Elsebrook, eine alte Flurbezeichnung in Wippingen
Die schnurgerade Wippinger Straße Elsebrook wirkt heute etwas langweilig trotz des Baumbestandes. Der Name der Straße erinnert an den Flurnamen des früher wunderschönen Gebiets an der Wippinger Dever, die hier plattdeutsch als Beeke oder eigentlich als Bäke bezeichnet wird.
Else ist der plattdeutsche Name für die Schwarzerle. Ein Brook ist ein Bruch, was wiederum eine Bezeichnung für ein feuchtes Sumpf- oder Moorgebiet ist. Der Elsebrook war also ein Schwarzerlenbruchwald. Entlang des Naturbaches Dever (in Wippingen Bäke genannt) gab es ein Gebiet von sehr feuchten Wiesen und Ödland, auf dem vor allem Schwarzerlen wuchsen. Dieser Bruchwald war von den Wippinger Bauern so weit wie möglich entwässert worden, um die Flächen zumindest als Weide für die Kühe nutzen zu können.
Die Entwässerung bestand nur aus einfachen Gräben, die etwas Wasser in die Dever ableiteten. Aber bei dem hohen Grundwasserstand war dies nur mäßig erfolgreich. Im Frühjahr oder nach einer Regenperiode standen die Wiesen zum Teil knietief unter Wasser.
Am Elsebrook stehen im östlichen Teil (Richtung Hähnchenstall) in den Seitengräben immer noch vor allem Erlen. Denn die Erle mag Wasser. Die heutige Straße wurde nach der Flurbereinigung am Messtisch projektiert ohne dabei alte Wegführungen zu berücksichtigen. Nur die Zuwegung zum Gehöft Freese musste berücksichtigt werden.
Vor der Flurbereinigung ging bei Frericks/Schoolbrink eine mit rotem Klinker gepflasterte Straße links an dem Altbau Deters/Raiffeisen vorbei bis Freese. Dort endete die Pflasterung und ein Sandweg führte weiter Richtung Dever/Beeke. Rechts und links des Weges gab es ausschließlich Pferde- und Rinderweiden. Entlang des Weges führten Gräben, deren Böschungen mit Erlen, Weiden und Brombeerbüschen bestanden waren.
Etwa 20 Meter vor der Beeke verzweigte der Weg. Links ging ein Sandweg an Tieben vorbei zum damaligen Schmied Klaas. Rechts verlief der Weg parallel zur Beeke. Nach 120 m führte eine Holzbrücke über die Beeke. Bei der Holzbrücke gab es eine Abzweigung nach rechts. Dieser Weg führte als Sackweg zu einigen anliegenden Weiden. Die Weiden waren mit immer wieder geflicktem Stacheldraht an einfachen Holzpfählen eingezäunt. Selbst erstellte primitive Pforten oder Balken dienten als Absperrung des Zugangs zu den Weiden. Zwischen den Weiden standen Baumreihen mit Eichen oder eben mit Erlen. Große Brombeerbüsche säumten die Wege. Manche Weidegrenzen waren kleine Wälle; an anderen tieferen Stellen gab es die oben erwähnten Gräben.
Die Beeke war ein Naturbach, der durch die Landschaft mäanderte und das Wasser aus den südöstlich gelegenen Moorgebieten transportierte. Der Fluß hatte eine gute Strömung; der Boden bestand aus weißem Sand, der durch das eisenhaltige Moorwasser rostbraun gefärbt war. Kurz vor der Holzbrücke, die sich in den 1960er Jahren als ortsnahe Brücke in relativ gutem Zustand befand, gab es eine Tränkestelle, die von den Kindern als „Badestrand“ wahrgenommen wurde. Wurden die Kühe am Abend von der Weide zum Melken nach Hause getrieben, machten sie einen Abstecher in die Beeke, um ihren Durst zu stillen. Danach trotteten sie dann brav weiter zu ihrem Melkstand. Ein Problem gab es im Frühjahr und im Herbst, wenn die Jungrinder zur Sommerweide ins Moor getrieben wurden. Diese Tiere waren deutlich temperamentvoller. Um sie zu lenken wurde die ganze Familie eingespannt, damit kein Tier ausbüxte. An der Tränke war es schwierig, an allen Seiten einen Treiber zu haben. Manchmal fand ein Tier es in der Beeke so schön, dass es in dem seichten Wasser einfach weiter ging, anstatt auf den Weg zurückzukehren.
Die Kinder nutzten die Tränke, um dort völlig gefahrlos baden zu können. Schwimmen lernen konnte man dort allerdings nicht; dazu war das Wasser zu seicht. Ältere Kinder und Jugendliche angelten an der Beeke erfolgreich. An schmaleren Stellen wurde immer wieder in mühevoller Arbeit der Bach aufgestaut, um aus dem trocken gelegten Schlamm die Aale herauszuziehen und die Fische im Restwasser einzusammeln.
Hinter der Brücke führte der Weg an der Beeke entlang Richtung Moor (Fleierei), wo die vielen Schlöte (Gräben), die von den Bauern instand gehalten wurden (schlöten genannt), das Moor geringfügig entwässerten.
Es gibt die Internetseite www.susudata.de, auf der Historische Messtischkarten angezeigt werden. Für Wippingen wird eine Karte von 1939 verwendet. Das Schöne an dieser Seite ist, dass mit einem Schieberegler eine aktuelle Straßenkarte von Openstreetmap auf diese Karte gelegt werden kann. Durch Hin- und Herschieben des Schiebereglers können Sie so heutige Orientierungspunkte finden, um zu sehen, wie die Landschaft früher aussah. Wenn Sie also in Openstreetmap Ihr Haus im Wohngebiet gefunden haben, betätigen Sie den Schieberegler und Sie finden heraus, was früher an dieser Stelle los war.
Es gibt auch noch ein erhaltenes Teilstück der ursprünglichen Dever, allerdings ohne Wasser. Dieses Teilstück bildet heute einen Windschutzstreifen direkt am Gehöft von Bernhard Klaas an der Neudörpener Straße. Das ehemalige Bachbett ist kaum bewachsen; anscheinend ist der heute trockene Bachgrund kein besonders nährstoffreicher Boden. An seinen Ufern stehen die großen Bäume wie sie auch vor 50 Jahren am Bach standen. Durch die Entwässerungsmaßnahmen von 1976 bis 1993 im Rahmen der Flurbereinigung in Wippingen wurde der Grundwasserspiegel sehr stark gesenkt. Wenn Sie heute im ehemaligen Bachbett spazieren gehen, bekommen Sie eine Ahnung, wie die Landschaft vor den Entwässerungsmaßnahmen beschaffen war. Und weil sie sich nur etwa 1,5 Meter tiefer als die umliegenden Äcker bewegen, kann man fast spüren, wie stark der Wasserstand nach der Entwässerung gesunken ist. Der flüchtige Gedanke, das ehemalige Bachbett einfach wieder zu fluten, um den ehemals schönen Fluss wieder herzustellen, muss wegen des gesunkenen Grundwasserstandes unerfüllt bleiben.
Aus heutiger Sicht wäre die damalige Moorlandschaft ein touristisches Zielgebiet ersten Ranges. Und die feuchten Moorgebiete wären als CO2-Speicher ein echter Schatz. Aber vor 50 Jahren galten für die Landwirtschaft, deren Bedeutung für die hiesige Wirtschaft erheblich größer war, andere Maßstäbe. Die Erwachsenen der 1970er Jahre erinnerten sich an ihre Kindheit, wo immer „alles nass war“ und man über Umwege und in Stiefeln – sofern vorhanden- zur Schule gehen musste. Und als in den 1980ern der Sohn, der vom Studium kommend das Wochenende zu Hause verbringt, gegenüber dem Vater und Bauern die eintönige ausgeräumte Landschaft beklagt, hört er den Vater sagen; „Ach watt, alle moi schier, alle moi schier!“. Auch die ästhetische Empfindung wird durch die wirtschaftlichen Zwänge und Hoffnungen gebildet. Oder einfacher: Über Geschmack lässt sich nicht streiten. [jdm/www.susudata.de]