Wicks: Ich würde mein Leben nicht wegen des Wolfes einschränken
Der Mensch gehört nicht zum Beuteschema des Wolfes. Wir müssen keine Angst vor ihm haben, aber wir müssen dem Wolf beibringen, dass Menschen seine Feinde sind. Das waren die zentralen Aussagen von Wolfsberater Björn Wicks bei seinem kleinen Vortrag vor den Jugendbetreuern des SV Wippingen.
Die ZuhörerInnen waren vor allem an praktischen Tipps interessiert, wie man sich bei einer Wolfsbegegnung verhalten sollte und wie man seine Kinder schützen kann. In den letzten Tagen hat es vermehrt Wolfssichtungen auf dem Harpel direkt neben der Straße zwischen Kiefernweg und Auf der Heide gegeben. Für Wicks war klar: Ich würde mein Leben wegen eines Wolfes nicht einschränken. Seit 2001 sei der Wolf nach Deutschland wieder eingewandert und es sei noch kein Kind angegriffen worden. Abgesehen von Rissen an Nutztieren hätten Wölfe auch keine Hunde angegriffen, außer in einigen Fällen, wo die Wölfe nachweislich krank gewesen seien.
Auch der bekannte Problemwolf Kurti in der Lüneburger Heide habe niemanden angegriffen, aber er hatte die Scheu vor den Menschen verloren. Vermutlich hatten ihn Arbeiter auf dem Truppenübungsplatz angefüttert. Deshalb musste dieser Wolf vorsorglich entnommen, also erschossen, werden.
„Ich hätte keine Angst, meine Kinder zu zweit mit dem Fahrrad von Renkenberge nach Wippingen fahren zu lassen. Ich würde sie allerdings nicht allein in den Wald schicken. Ich würde auch weiterhin im Wald joggen, aber ohne Kopfhörer, damit ich weiß, was hinter mir passiert.“
Bei Wolfsbegegnungen sollte man alles tun, um dem Wolf Angst zu machen. Still sein, Fotos machen und den Wolf wieder verschwinden lassen, sei zwar nicht schlimm. Aber der Wolf lerne durch solche Begegnungen, dass der Mensch keine Gefahr darstelle. Das müsse verhindert werden. Also gelte es, laut zu rufen, in die Hände zu klatschen, mit einer Trillerpfeife oder Fußballtröte Lärm zu machen und mit Gegenständen (Steinen, Stöcken) zu werfen. Auch der Tipp, sich mit dem Regenschirm- sofern er zu Hand ist – groß zu machen, sei richtig und keineswegs lächerlich. Den Wolf erschrecke das, und er lerne, dass der Mensch Stress, Ärger und Gefahr bedeute. Wölfe hätten sich zwar an Autolärm und ähnliches gewöhnt, könnten aber sehr wohl von den Schreien und dem Lärm erschreckt werden. Sie seien nicht dumm und könnten das unterscheiden. Die Väter rief Wicks auf, den Kindern beizubringen, wie man mit einer Zwille umgehe. Es spreche nichts dagegen, mit einer solchen Schleuder auf den Wolf zu schießen und ihn zu treffen. Den Einwand, dass der Wolf dann gereizt werde und angreife, konterte Wicks: „Warum sollte er. Er will doch nur weg aus der Gefahr.“ Was man nicht machen sollte, sei Weglaufen. Im Gegenteil, man solle einige Schritte auf den Wolf zugehen.
Es gebe auch einige Regeln außerhalb von Wolfsbegegnungen, die man lernen sollte. Wölfe dürften niemals gefüttert werden. Man habe einen Mann, der im Schießgebiet die Wölfe angefüttert habe, um mit seinen Wildkameras gute Fotos für Facebook und Instagram zu machen, angezeigt. Wölfe verlören dadurch die Scheu vor dem Menschen und es würden mögliche gefährliche Situationen erst geschaffen werden. Bauern müssten auch lernen, dass ein totes Ferkel auf keinen Fall mehr auf den Misthaufen gehöre, wie das früher üblich war. Wolfsunterstützerkreise, deren Tierliebe fehlgeleitet sei, ließen auch mal Makrelenköpfe hinterm Zaun liegen, um Wölfe beobachten zu können. Das sei kriminell. Und Weidetiere müssten heutzutage durch Zäune, die auch einen wolfsabweisenden Grundschutz darstellten, geschützt werden. Ohne diese Zäune sei eine Weidehaltung kaum mehr möglich. In Gebieten mit einer Wolfspopulation gebe es dafür auch Zuschüsse.
Johannes Kuper vom SVW-Vorstand hatte die Initiative zu diesem Termin ergriffen, um den verunsicherten BetreuerInnen und mit ihnen den Eltern Tipps zum Umgang mit der Situation zu geben. Wolfsberater Wicks, der diese ehrenamtliche Aufgabe übernommen hat, weil er als Förster der Bundesliegenschaften auch fürs dortige Wolfsmonitoring zuständig ist, berichtete eingangs, dass der Wolf durch internationale Naturschutzbestimmungen, wie dem Washingtoner Artenschutzabkommen oder durch die EU-FFH-Richtlinie geschützt sei. Der Anhang IV der FFH-Richtlinie verpflichtet Deutschland dazu, ein Wolfsmonitoring durchzuführen.
Zurzeit gibt es jedes Jahr 28% mehr Wölfe; der Bestand verdoppelt sich somit alle drei Jahre. Im Emsland gibt es vier Rudel (Meppen, Werlte, Nordhorn, Herzlake). Aber in einem Gebiet, in dem es ein Rudel gebe, siedele sich kein zweites Rudel an, sondern die neuen Wölfe wanderten aus: in die Niederlande, nach Dänemark, nach Süddeutschland. Es gebe noch große Gebiete, wo der Wolf noch Platz habe.
Im Frühjahr gebe es immer vermehrt Wolfssichtungen, weil die Jungwölfe des Vorjahres sich von ihrem Rudel loslösten und sich ein neues Territorium suchten. Wölfe seien eigentlich Jäger von Schalenwild (Rehe, Damhirsche, Sauen), von dem es im Emsland reichlich gebe. Aber als Opportunisten nähmen sie auch eine leichte Beute mit, wenn es sich ergebe (Schafe, eine alte Kuh, Nutria).
Ein Rudel bestehe aus den Elterntieren, den Welpen des aktuellen Jahres und einigen Übriggebliebenen aus dem Vorjahr, die den Absprung noch nicht geschafft hätten. Diese würden auch in die Aufzucht der Welpen eingebunden. Die Welpen halten sich meist an einem Platz, dem Rendezvous-Platz, auf und werden dort vielleicht von einem Onkel, einer Tante, betreut, während die Elterntiere unterwegs sind, um Beute anzuschleppen.
Wölfe seien geschützt. Aber Wölfe, die ein Problem darstellten, könnten sehr wohl entnommen werden. Ein Problem sei es, wenn Wölfe Nahkontakte mit Menschen suchten. „Der Wolf, der Männchen am Gartenzaun macht, muss entnommen werden“. Auch bei auffällig vielen Nutztierrissen könne es zum Abschuss des Wolfes kommen.
Die Wölfe als Wildtiere seien natürlich nicht gechipt und seien auch nicht einzeln bekannt. Durch die Speichelproben bei Rissen oder durch die Untersuchung von frischer Losung kenne man das DNA-Profil von einzelnen Wölfen, aber man könne diese nicht einem einzelnen Wolf zuordnen. Bei Entnahmen könne es zum Beispiel passieren, dass mehrere Wölfe abgeschossen würden, bis eine DNA-Probe ergebe, dass man jetzt den richtigen getroffen habe. Entnahmen müssen vom Landkreis beantragt werden und dann von den oberen Naturschutzbehörden, also dem Ministerium, genehmigt werden.
Damit über Probleme sachgerecht entschieden werden könne, müssten auch Daten über die Wölfe und ihren Aufenthalt vorhanden sein. Wicks rief dazu auf, jede Wolfsbegegnung zu melden. Auf der Seite Wolfsmonitoring könne man auch eine APP für das Handy finden, um schnell auch möglicherweise vorhandene Fotos zu schicken. Er rief allerdings auch zur Ehrlichkeit auf. Er bekomme schon seit Jahren immer wieder bekannte Videos mit Wölfen neu zugeschickt als angeblich aktuelle Aufnahmen aus der näheren Umgebung.
Wicks rechnet nicht damit, dass der Wolf eines Tages dem Jagdrecht unterstellt wird, aber es werde vermutlich ab einer gewissen Populationsgröße ein Kontingent für den Abschuss von Wölfen festgelegt werden. Er habe gerade auch jetzt im Zusammenhang mit dem Kuhriss in Wippingen viel Kontakt mit dem niedersächsischen Umweltministerium gehabt und er habe den Eindruck, dass sich der Minister Lies dieses Problem sehr zu Herzen nehme und sich kümmere.
Weitere Informationen zum Thema Wolf bietet das Wolfsbüro des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz.[jdm]