Schon den britischen Kolonialisten ging es angeblich um „moralische Werte“
Die koloniale Besetzung des Königreichs Benin durch britische Truppen im Februar 1897 markierte das Ende eines der mächtigsten westafrikanischen Königreiche. Eine der Folgen war die weltweite Verstreuung von tausenden Kunstwerken aus Bronze, Elfenbein und Holz, die aus dem königlichen Palast geraubt wurden. Die Bronze-Reliefs waren von hoher Qualität. Für die Beniner waren diese Bronzen gleichzeitig religiöse Objekte und ihr Geschichtsbuch, denn eine Schrift kannte das Land nicht.
In Anbetracht ihrer geplanten Rückgabe an Nigeria, auf dessen Territorium sich das Königreich Benin befand, wird die Benin-Sammlung des Hamburger Museums MARKK nun in ihrer Gesamtheit in einer Ausstellung gezeigt. Die Schau vermittelt neben Informationen zum britischen Kolonialkrieg und zur aktuellen Restitutionsdebatte verschiedene Perspektiven auf die ursprüngliche Bedeutung der Objekte, ihre herausragende künstlerische Qualität und ihren Stellenwert in der afrikanischen Kunst- und Kulturgeschichte.
Das Königreich Benin existierte seit ungefähr 600 nach Christus. Es war eine Hochkultur vergleichbar mit denen der Inka, der Ägypter oder Römer. Wie in diesen Staaten oder auch bei den Tibetern handelte es sich um eine Adelsherrschaft, bei der dem König (Oba) auch religiöse Macht zugeschrieben wurde. Die Macht des Herrschers war umfassend, aber gewählt wurde der Herrscher von dem adeligen Rat der Königsmacher, vergleichbar den Kurfürsten im deutschen „Heiligen Römischen Reich“.
Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts handelte das Königreich Benin nicht nur mit seinen Edelhölzern, sondern verkaufte Sklaven an die Europäer. Dieser Handel blühte bis Mitte des 19. Jahrhunderts, als nach den Portugiesen auch die Briten den Sklavenhandel verboten. Großbritannien war durch 250 Jahre Sklavenhandel reich geworden. Jetzt mit Beginn der Industrialisierung brauchte es keine Sklaven mehr, weil die Arbeiter für den Einsatz in der Industrie billiger zu haben waren. Aber die anderen Schätze der Länder der Welt lockten doch noch. Plötzlich wurden die britischen Sklavenhändler zu den Guten, die überall in der Welt gegen Sklaverei kämpften. Wikipedia schreibt: „Im britischen Geschichtsbewusstsein spielt die Abolition lange Zeit eine deutlich größere Rolle als die Tatsache, dass das Land jahrzehntelang gut an Sklaverei und Sklavenhandel verdient hatte. Der Historiker aus Trinidad und Tobago Eric Eustace Williams spottete 1966: „Die britischen Historiker schrieben beinahe, als ob Großbritannien die Negersklaverei eingeführt hätte, um nachher die Befriedigung haben zu können, sie wieder abzuschaffen.“
Das Britische Empire nutzte die Abschaffung der Sklaverei als Vorwand für Kolonialkriege gegen sklavenhaltende Königreiche am Golf von Guinea, unter anderem auch gegen das Königreich Benin in den 1890er-Jahren. Ein zentrales Ziel war die Kontrolle des Handels und der Handelswege. Auf Druck der Briten unterzeichnete Oba Ovonramwen 1892 einen Freihandelsvertrag mit den Briten. Freihandelsverträge sind auch heute noch ein probates Mittel zur Ausbeutung schwächerer Staaten. Als Oba Ovonramwen den Handelsvertrag praktisch ignorierte, schickten die Briten 1897 nach einem Scharmützel mit Benin-Kriegern 1200 Soldaten zu einer Strafexpedition. Benin wurde von den Briten erobert, ihre Hauptstadt zerstört und die Kunstwerke wurden geraubt.
Die Briten hatten somit zum Zweck der kolonialistischen Ausbeutung schon die Methode erfunden, die heute den „Werte-Westen“ kennzeichnet. Westeuropa und die NATO sind angeblich nie an Krieg und wirtschaftlicher Macht interessiert; rund um den Globus sind die USA und Westeuropa damit beschäftigt, die Demokratie, die Frauenrechte und Minderheitenrechte zu verteidigen. Was kann der Westen dafür, dass das immer zu irgendeinem Krieg in Asien, Afrika oder Südamerika führt. Der gute „Wertewesten“ hat es eben schwer. [jdm/Foto Wikipedia/MARRK]