China, Macron und die Angst vor der eigenen Courage
Nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Iran Dank der Vermittlung Chinas scheint sich damit auch eine Chance für den Jemen auf Frieden zu eröffnen. Im Jemen soll am Donnerstag ein Austausch von 900 Gefangenen zwischen der von Saudi-Arabien unterstützten Regierung und den Ansarollah (Huthi) beginnen.
Der mörderische Krieg, den Saudi-Arabien, mit Unterstützung Kuwaits, Ägyptens und weiterer Staaten gegen den Iran als Unterstützer der Huthi im Sinne eines Stellvertreterkrieges führen, wird schon jahrelang durch die Waffenlieferungen des wertegeleiteten Westens, also den USA und Deutschland, gefüttert. Deutschland liefert Waffen an Saudi-Arabien, Kuwait und Ägypten und ist damit mitverantwortlich für eine der größten humanitären Katastrophen der Gegenwart.
Dass China hier den Weg zum Frieden ebnete ist nicht zufällig. Chinas Einfluss ist weltweit gestiegen. Dies liegt nicht nur an Chinas Handeln allein; viele Staaten der Welt sehen in Beziehungen zu China eine Chance, den wirtschaftlichen und politischen Erpressungen der USA zu entkommen.
Wenn China im Ukrainekonflikt durch Vermittlungsaktivitäten tatsächlich ein Ende des Krieges oder zumindest einen Waffenstillstand bewirken würde, stünde den Regierungen der USA und Deutschlands der Angstschweiß auf der Stirn, dass die bisherige Vormachtstellung des Westens in der Welt weiter angekratzt werden könnte. Die in den USA geleakten Geheimpapiere, die Whistleblower veröffentlicht haben, beweisen, dass die USA im Ukrainekonflikt keineswegs nur die Unterstützer eines angegriffenen Landes sind, sondern eine in alle militärischen Aktionen einbezogene Kriegspartei – nur dass sie ihre Befehle von ukrainischem Personal ausführen lässt.
Auf dem Rückflug von seinem Besuch in China äußerte der französische Präsident in einem Interview mit der Zeitung Politico: „Das Paradoxe wäre, dass wir vor lauter Panik glauben, wir seien nur die Gefolgsleute Amerikas. Die Frage, die sich die Europäer stellen müssen, lautet: Ist es in unserem Interesse, [eine Krise] auf Taiwan zu beschleunigen? Nein. Das Schlimmste wäre, zu denken, dass wir Europäer bei diesem Thema zu Mitläufern werden und uns von der US-Agenda und einer chinesischen Überreaktion leiten lassen müssen“.
Macron wies auch darauf hin, dass Europa seine Abhängigkeit von den USA bei Waffen und Energie erhöht habe und sich nun auf die Förderung der europäischen Verteidigungsindustrie konzentrieren müsse. Er schlug außerdem vor, Europa solle seine Abhängigkeit von der „Extraterritorialität des US-Dollars“ verringern, ein wichtiges politisches Ziel sowohl Moskaus als auch Pekings.
In seiner Rede in Den Haag stellte Macron die Souveränität in den Mittelpunkt. Ohne Wettbewerbsfähigkeit und eine europäische Integration sei keine Industriepolitik möglich. Sie sei aber Voraussetzung für eine Klimaneutralität, eine eigene Chipindustrie. Es gelte die Abhängigkeit zu verringern. Macron hat also in Frage gestellt, dass Europa und die „Verbündeten“ weiter die endlosen Kriege der USA finanzieren müssen und ihre eigene Wirtschaftskraft dem opfern.
Das verzeihen ihm die Transatlantiker in Deutschland nicht. Die deutschen Politiker und die gesamte deutsche Presse stürzt sich auf Macron. Von allen guten Geistern verlassen, sei er. Die NOZ hält seine Aussagen für ein verheerendes Signal, weil er die Schwäche Europas offen gelegt habe, was – natürlich – Moskau und Peking helfen könne. Der Westen verträgt also die Wahrheit nicht – es fehlt nicht viel, und die gesamte Presse Deutschlands brandmarkt Macron als Putinversteher.
Vielleicht zeigt sich in dieser Kritik an Macron auch nur die Angst der Nato-Politiker vor den USA. Macron fordert Europa zu mehr Souveränität auf, aber alle wissen, dass Europa sich bereits so abhängig von den USA gemacht hat, dass jede Regung nach Souveränität schon Strafen durch den großen Zuchtmeister USA nach sich ziehen kann. Die Deutschen würden ja gern selbst eine Großmachtrolle spielen, aber weil es noch nicht so weit ist, hält man sich lieber bedeckt und hat Angst vor der eigenen Courage. Und den Franzosen gönnt man diese Rolle sowieso nicht –trotz deren Atomwaffenarsenal. [jdm]