Vor 210 Jahren begann die „Franzosentied“
Von 10.12.1810 bis 09.06.1815 gehörte das Emsland zu Frankreich. In dieser Zeit wurde das Plattdeutsche auch um einige französische Ausdrücke bereichert, z. B. hießen Zöllner und Soldaten wegen deren Uniformen auf Platt „Kamisen“ nach dem französischen Wort „Chemise“ für „Hemd“. Auch das „Franzosenkrut“ wurde mit den Franzosen in Verbindung gebracht, weil das Unkraut, das richtig „Kleinblütiges Knopfkraut“ heißt, zu dieser Zeit aus Südamerika eingeschleppt wurde.
Die Einverleibung des Emslandes durch Frankreich war eine Folge der Französischen Revolution von 1789. 10 Jahre später beendete Napoleon Bonaparte 1799 die Revolution durch einen Putsch. Die von der Revolution erkämpften bürgerlichen Rechte und die Modernisierung der Verwaltung blieben jedoch unter Napoleon erhalten. Es handelte sich um eine bürgerliche Revolution, die die feudalen politischen Verhältnisse beseitigte, die immer mehr im Widerspruch zur Entwicklung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, insbesondere der Entwicklung der Industrie und der Arbeiterklasse, standen. Für den deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel war Napoleon der „große Rechtslehrer in Paris“ und er sah in ihm bei Napoleons Einzug in Jena als Anhänger der Französischen Revolution begeistert die „Weltseele zu Pferde“. Für Goethe war Napoleon „einer der produktivsten Menschen …, die je gelebt haben“. Auch Beethoven war begeistert von den Idealen der Französischen Revolution und verarbeitete revolutionäre Motive in seiner Oper Fidelio.
Die französische Herrschaft über Teile des deutschen Reiches hatte das offizielle Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zur Folge und damit verbunden die Abschaffung der kirchlichen Herrschaften. Auch das Fürstbistum Münster, zu dem das Amt Meppen gehörte, wurde aufgelöst. Das Gebiet des heutigen mittleren und nördlichen Emslandes wurde dem Herzog von Arenberg als Entschädigung für Gebietsverluste in Belgien gegeben.
Während in Frankreich um Bürgerrechte und Demokratie gekämpft wurde, lebten die Wippinger in armen und weltabgeschiedenen Verhältnissen. Die Schule, die nur im Winter besucht wurde, befand sich in einem zugigen Fachwerkbau auf dem Schoolbrink ohne Heizung, ohne Boden und ohne Bänke. Der Lehrer Gerhard Tangen hatte wenigstens eine minimale Ausbildung auf der „Normalschule“ erhalten. Das heutige Ortszentrum existierte noch nicht, bzw. es war ein sandiges Wasserloch in einem Heidegebiet. Das einzige Haus war der Hof Haskamp auf der heutigen Hofstelle Johanning.
Aber 1810 wurde das Emsland dem französischen Staat direkt einverleibt. Das Departement (Regierungsbezirk) der oberen Ems (Eems-Supérieur), das von der Ems bis nach Quakenbrück, Osnabrück und Minden reichte, wurde geschaffen. Wippingen gehörte zum Arrondissement (vergleichbar Landkreis) Lingen. Unterhalb der Ebene der Arrondissements gab es noch die Kantone, die einem Gerichtsbezirk entsprechen. Westwippingen gehörte zum Kanton Lathen, was logisch war. Westwippingen war Teil des Kirchspiels Steinbild und hatte früher schon zum Gerichtsbezirk Düthe/Lathen gehört. Ostwippingen als Teil der Gemeinde Werpeloh gehörte zum Kanton Sögel.
Auch im Emsland wurde die Leibeigenschaft erst als Folge der französischen Revolution aufgehoben. Bis dahin waren viele Bauern persönlich und mit ihrem Hof Besitz eines adeligen Grundherrn. Auch in Wippingen gab es einige „Eigenbehörige“. 1770 hatte die Münsterische Eigenthums-Ordnung diesen unmündigen Status der Bauern noch einmal mitsamt einem bösartigen Strafkatalog bei Ungehorsam bestätigt. Die Franzosen brachten den Bauern somit die Freiheit.
Nach den Niederlagen Napoleons und der Restauration der Fürstenherrschaften in Deutschland in Folge des Wiener Kongresses von 1815 wurde der Herzog von Arenberg wieder als feudaler Standesherr eingesetzt und konnte sich viele dieser Sonderrechte wieder anmaßen. Allerdings wurde das Land dem Königreich Hannover zugeordnet. Bis heute gehört dem Haus Arenberg im Emsland viel Land, das in eine gemeinnützige Stiftung der Familie eingebracht wurde.
Ein Volksentscheid am 20. Juni 1926 zur entschädigungslosen Enteignung der Fürsten wurde nicht umgesetzt. Der Volksentscheid wurde von der KPD initiiert und von der SPD, dem Zentrum und liberalen Parteien unterstützt und erreichte mit 14,5 Millionen Ja-Stimmen zu 0,59 Millionen Nein-Stimmen die Mehrheit. Das Abstimmungsergebnis wurde nach einer verfassungsrechtlichen Neuinterpretation von Reichspräsident Hindenburg für nicht ausreichend erklärt. Zuvor sorgten Boykottaufrufe der katholischen Kirche, der NSDAP und der Adeligenverbände sowie der wirtschaftliche Druck der ostelbischen Junker gegen ihre abhängig Beschäftigten dafür, dass viele der Abstimmung fernblieben.
Fritz Reuter hat 50 Jahre nach der „Franzosentied“ einen plattdeutschen Roman über die Franzosen im Mecklenburg geschrieben, der im Gutenberg-Projekt kostenfrei online gelesen werden kann. [jdm/ Verwendete Quelle: Samtgemeinde Dörpen – Ein Raum mit Geschichte von Anton und Bernd Busemann/Karte: Freie Lizenz Wikipedia]