Entwaldung und mangelnde Nachhaltigkeit der Weltbevölkerung: eine 10-prozentige Chance zu überleben
Eine Studie von Mauro Bologna vom Departamento de Ingeniería Eléctrica-Electrónica, Universidad de Tarapacá in Chile und Gerardo Aquino vom Alan Turing Institute in London, die jetzt auf Nature online veröffentlicht wurde, berechnet, dass es in 100 oder 200 Jahren keine Wälder mehr gebe, wenn die Menschheit mit der Entwaldung so weiter mache, wie bisher. In einer Modellrechnung setzen sie die technische Entwicklung der Menschheit in Verhältnis zum Ressoucenverbrauch und kommen zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit des Wachstums der technologischen Möglichkeiten so gering ist, dass die Menschheit eine Chance von 10% hat, um zu überleben, ohne einen katastrophalen Zusammenbruch zu erleben. Die Autoren berechnen, dass uns je nach Ausgangsdaten noch 22 bis 170 Jahre bleiben, bis wir an dem Wendepunkt (point of no return) stehen, wahrscheinlich blieben uns nur noch 20-40 Jahre.
Sie schreiben: „Während das Ausmaß des menschlichen Beitrags zum Treibhauseffekt und zu Temperaturänderungen immer noch zur Diskussion steht, ist die Entwaldung eine unbestreitbare Tatsache. Denn vor der Entwicklung der menschlichen Zivilisationen war unser Planet von 60 Millionen Quadratkilometern Wald bedeckt. Als Folge der Entwaldung bleiben derzeit noch weniger als 40 Millionen Quadratkilometer.“
Die Bäume seien in vielfacher Weise für unseren Planeten wichtig: für die Kohlenstoffspeicherung, für die Sauerstoffproduktion, für den Bodenschutz und für die Wasserversorgung. Die Bäume unterstützen natürliche und menschliche Ernährungssysteme und bieten unzähligen Arten eine Heimat, darunter auch den Menschen durch Baumaterialien. Bäume und Wälder sind unsere besten Luftreiniger, und aufgrund der Schlüsselrolle, die sie im terrestrischen Ökosystem spielen, ist es höchst unwahrscheinlich, dass das Überleben vieler Arten, einschließlich der unseren, auf der Erde ohne sie vorstellbar ist. In diesem Sinne sei die Debatte über den Klimawandel im Falle eines globalen Klimawandels durch die Entwaldung des Planeten nahezu überholt.
Die Entwaldung können wir alle täglich beobachten und weil wir uns daran als Teil des Lebens gewöhnt haben, sind wir nicht alarmiert. Auf Hallo-Wippingen berichteten wir am 1. Juni über eine Studie, die zu dem Schluss kam, dass Trockenheit und der höhere CO2-Gehalt der Luft zum Waldsterben führen und dazu führe, dass in Mitteleuropa große Bäume langfristig verschwinden und stattdessen kleinwüchsigere Gehölze vorherrschen, wie wir es jetzt in trockenen südlichen Gegenden schon sehen können. Der Wald bestehe dann aus weniger Biomasse, was den Klimawandel weiter anheize.
Im Dannenröder Forst in Hessen wird gerade ein wertvoller Wald mit Polizeigewalt für eine Autobahn gerodet. Im Amazonas wird derzeit durch Brandrodung Platz geschaffen für den Fleischhunger und den Hunger nach Bodenschätzen durch die Industrieländer des Nordens. Die Zersiedelung in Deutschland führt trotz besseren Wissens weiter zur ungebremsten Ausweitung von neuen Wohngebieten und Industriegebieten mit der Folge der Entwaldung.
Und hier zeigt sich, wie die Menschheit sehenden Auges den Weg in die Katastrophe geht. Ein neues Baugebiet hier, eine neue Autobahn dort, die Anschaffung eines SUV hier: Es sind relativ kleine Handlungen, die niemand in Zusammenhang mit dem Großen, also hier der Entwaldung des Planeten bringt.
Die Autoren der oben genannten Studie kommen zu ihren pessimistischen Ergebnissen durch Berechnungen, wie wahrscheinlich es sei, dass die Menschheit Techniken erfindet, um den ökologischen Kollaps zu verhindern oder aber dass sie auf andere Planeten auswandern könne. Zu dieser Idee sind sie durch das Beispiel der Osterinsel gekommen. Hier ist eine Zivilisation auf einer Insel mitten im Pazifik ohne Verbindung zum Festland ausgestorben, weil sie ihren Fortschritt und ihre Landwirtschaft so entwickelt hat, bis ihre Insel vollständig entwaldet war und damit nicht mehr bewohnbar war. Die Erde als Ganzes sei mit dieser Inselsituation vergleichbar.
Das Gedankenspiel mit einer Auswanderung der Menschheit auf andere Planeten dient dazu, die Fähigkeit von Zivilisationen, sich zu entwickeln und gleichzeitig so zu beschränken, dass sie sich nicht selbst zerstören, zu erkunden.
Bei einer Diskussion im Jahr 1950 zwischen dem Kernphysiker Enrico Fermi und Edward Teller, Emil Konopinski und Herbert York darüber, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Menschheit die einzige Zivilisation im Universum sei, sagte Fermi: „Aber wo sind sie dann alle?“ Da das Universum schon so lange existiert, dass schon irgendwelche Zivilisationen andere Planeten besiedelt haben müssten, sei diese Frage zu stellen. Das Problem, als „Fermi-Paradoxon“ bekannt, wird von Wissenschaftlern sehr unterschiedlich beantwortet. Aber eine Lösungsmöglichkeit lautet, dass die Zivilisationen für ihre Entwicklung erst alle Ressourcen auf ihrem Heimatplaneten verbrauchen, bis der Druck, andere Planeten zu besiedeln, steigt. Aber dann ist der Punkt schon überschritten, an dem noch die technologische Kraft und die Ressourcen bestehen, den Planeten zu verlassen. Die Zivilisation hat sich selbst zerstört.
Bei den Vorstellungen einer Selbstzerstörung der menschlichen Zivilisation haben wir bisher vor allem an einen Atomkrieg oder zuletzt an die Klimakatastrophe gedacht. Die Berechnungen dieser Studie zeigen, dass die Entwaldung der Erde dazu ausreicht. Um die Situation noch zu verschlimmern, sagen die Autoren, es sei unrealistisch zu glauben, dass in einer Situation starker Umweltzerstörung eine Verringerung der Weltbevölkerung und ihres Verbrauches ein nicht chaotischer und geordneter Niedergang wäre.
Die Gefahr, die der Menschheit drohe, sei nur durch eine Ablösung der Kultur abzuwenden. „Tatsächlich – die Bedeutung des Begriffs der kulturellen Zivilisation vorausgesetzt als einer Zivilisation, die nicht stark von der Wirtschaft beherrscht wird, glauben wir, dass nur Zivilisationen, die rechtzeitig von einer Wirtschaftsgesellschaft zu einer Art „kultureller“ Gesellschaft wechseln, überleben können.“
Welche Art von „kultureller“ Gesellschaft sie meinen, sagen die Autoren nicht. Aber dass es der Kapitalismus nicht sein kann, liegt schon in seiner inneren Triebfeder des Wachstums um jeden Preis begründet. [jdm/ Anregung durch Telepolis]