Das Bundeskabinett hat am 25. Mai nicht nur das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz beschlossen, sondern auch ein weiteres Gesetz mit einem ebenso optimistischen, wenn auch nicht so langen Namen: das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG). Hier geht es um die ambulante ärztliche Versorgung.

Auch hier wird etwas Schönes versprochen: die Budgetierung für Hausärzte soll entfallen. Das ist eine schon lange erhobene Forderung. Alle Patienten haben schon erlebt, dass ihr Arzt eine Behandlung oder ein Medikament nicht verschreibt, mit dem Hinweis, sein Budget sei erschöpft. Oder der Hausarzt stellt sich aus unverständlichen Gründen quer, obwohl man weiß, dass diese Therapie notwendig ist. Oder man wird zum Facharzt geschickt, der dann das Rezept ausstellen soll, obwohl die Notwendigkeit z. B. bei chronischen Erkrankungen längst geklärt ist und der Facharztbesuch mit großen Umständen verbunden ist. In diesen Fällen hat die Budgetierung zugeschlagen. Die Arztpraxis hat einen Höchstbetrag an Kosten für Verordnungen zugewiesen bekommen. Wird dieser Betrag überschritten, muss der Arzt den entstandenen „Schaden“ an die Krankenkasse aus eigener Tasche erstatten.

Weil das neue Gesetz kostenneutral sein soll, werden im Gesetz an anderer Stelle Stellschrauben angezogen, um dort die Kosten zu senken. Das passiert z. B. mit der Jahrespauschale, die Arztpraxen bekommen können. Der Patient entscheidet sich für eine Praxis als seine Hausarztpraxis und diese bekommt dafür eine Pauschale gezahlt.

Mit dem neuen Gesetz werden an die Praxen hohe Anforderungen gestellt, die für den Bezug der Jahrespauschale erfüllt sein müssen. Und diese Pauschale wird je Patient nur an eine Praxis gezahlt. Nach Angaben der kassenärztlichen Bundesvereinigung haben aber 35 % aller Patienten mehrere Hausärzte. Nach der neuen Regelung können Praxen somit nicht sicher sein, ob sie ihre Leistungen  auch tatsächlich abrechnen können.

Eine Petition des Facharztes für Diabetologie Dr. Claus-Peter Koenig weist auf ein besonderes Problem für die meisten Patienten in Diabetesschwerpunktpraxen hin. Da die meisten Patienten in Diabetesschwerpunktpraxen von hausärztlich niedergelassenen Diabetologen versorgt werden, würden diese als Rückgrat der Diabetologie und nicht primären Hausarzt des Patienten nicht mehr bezahlt werden. Denn jeder Patient hat nur einen Hausarzt, welcher von den Krankenkassen im Zuge der Jahrespauschale bezahlt wird. Die Versorgung der Patienten werde durch die aktuelle Fassung des GVSG massiv gefährdet. Durch das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz werde die Diabetologie in kleinen Krankenhäusern schon deutlich eingeschränkt, was die ambulante Diabetologie auffangen müsste. Wenn die Schwerpunktpraxen nicht bezahlt würden, seien die Patienten mit der ausgeprägtesten Diabeteserkrankung ohne adäquate Betreuung.

Die Kassenärztliche Vereinigung verweist auch auf das grundsätzliche Problem einer Fehlsteuerung hin. Die geplante jährliche Versorgungspauschale könnte dazu führen, dass Arztpraxen weniger betreuungsintensive Patienten mit chronischen Erkrankungen gegenüber Patienten mit schwereren chronischen Erkrankungen bevorzugen würden, was dem angestrebten Zweck der Regelung einer kontinuierlichen Versorgung der chronisch Erkrankten zuwiderlaufen würde. [jdm]