Ärzte und Hebammen: Vorschläge der Regierungskommission verbessern Pädiatrie und Geburtshilfe nicht
Die Bundesregierung hatte eine Kommission eingesetzt, die Vorschläge zur Finanzierung von Pädiatrie (Kinderheilkunde) und Geburtshilfe erarbeiten sollte. Die SPD hatte im Wahlkampf versprochen, das Fallpauschalsystem in diesen beiden Krankenhausbereichen abzuschaffen. Um dieses Versprechen angesichts des Widerstandes von FDP und Grünen erstmal auf die lange Bank zu schieben, wurde die Kommission beauftragt.
Hintergrund des Versprechens und des Nachdenkens über eine Verbesserung der Krankenhausversorgung im Kinderbereich ist die immer desolatere Lage. Der am 8. Juli beschlossene Kommissionsbericht stellt bei der Beschreibung der Ausgangslage diese negative Entwicklung fest. 1991 gab es noch 440 Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin mit 31708 Betten. Diese Zahl sank bis 2020 auf 334 Abteilungen mit nur noch 17959 Betten. Die Zahl der zu Behandelnden und der Neugeborenen stieg dagegen an. Diese Standortkonzentration liegt deutlich über der Konzentration im Erwachsenenbereich, d. h. es mussten bei manchen Aufnahmen von Kindern bis zu 20 Kliniken angefragt werden, um einen Behandlungsplatz zu bekommen.
Mit dem Fallpauschalsystem bekommen die Krankenhäuser nur pro behandeltem Kind eine je nach Krankheit unterschiedliche Pauschale. Das führt laut Kommissionsbericht zum Fehl-Anreiz, dass pro Bett möglichst viele Kinder durchgeschleust wurden, damit das Krankenhaus keine Verluste machte. Außerdem musste mit möglichst wenig und schlecht ausgebildetem Personal gearbeitet werden, damit sich die Pauschalen auch noch rechnen. Der Behandlungsqualität diente das nicht.
Gerade in der Kinderheilkunde und bei der Geburtshilfe sind die „Fälle“ sehr individuell gestaltet, es besteht ein großer Gesprächs- und Betreuungsbedarf bei den Kindern, Eltern und werdenden Müttern. Meist handelt es sich um Notfälle. Es müssen also die Behandlungskapazität und die Betten vorgehalten werden, obwohl es auch zeitweise zu Leerstand kommen kann. Wirtschaftlich ist das mit dem Fallpauschalensystem nicht machbar.
Die Kommission hat sich in ihren Empfehlungen aber nicht für die Abschaffung der Fallpauschalen ausgesprochen, sondern nur für kurzfristige zusätzliche Gelder, die unabhängig davon gezahlt werden sollen. Ein Vorschlag sieht vor, dass das Geld nach Regionalbudgets verteilt werden soll, bei denen entscheidend ist, wie groß die zu versorgende Bevölkerung ist. Hier wird nach Meinung des Bündnisses „Krankenhaus statt Fabrik“ ein neuer Fehlanreiz geschaffen. Denn dann machen Krankenhäuser finanziell den besten Schnitt, wenn sie möglichst viele PatientInnen ablehnen und an andere Krankenhäuser verweisen. Die Einführung solcher Regionalbudgets wird derzeit von den neoliberalen Think-Tanks propagiert.
Die beste Finanzierung bestünde darin, die tatsächlichen Kosten dieser Krankenhausabteilungen zu übernehmen, wie das früher in Deutschland und auch in Großbritannien der Fall war und heute noch in Südkorea der Fall ist. Aber eine solche direkte Finanzierung des Bedarfs entspricht nicht der neoliberalen Logik, die auch die Gesundheitsversorgung als einen nach dem Profitprinzip funktionierenden Wirtschaftsbereich sieht.
In einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der vom Deutschen Hebammenverband und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe initiiert wurde und von sieben weiteren Fachverbänden mitgezeichnet ist, wird die Kritik an den Empfehlungen der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung zur künftigen Finanzierung der Geburtshilfe bekräftigt. [jdm]