Nach dem die Deutschen Österreich-Ungarn dazu ermuntert hatten, Serbien anzugreifen und damit den 1. Weltkrieg auszulösen, hielt der deutsche Kaiser Wilhelm II. seine zwei so genannten Balkonreden.

In der ersten am 29. Juli 1914 forderte er die Deutschen zu Geschlossenheit, Opferbereitschaft und Gefolgschaft auf und drohte den Feinden Deutschlands mit dem „Schwert“. Wenn Wilhelm Zwo heute seine Rede halten würde, würde er statt von „Geschlossenheit“ wohl von „Zusammenhalt“ sprechen, wie Olaf Scholz in seiner Neujahrsrede: „“Kraft entsteht aus Zusammenhalt. Und wir sind ein Land, das zusammenhält.“

In der zweiten Balkonrede am 31. Juli 1914 gelobte er pathetisch, er kenne „keine Parteien und auch keine Konfessionen mehr“, stattdessen seien „wir […] heute alle deutsche Brüder und nur noch deutsche Brüder“. Auch hier wird ein „Wir“ beschworen, damit der Verstand ausgehebelt wird und damit alle blindlings mit Hurra zum Militär und in den Krieg, in den Abgrund, rennen.

Einen weiteren Weltkrieg und einen kalten Krieg später, in denen die Deutschen mit dem Spruch „Lieber tot, als rot“ in ihr Verderben gelockt worden waren und erneut gelockt wurden, führte Willy Brandt (SPD) mit seiner Entspannungspolitik eine friedliche Phase herbei, in der es tatsächliche Abrüstungsschritte gab. Sein Motto war „Frieden ist nicht alles. Aber ohne Frieden ist alles nichts!“

Diese Erkenntnis ist mittlerweile vollkommen verloren gegangen. Seine sozialdemokratischen Nachfolger fordern heute die Kriegstüchtigkeit Deutschlands. Sie wollen den Krieg nicht verhindern, sondern sie planen den Krieg. Innenpolitisch war Brandts Politik mit dem Motto „Mehr Demokratie wagen“ verbunden. Die heutige Kriegspolitik ist mit Denkverboten und neuen Berufsverboten verbunden.

Friedrich Merz, der CDU-Kanzlerkandidat, kann Frieden nur noch mit Friedhof assoziieren. Dabei ist es genau umgekehrt: Der Krieg produziert die Toten und die Gräberfelder.

Merz hat mehrfach wiederholt: „Freiheit ist für uns wichtiger als Frieden.“ Auch wenn es nicht jedem CDU-Anhänger klar ist, meint Merz mit Freiheit die Freiheit des Kapitals. Als ehemaliger Blackrock-Manager ist es ihm ein Anliegen, dass die Rendite der Kapitaleigner und Anleger nicht beschränkt wird. Die Freiheit der Gewerkschaften, sich zu betätigen, die Freiheit des Arbeitnehmers durch Mitbestimmung im Betrieb, meint er wohl eher nicht.

Wer glaubt, ohne Frieden habe die Menschheit noch eine Zukunft, hat seine Seele verkauft, hat aus der Geschichte nichts gelernt oder ist dumm. Aber dumm ist Merz wohl nicht. [jdm]