann von Mangoldt, ein Rechtsprofessor, der während der Nazizeit die Nürnberger Rassegesetze in Fachzeitschriften verteidigte und in seinen Werken über die amerikanische Verfassung die Ausgrenzung anderer „Rassen“ befürwortete („Separate, but equal“). Eine Rassentrennung wollte er auch ins Grundgesetz hineinschreiben, was ihm aber nicht gelang.
Der Begriff „Rasse“ wird im Grundgesetz zwar verwendet, um rassistische Verfolgung zu verhindern, benutzt dazu aber einen Begriff, der zuvor von den Nazis zur Begündung ihrer monströsen Taten gebraucht wurde. Die Verwendung des Begriffes „Rasse“ impliziert, dass es Rassen gibt und dann sind wir nicht mehr weit weg von den Nazibegriffen der Arten, der Artfremden und der Artgenossen.
Es gibt rassistische Verfolgung durch Menschen, die glauben, es gebe Rassen. Aber Rassen gibt es trotzdem nicht, und deshalb sollte der Begriff auch nicht in Gesetzestexten oder Verträgen benutzt werden.
Wenn die CDU eine Streichung des Begriffes als Symbolpolitik bezeichnet, ist doch eher zu fragen, warum sie dieses Symbol des Rassismus unbedingt erhalten will. Rassismus kann bekämpft werden, wenn er so genannt wird. Dazu braucht es den Begriff der Rasse nicht. [jdm]