IMI-Analyse: Mit einer Billion Euro in den Krieg – 15 Punkte, über die wenig berichtet wurde
Während in der Presse die Entscheidung des Bundestags über die unbegrenzten Rüstungsmilliarden und das Infrastrukturprogramm nur unter dem Aspekt der Verschuldung berichtet wird, reden die Kriegspolitiker von CDU/SPD/Grünen nur über eine angebliche Bedrohung und die angeblichen Wohltaten des Infrastrukturprogramms. Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung e. V. gibt in der IMI-Analyse 2025/09 fünfzehn Aspekte zu bedenken. Hier die Zusammenfassung seiner Analyse:
1. Das Infrastrukturprogramm und die Rüstungsmilliarden sind zwei Seiten einer Medaille, denn sonst könnte, ähnlich wie einst in der Bankenkrise, in der Bevölkerung das Gefühl aufkommen, „für Panzer ist Geld da, aber nicht für mich“. (Süddeutsche Zeitung, 12.03.2025)
2. Das so genannte Finanzpaket von 500 Milliarden Euro ist mitnichten ein rein ziviles Infrastrukturprogramm. Der ehemalige FDP-Verkehrsminister hat es in einer Sendung mit Sandra Maischberger in der ARD gesagt: „Hinzukommt, dass die Infrastruktur Teil unserer Sicherheitsarchitektur ist. Viele übersehen, dass die zivilen Infrastrukturen auch für militärische Mobilität erforderlich sind. Und Deutschland ist ein wichtiges Transitland für die NATO.“
3. Das Infrastrukturprogramm hat mit dem schon etwas länger beschlossenen „Operationsplan Deutschland“ („OPLAN DEU“) zu tun, einem geheimen Dokument, das die zivil-militärische Zusammenarbeit und insbesondere ein Funktionieren der Logistik und der Transportmöglichkeiten für die Bundeswehr und andere NATO-Armeen konkret regelt und das gerade Stück für Stück implementiert wird. Es geht darum, dass ein Aufmarsch nach Osten über die Infrastruktur in Deutschland erfolgen soll. Der „Operationsplan Deutschland“ soll auch in den Kommunen umgesetzt werden.
4. Hätte das Billionen-Infrastruktur- und Rüstungs-Paket parlamentarisch verhindert werden können? Dazu ein schlichtes Ja, im Bundesrat hatten die Landesregierungen, die das Doppelpaket befürworten, keine ausreichende Mehrheit. Zuerst fielen die Freien Wähler (FW), Regierungspartner in Bayern, um. Dass dann auch noch die Regierungsvertreterinnen der LINKEN in den Koalitionen in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern – entgegen den Beschlüssen der Partei – zustimmten, ist nur noch peinlich.
5. Es ist offensichtlich: Kürzungen in anderen Bereichen als dem militärischen (Sozialkürzungen) werden von der Koalition CDU/CSU/SPD trotzdem kommen, weil „neben“ dem Investitionspaket und den Rüstungsmilliarden der „normale“ Haushalt finanziert werden muss.
6. Von den Infrastruktur-Milliarden fließen – „dank“ der Grünen – umfangreich Gelder in Waffenlieferungen, insbesondere in die Ukraine.
7. Bei allen angeschafften Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern ist der Rüstungsexport ein wesentlicher Bestandteil der Planungen und der Durchführung der Beschaffungen. Die jetzigen hunderte von Rüstungsmilliarden sind also ein Durchlauferhitzer für viele weitere Rüstungsexporte in den nächsten Jahren in alle Welt, auch völkerrechtswidrig in Kriegen z.B. bei der Türkei oder Israel.
8. Bei den jetzigen Rüstungs-Milliarden soll der Schwerpunkt auf Rüstung aus der EU und befreundeten Staaten liegen. Es gibt aber keine „europäische“ Rüstungsindustrie, weil die Konzerne und die Produkte weltweit vernetzt sind.
9. Die Freigabe der Gelder für die Rüstung ist das eine. Viele Rüstungsprojekte haben eine Vorlaufzeit von 5 bis 12 Jahren. Wenn die geopolitische Situation sich dann geändert hat, wird trotzdem weiter aufgerüstet.
10. Betriebe, die bisher anderes hergestellt haben, werden auf Rüstungsproduktion umgestellt.
11. Es wird offen geplant und davon gesprochen, die Wirtschaft in der EU in Richtung „Kriegswirtschaft“ umzubauen. Insgesamt sollen in den kommenden vier Jahren 800 Milliarden Euro für Rüstung mobilisiert werden.
12. Es wird eine Umstrukturierung von Krankenhäusern auf „Kriegstüchtigkeit“ geben.
13. Politische und parlamentarische Kontrolle der vielen nun folgenden Rüstungsprojekte ist dringend vonnöten, wird bei der finanziellen Dimension und Größendimension immer schwieriger.
14. Es ist weiterhin mit der Stationierung der verschiedenen US-Mittelstreckenwaffen zu rechnen. Was häufig nicht erwähnt wird, ist, dass geplant ist, diese US-Mittelstreckenwaffen mittelfristig durch „eigene“ „europäische“ Mittelstreckenraketen zu ersetzen.
15. Wer glaubt Politik in anderen Bereichen machen zu können, ohne etwas mit diesen Rüstungs-, Militär- und Geopolitik-Fragen zu tun haben zu müssen, hat sich spätestens nach dem Beschluss über die de facto 1 Billion Euro für Infrastruktur und Rüstung geschnitten. Die Dimension der beiden Pakete ist so enorm und so umfangreich, dass bei jeder anderen politischen Frage, die etwas mit Finanzierung und politischen Prioritäten zu tun hat, und welche hat das nicht, dieses Billionen-Paket im Raume steht. Es ist eine Entscheidung, die aufgrund der großen Dimension mehrere Generationen betreffen wird. Und es ist eine Entscheidung, bei der man nur dafür oder dagegen sein konnte oder kann. [jdm]