150 Menschen demonstrierten, damit das AKW am 15.04.2023 wirklich abgeschaltet wird
Etwa 150 Demonstranten fanden sich heute, am Samstag, den 21.01.2023, vor dem Tor des Atomkraftwerks Emsland ein, um gegen die Laufzeitverlängerung zu demonstrieren. Alexander Vent von der Lingener Gruppe AgiEl drückte bei der Begrüßung schon seine Enttäuschung darüber aus, dass man nicht wie ursprünglich im Ausstiegsgesetz vorgesehen am 31.12.2022 das Abschalten der letzten drei Atommeiler in Deutschland feiern konnte. Jetzt müsse man hier wieder dafür demonstrieren, damit der neue Abschalttermin am 15. 04.2023 auch eingehalten werde. Lingen mit dem Brennelementewerk sei ein Zentrum der bundesweiten Atomindustrie mit europäischer Bedeutung. Deshalb hatten sich auch Vertreter vieler Antiatominitiativen in Lingen eingefunden.
Wladimir Sliwjak, Co-Vorsitzender und Mitbegründer von Ecodefense aus Russland legte den Schwerpunkt seiner Rede auf die Geschäftsbeziehungen des russischen Konzerns Rosatom zu den westeuropäischen Atomkraftbetreibern. Trotz allen Sanktionsgeredes werde weiterhin Uran aus Russland importiert und damit indirekt der Krieg gegen die Ukraine finanziert.
Die französische Umweltaktivistin Cecile Lecomte, die sich am Montagmorgen noch mit ihrem Rollstuhl mit anderen Klimaaktivisten von einer Brücke beim Autobahn-Dreieck Jackerath abgeseilt und so die L241 als Zufahrtsstraße nach Lützerath für mehrere Stunden blockiert hatte, prangerte in ihrer Rede den französischen Konzern Framatome an, der nicht nur das Lingener Brennelementewerk betreibt, sondern für die ganze Misere mit den Atomkraftwerken in Frankreich verantwortlich ist. Nur die Hälfte der Atomkraftwerke laufe u. a. auch, weil im Sommer das Wasser für deren Kühlung fehlte.
Helge Bauer von der Antiatomorganisation ausgestrahlt, der auch schon in Wippingen am 18. Juli 2022 auf dem Sportplatz für die Teilnehmer der Anti-Atom-Radtour sprach, kritisierte die Laufzeitverlängerung des Lingener Kraftwerkes nicht nur grundsätzlich, sondern attestierte dem Kraftwerk, dass es einfach „keinen TÜV“ mehr habe. Die letzten vorgeschriebenen Untersuchungen seien mit Blick auf den Abschalttermin 31.12.2022 schon nicht mehr durchgeführt worden. Zudem seien in den anderen Kraftwerken Risse in den Dampferzeugerheizrohren festgestellt worden. Entgegen den Erwartungen seien die Risse nicht nur an den heißen Enden der Rohre aufgetreten, sondern mehr noch an den kalten Enden. Die kalten Enden seien in Lingen noch nie untersucht worden, obwohl ein geborstenes Dampferzeugerrohr einen GAU auslösen könne. Bauer warb für die Teilnahme an einer Blockadeaktion beim AKW Lingen in der nächsten Woche.
Günter Hermeyer von “Dont nuke the Climate” setzte sich mit den Aussagen von Rafael Mariano Grossi, Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, auseinander, der auf den Klimakonferenzen die Atomkraft als Klimaretter verkaufen will. Atomkraft sei keineswegs klimaneutral, wenn die Urangewinnung und weitere Schritte mit einbezogen werden. Die Atomkraft hat trotz der immensen Geldsummen, die investiert werden, nur eine geringe Bedeutung in Bezug auf die globale Energieversorgung. Nur 10% des Strombedarfs und 5 % des weltweiten Energieverbrauchs werden durch die Atomkraft zur Verfügung gestellt. Die Uranproduktion vergiftet Land und Wasser und ignoriert die Menschenrechte in den betroffenen Ländern. Die Lösung der Klima- und Energiekrise liegt nicht in der Atomkraft, sondern in einem schnellen und gerechten Übergang zu einem kohlenstoffarmen und atomfreien Energiesystem.
Marianne Neugebauer, von der AG Schacht Konrad richtete ironisch Grüße aus dem Weltatomerbe Braunschweiger Land aus. Die Aktivistin, die übrigens auch in Wippingen dabei war, konnte berichten, dass das Konrad-Konzept schon bei der Genehmigung 2000 überholt und sich nach zahlreichen Änderungen die Realisierung immer mehr von der Genehmigung entferne. Eigentlich werde hier eine nicht genehmigte Anlage realisiert. Die AG habe eine Anfrage an den neuen niedersächsischen Umweltminister Meyer gerichtet. Sie sei gespannt, wie dieser, den sie bei vielen Aktionen gegen die Atomkraft gesehen habe – auch in Lingen – sich heute positioniere.
Katja von der Aktion „Runterfahren “ sagte, in ihrer Lebensplanung habe der Kampf gegen die Atomkraft nach dem Ausstiegsbeschluss eigentlich keinen Platz mehr gehabt. Sie habe sich auf Friedensarbeit und die Flüchtlingshilfe konzentrieren wollen. Und jetzt müsse sie wieder an einem kalten Wintertag vor einem Atomkraftwerk stehen und gegen einen möglichen Weiterbetrieb demonstrieren. Ihre Gruppe plant am Wochenende vom 28.-29.01.23 eine mehrstündige Sitzblockade am AKW in Lingen. Die Aktiven, die unter anderem aus dem Spektrum von X-tausendmal quer stammen, möchten mit dieser Warnblockade klar mache, dass der gesellschaftliche Konflikt um die Atomkraft mit dem Zurücknehmen des vereinbarten Ausstiegs wieder aktuell wird. Die Anti-AKW-Bewegung wird sich gegen den lebensbedrohlichen Betrieb von Atomanlagen einsetzen – notfalls mit massenhaftem zivilem Ungehorsam.
Für Bernd Redecker vom BUND spielte es letztlich keine Rolle, ob das Uran aus Russland oder aus den anderen Abbaugebieten, wie dem Niger, Kanada oder Australien, stamme. In allen Fällen sei die Uranproduktion mit Zerstörung der Umwelt und einer zerstörerischen Energieproduktion verbunden. Der BUND plane zum Fukushima Jahrestag am 11. März bundesweite Aktionen um den endgültigen Ausstieg sicher zu stellen. Er sei optimistisch und wolle am 15 April den Atomausstieg feiern. Das Angehen der ungelösten Atommüllfrage sei ja jetzt um einige Jahre verschoben worden und er frage sich, ob den Menschen eigentlich bewusst sei, was dies für die Zwischenlagerung bedeute. Die Zwischenlager – auch beim Atomkraftwerk Lingen – hätten eine zeitlich begrenzte Genehmigung. Jetzt, wo das Endlager in Deutschland womöglich erst im nächsten Jahrhundert zur Verfügung stehe, sei die Frage, wie der Atommüll bis dahin an den jetzigen Standorten gelagert werde. Um hier eine Diskussion über die Sicherheit in Gang zu bringen, überlege der BUND einen Stilllegungsantrag zu stellen.
Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen erklärte, dass RWE nicht nur seit Jahren einer der führenden Atomkonzerne sei, sondern ebenso im Braunkohle- und Erdgasgeschäft aktiv sei. Der Konzern sei mitverantwortlich dafür, dass den Menschen im Niger für den Uranabbau buchstäblich das Wasser abgegraben werde, er sei mitverantwortlich für die Klimakrise und die Zerstörungen im Braunkohleabbaugebiet und ebenso für die Klimakrise allgemein.
Der Liedermacher Gerd Schinkel begleitete die Kundgebung mit seinen Liedern; eine Tanzgruppe, die sich in Lützerath gebildet hatte, führte einen Tanz auf. [jdm]