Vom Krieg und dem Kriegsende in Wippingen
Vom letzten Krieg und vom Kriegsende in Wippingen am 10. April 1945 können heute nur noch wenige erzählen. Johann Tangen, geb 1933, hat vor einigen Jahren stichpunktartig einige Erlebnisse zusammen geschrieben. Tangen war bei Kriegende 12 Jahre alt. Hier einige seiner Erinnerungen:
- Die amerikanischen und englischen Bomber flogen immer wieder über das Emsland zu den Großstädten Hamburg, Bremen, Wilhelmshaven und Hannover. An einem Tag im Sommer musste ich das Mittagessen zu den Männern auf das Feld nachbringen, welches weit außerhalb in der Nähe des Gutshofes Renkenberge lag.. Hier wurde von den Männern mit einem Bindemäher der Roggen gemäht. Ein Bombergeschwader tauchte auf, flog über uns her und die Deutschen schossen dazwischen. Wir mussten schnell mit den Pferden in den nächsten Wald fliehen, bis das Geschehen vorbei war.
- Am 25. Januar 1943 flog ein Bombergeschwader über Wippingen. Ein Flugzeug wurde von deutschen Jägern angeschossen und schwer beschädigt. Das beschädigte Flugzeug warf Bomben ab, die auf das freie Feld an der Kluser Straße zwischen Kossen und Wesseln fielen. Das Flugzeug war mit 8 Besatzungsmitgliedern besetzt. 2 Männer konnten sich mit ihrem Fallschirm retten. Einer der Männer landete bei Schmunkamp im Roggenfeld. Nach Erzählungen von Wilhelmine Schmunkamp (60 Jahre später) hatte dieser Mann sehr bitterlich geweint, wurde aber trotzdem von SA-Leuten aus Ahlen abgeholt. Die übrigen Besatzungsmitglieder kamen bei dem Absturz auf dem Müll bei Dörpen ums Leben. Wegen des Bombenabwurfs wurden wir aus der Schule entlassen und mussten in kleinen Gruppen nach Hause gehen.
- In der Nacht vom 27. auf den 28 September 1943 stürzte auf dem Ortsteil Harpel in der Nähe von Kuper-Wöste ein britisches Flugzeug ab. An Bord befanden sich sechs Soldaten im Alter von 19 bis 22 Jahren mit ihrem 21jährigen Piloten. Beim Absturz starben alle Insassen und die Trümmer der maschine wurden überall verstreut. Gut kann ich mich an den Geruch der verkohlten Leichen erinnern, da ich zusammen mit meinem Vater am darauf folgenden Tag auf dem Kartoffelacker von Borchers, ein Schwager meines Vaters, nebenan Kartoffeln sammeln musste. Zunächst wurden die Soldaten auf dem Wippinger Friedhof bestattet links in der durch eine Hecke abgetrennte Ecke für Ausländer. Nach dem Krieg erfolgte die Umbettung auf den britischen Waldfriedhof bei Kleve.
- Wippingen gehörte zu jener Zeit zum Ortsverband Neubörger. Zum Hitler-Jugend-Treffen gingen die Kinder nach Neubörger, um sich Wehrmachtsparolen anzuhören. Während eines Treffens wurden zwei englische Soldaten vorgeführt, die im Füchtelmoor mit dem Flugzeug notgelandet waren. Die SA-Männer sagten: „Stellt die beiden an die Wand und schießt ihnen eine Kugel durch den Kopf!“ Die beiden Engländer wurden aber abgeführt und kamen in Gefangenschaft.
- Vor dem Einmarsch der Kanadier war eine deutsche Einheit auch in Wippingen stationiert. Sie war auf den Höfen Abeln, Fehrmann und Deters. Eines Nachts fuhr ein PKW von Kluse kommend in Richtung Wippingen. Kurz vor Wippingen wurde dieses Auto vom Tiefflieger beschossen, da sich das Auto in der Dunkelheit mit Scheinwerferlicht auf der Straße befand. Ein Offizier aus dem mit zwei Offizieren besetzten Auto starb bei dem Angriff, der zweite Offizier konnte sich retten.
- Am Chorraum der Wippinger Kirche sollte vor dem Krieg angebaut werden, doch durch den Krieg wurde dieser bau stillgelegt.Pastor Gilhaus befahl uns, alle Steine, die auf dem Kirchplatz lagen in den halbfertigen Anbau der Kirch einzugraben. Alle Kinder mussten diese Steine gut antreten und eine dicke Schicht Sand darüber streuen, um sie zu verstecken.
- Am weißen Sonntag war mein Vater nach Neubörger zur Kirche gefahren. Von dort wiederkommend, berichtete er, das der Ortsgruppenleiter Heinrich Wöste einen sehr nervösen Eindruck machte und hin und her lief. Hatte er Angst vor einem Überfall? Sofort packten wir alle Wertsachen, Porzellan, Decken und Essbares ind Kisten und vergruben sie. Niemand durfte etwas merken. So waren wenigstens ein paar Habseligkeiten vor Raub und Brand geschützt. Nicht alle Wertsachen wurden wieder gefunden, da man sich nicht alle Stellen gemerkt hatte, an denen man etwas vergraben hatte.
- Es war am 09. April 1945, ich weiß es noch genau, ich wollte vom Messdienerunterricht nach Hause. Ich sah zwei Männer an der Beeke-Brücke arbeiten. Die Männer schnauzten mich an „Mach, dass du nach hause kommst!“ Ich eilte nach Hause. Zuhause angekommen, hörten wir einen Knall – die Brücke war gesprengt worden Die Front kam näher, Zeitungen und Nachrichten erreichten uns nicht mehr. Vater entschloss sich, uns Kinder und Mutter nach Haasken (Püngel), das Elternhaus meiner Mutter, zu bingen. Es sei sicherer als zu Hause an der Hauptstraße. Bei Haasken angekommen, konnten wir noch sehen, dass es in der Nähe der Kirch in Börger brannte.
- Als ein Kanadier bei Haasken ein Motorrad ohne Reifen entdeckte, fragte er den Landwirt Hermann Haasken, wo denn die Reifen seien. Hermann Haasken gab zur Antwort, dass Militär habe diese mitgenommen. Der Kanadier zog daraufhin seine Pistole, doch Haasken gab keine andere Antwort. Im selben Augenblick kam der serbische Gefangene, der bei Haasken in Arbeit war und sagte: „Bauer gut“. Der kanadische Soldat ging unverrichterter Dinge weiter. Nur wenige Tage blieben wir bei Haasken, schon bald ging es wieder nach Hause.
- Die Nacht zum 10. April verlief sehr ruhig, doch schon früh am Morgen kamen Panzer von Neudörpen kommend in Richtung Strootburg. Mein Vater und Franz Sievers liefen den Panzern mit weißen Fahnen entgegen. Unsere damalige Hausgehilfin erzählte mir später, dass mein Vater ganz kreidebleich und mit Zittern in den Knien zurückkam, denn sie hatten Glück gehabt, es waren keine deutschen Panzer.
- Mit Strom- und Telefonmasten und großen Türen wurde die Brücke über die Beeke wieder hergestellt. Mit diesen Hilfsmitteln war eine provisorische Brücke entstanden.
- In Neubörger war ein Umschlagplatz für Munition und Naturalien. Die Straße von Kluse nach Neubörger war sehr schmal und die großen Fahrzeuge mussten den Sandstreifen mitbenutzen. In dieser Wagenspur hatten sich tiefe Löcher gebildet. Die kanadischen Fahrzeuge schafften Bausteine heran, mit diesen wurden die großen Löcher gepflastert.
- Die Männer aus Wippingen und Umgebung, die gesund waren, mussten nun jeden Tag nach Neubörger um Munition, Benzin und Naturalien zu verladen. Bei Borchers-Apke war ein kleiner Umschlagplatz. Kurz vor ihrem Haus gab es eine Brücke, die überquert werden musste, wenn man Ware holen wollte. In dieser Brücke war ein Schlagloch und die beladenen Wagen verloren oft ihre Waren – auch schon mal einen vollen Benzinkanister – und rollten in kleine Gräben. Leute, die diese Waren „fanden“ nahmen sie mit und nutzten sie für ihre eigenen Zwecke. [jdm]