Umweltausschuss des Landkreises tagte zum Thema Atommülllagerung
Der Umweltausschuss des emsländischen Kreistags befasste sich am Dienstag auf seiner Sitzung mit der Suche nach einem Endlager für den Atommüll. Er hatte dazu als Referenten den Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), Steffen Kanitz, und Dr. Saleem Chaudry vom Ökoinstitut Darmstadt eingeladen.
In seinem Vortrag stellte Kanitz voran, dass derzeit noch keine Fakten geschaffen worden seien. Das Endlagersuchgesetz habe der Suche nach einem Platz für die Entsorgung hochradioaktiver Abfallstoffe einen Neustart gegeben, der mit einer weißen Landkarte von Deutschland begonnen habe. Die Prinzipien dieser Suche seien: Es müsse ein Platz innerhalb Deutschlands gefunden werden. Es sollte ein tiefengeologischer Lagerplatz sein, in dem der Müll bis 1 Mio. Jahre sicher gelagert werden könne. Während der anfänglichen Betriebszeit müsse der Müll rückholbar, danach noch für 500 Jahre bergbar sein. Die Suche verlaufe wissenschaftsbasiert, transparent und in einem lernenden Verfahren.
Im ersten Schritt der ersten Phase, in der man sich gerade befinde, sollten vorhandene Daten ausgewertet werden, um grundsätzlich geeignete Teilgebiete zu ermitteln. Im zweiten Schritt würde der geologische Blick um einen technischen Blick erweitert. In Phase 2 gebe es die übertägige Erkundung einer ausgewählten Anzahl von möglichen Standorten. In Phase 3 beginne die untertägige Erkundung einer weiter eingegrenzten Anzahl. Danach sollen zwei Erkundungsbergwerke helfen, den endgültigen Standort zu ermitteln.
Man habe auf der weißen Landkarte zunächst die nicht geeigneten Gebiete identifiziert, in denen das Gestein durch Bergbau, durch aktive Störungszonen, durch Beben, durch Gelände-Hebungen oder –Senkungen, durch junges Grundwasser oder Vulkanismus gestört ist. Danach seien die Gebiete identifiziert worden, die die Mindestanforderungen nicht erfüllten, z. B. eine geringe Gebirgsdurchlässigkeit, eine Tiefe von mindestens 300 m unter der Geländeoberfläche, eine Mindestausdehnung des Gesteins usw. Insgesamt seien 11 Kriterien zur Anwendung gekommen.
Danach seien dann 54% der Fläche in unserem Land als grundsätzlich geeignet erschienen. Im Landkreis Emsland sind es 10 Teilgebiete. Am bekanntesten und räumlich klar abgegrenzt gibt es die drei Salzstöcke bei Lathen (028), Börger (030) und Wahn (024). Daneben werden noch vier Teilgebiete mit Tongestein (004, 005, 006, 007) und drei Teilgebiete mit Steinsalz in flacher Lagerung (076, 077, 078) benannt.
Dr. Saleem Chaudry wurde vom Landkreis Emsland beauftragt, die Verantwortlichen zu beraten. Denn, wie Kreisbaurat Dirk Kopmeyer sich ausdrückte, der Landkreis sei bei allem was oberhalb des Geländes stattfinde „sprechfähig“, habe aber keine geologische Expertise. Chaudry hatte sich jetzt nur das Suchverfahren in Bezug auf die drei Salzstöcke angeschaut. Die Ton- und Flachsalzgebiete seien zu groß, um hier etwas Substantielles sagen zu können. Wenn detailliertere Berichte der BGE zu den anderen Gebieten vorlägen, könne Dr. Chaudry auch diese Teilgebiete in seinen Prüfungsauftrag mit aufnehmen. Chaudrys Aufgabe sei nicht, mit eigenen Forschungen in Konkurrenz zur BGE zu treten. Das sei nicht möglich. Seine Aufgabe sei lediglich die Berichte der BGE auf ihre Konsistenz zu prüfen.
Wer die Teilgebietsberichte lese, müsse feststellen, dass die BGE bei allen Teilgebieten bei 8 der Kriterien identische Aussagen treffe und nur bei 3 Kriterien unterschiedliche Bewertungen vornehme, die aber zum großen Teil nur auf Referenzwerten beruhten und nicht auf echten bekannten Daten. Die Bewertungen der drei Salzstöcke seien sehr pauschal. Es gebe nur die folgenden Daten: Salzstock Lathen und Salstock Börger besäßen oberhalb des Salzstocks aktive Störungszonen, beim Salzstock Wahn wird dies nicht erwähnt. Es gebe vier Bohrungen bei Salzstock Lathen, drei beim Salzstock Börger und elf beim Salzstock Wahn.
Die Bohrdaten seien öffentlich zugänglich, außer bei drei Einzelbohrungen mit den Kennzeichnungen Wahn 10, Wahn 11 und Wahn 102. Dass die Firmen diese Daten nicht zur Veröffentlichung freigegeben hätten, könnte auf Bodenschätze hindeuten, was wiederum eine Nutzungskonkurrenz anzeigen könnte. Da die Dateneinsicht über das nationale Begleitgremium sehr eingeschränkt ist, wäre zu fragen, in welcher Form die BGE diese Daten dem Landkreis zugänglich machen könne.
Eine Frage wäre auch, warum die Scheitelstörung über dem Salzstock Wahn (aktive Störungszone) nicht berücksichtigt worden sei, bei den beiden anderen Salzstöcken aber wohl. Bei den Scheitelstörungen handelt es sich um Risse im Gestein über dem Salzstock, die entstanden sind, als der Salzstock in einem Millionen Jahre dauernden Prozess aufgestiegen ist und dabei das darüber liegende Gebirge gespalten hat. Die BGE geht davon aus, dass diese Spalten und Risse kein Problem darstellen, weil das Salz in gewisser Weise plastisch sei, und der Salzstock in sich geschlossen bleibe. Es gebe aber auch Hinweise, dass diese Entkopplung von Gestein und Salzstock nicht immer gegeben sei. Die unterschiedliche Beschreibung der drei Salzstöcke sei jedenfalls seltsam, weil alle drei hier eigentlich identisch seien.
Ein Salzstock bei Viesen, der sehr gut mit dem Salzstock Lathen vergleichbar sei und bei zwei Punkten sogar schlechter abschneide, sei als ungeeignet ausgeschlossen worden, Lathen nicht, was möglicherweise daran liege, dass Viesen etwas schmaler sei. Aber nachvollziehbar sei diese Entscheidung nicht.
Es sei zu fragen, welche standortspezifischen Informationen zusätzlich noch verwendet würden. Und wie könne der Landkreis mit Informationen zur Entscheidungsfindung beitragen.
In der Diskussion im Ausschuss beantragte der Grünen-Kreistagsabgeordnete Carsten Keetz, der Landkreis möge vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) verlangen, die Phase 1 um 1 Jahr zu verlängern, weil wegen der Pandemie eine transparente öffentliche Diskussion nicht möglich sei. Dr. Chaudry verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass das BASE derzeit im Gegenteil den im Gesetz vorgesehen Zeitraum noch um drei Monate verkürzt habe. Der Antrag wurde daraufhin ergänzt um die Forderung, diesen Zeitraum zumindest voll auszuschöpfen und er erhielt die Zustimmung aller Fraktionen.
Am Abend tagte in einer Online-Konferenz ein vom Kreistag beschlossenes Begleitforum, bei der ca. 50 Interessierten der Sachstand vermittelt wurde. Angesichts der beschränkten Diskussionsmöglichkeit blieb es bei einer reinen Informationsweitergabe. Kopmeyer stellte in Aussicht, den Teilnehmerkreis erneut zusammen zu rufen, wenn nach der nächsten Teilgebietskonferenz neue Erkenntnisse vorhanden seien. [jdm]