Färöer – Wie eine fast ausgestorbene Sprache zu neuer Blüte kam
Die UNESCO hat 1999 den Gedenktag zur „Förderung sprachlicher und kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit“ ausgerufen. Er wird seit dem Jahr 2000 jährlich am 21. Februar begangen.
Zahlreiche “kleine” Sprachen sind “gefährdet”, d. h. es besteht die Gefahr, dass sie irgendwann von niemandem mehr gesprochen werden und somit „aussterben“. Oft wird davor gewarnt, dass dieses Schicksal unsere plattdeutsche Muttersprache in den nächsten Jahrzehnten ereilen könnte. Die Herausforderung lautet, sich um Wege und Maßnahmen zu bemühen, diesen Niedergang zu stoppen.
In diesem Zusammenhang lohnt sich der Blick auf eine Sprache, die vor zweihundert Jahren kurz vor dem Aussterben war, sich heute jedoch bester Gesundheit erfreut und von der ihre Sprecher in allen Situationen regen Gebrauch machen. Die Färöer sind ein Bestandteil des Königreichs Dänemark mit politischer und kultureller Selbstverwaltung, eine Inselgruppe gelegen im Nordatlantik mittig zwischen Norwegen, Island und Schottland. Die zirka 55.000 Einwohner sprechen Färöisch, eine dem Altnordischen und dem Isländischen sehr nahestehende Sprache.
Über Jahrhunderte verfolgte Dänemark eine sehr restriktive Kultur- und Sprachpolitik in seinen Besitzungen im Nordatlantik. Ziel war es, den ausschließlichen Gebrauch der dänischen Sprache durchzusetzen. In Schule, Kirche und Verwaltung wurde nur Dänisch gesprochen und geschrieben. Wer Färöisch sprach, hatte dadurch Nachteile zu befürchten. Durch diese repressive Politik gab es gegen Ende des 18. Jahrhunderts kaum noch Menschen, die die Sprache regelmäßig im Alltag gebrauchten. Dass die Sprache trotzdem überlebte, liegt an der uralten und sehr umfangreichen Volkskultur der Färinger. Sagen, Geschichten und Balladen wurden, begleitet von Musik und dem typischen Kettentanz, in Versform vorgetragen – auf Färöisch. In diesen gesungenen Geschichten überlebte die Sprache trotz des Umstands, dass im täglichen Leben meist Dänisch gesprochen wurde.
Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts regte sich auf den Färöern, wie auch in Island ein neues Selbstbewusstsein und Stolz auf die eigene Kultur und Sprache. Beide – das damals ebenfalls zu Dänemark gehörige Island und die Färöer – beanspruchten für sich mehr Autonomie auf politischem und kulturellem Gebiet. In beiden „Kolonien“ wurden Schreibregeln für die jeweilige Sprache festgelegt. Insbesondere auf den Färöern wurde die eigene Sprache fast nur noch zu Hause verwendet und die Bevölkerung hatte eine eher wenig selbstbewusste Haltung zu ihrem sprachlich-kulturellen Erbe. Hinzu kam, dass auf jeder der 17 bewohnten Inseln des Archipels ein anderer Dialekt des Färöischen gesprochen wurde, wenn überhaupt.
Der evangelische Pfarrer und Sprachforscher V. U. Hammershaimb hatte einen deutsch-dänischen Vater und eine färöische Mutter. Nach dem frühen Tod des Vaters zog er mit seiner Mutter in die Hauptstadt Tórshavn und wuchs mit Färöisch als Muttersprache auf. Bereits 1846 erstellte er Schreibregeln für seine Muttersprache. Nach seinem Studium in Kopenhagen kehrte er 1855 auf die Inseln zurück, um eine Stelle als Pfarrer anzunehmen. Neben der seelsorgerischen Arbeit stellte er umfangreiche Forschungen an und zeichnete zahlreiche Dialekte des Färöischen auf. Er sichtete alte Quellen und erstellte von 1886 bis 1891 zusammen mit seinem Kollegen, dem Linguisten Jakob Jakobsen, eine umfangreiche „Sprachlehre“ über seine Muttersprache.
Im 20. Jahrhundert wurde dann aus der dereinst stark bedrohten und kaum noch im täglichen Leben verwendeten Sprache eine Muttersprache für derzeit 55.000 Menschen mit klaren Regeln für die Schreibweise und Grammatik.
Bereits in den 1930er Jahren als Unterrichts- und Kirchensprache eingeführt, wurde das Färöische 1948 auch zur Sprache von Verwaltung und Gerichtsbarkeit, nachdem die Inselgruppe die vollständige Selbstverwaltung erreicht hatte.
Statistisch gesehen erscheint gegenwärtig jedes Jahr ein färöischer Buchtitel pro 325 Einwohner der Inseln – weltweit die höchste Zahl relativ zur Bevölkerung!
Es erscheinen derzeit drei Zeitungen in Färöisch, weitere existieren als Online-Angebot. Es gibt mehrere Radiosender und einen Fernsehsender auf dem Archipel, die ausschließlich in Färöisch senden. An der Universität in Tórshavn werden mittlerweile zahlreiche Studiengänge in Färöisch angeboten. Gegenwärtig ist Färöisch wieder die Erstsprache für 95 Prozent der Bevölkerung.
Die Entschlossenheit der Menschen auf dieser kleinen Inselgruppe im Nordatlantik machte es möglich, dass ihr kaum noch beachtetes sprachliches Kulturgut zu neuem Leben erweckt wurde und mittlerweile wieder ihre hauptsächlich verwendete alltägliche Kommunikationssprache ist. [Hyazinth Sievering]