Eine Weihnachtsgeschichte
In meiner jetzigen Tätigkeit als Lehrer an einer Gesamtschule, ist meine Aufgabe, mich um die Kinder zu kümmern, die als nicht beschulbar gelten. Das sind nicht nur Migrantenkinder, sondern auch solche, die in unserer Kultur als grenzwertig empfunden werden, wenn es darum geht zu funktionieren. Meine Klasse soll diese Kinder wieder „in die Spur bringen“. Disziplin ist die Hauptforderung des Systems. Nach wenigen Wochen haben diese Kinder verstanden, dass sie das bei mir und meiner Kollegin, einer tollen Erzieherin, bekommen, was sie im System vermissen. Liebe und Verständnis. Das Aussortieren in meine Klasse, was als Disziplinarmaßnahme gedacht war, wird bei den Kindern inzwischen als Zufluchtsort angenommen. Lehrer, die durch die Verhaltensauffälligkeiten dieser Kinder sehr gestresst sind – es gilt ja, auch die anderen angepassten zu beschulen – sind froh, die Störer wegzuparken.
Meine Beschreibung ist keine Kritik. Sie soll darauf aufmerksam machen, dass die Störer ein wichtiger Hinweis darauf sind, was wir falsch machen. Es geht nicht in erster Linie darum, angepasste junge Menschen auf das Leben in unserer Leistungskultur vorzubreiten, sondern darum, Kindern ihren Selbstwert erfahren zu lassen. Nur über die Liebe zu sich selbst ist Liebe für andere möglich. Nur eine solche Erziehung und Bildung kann Voraussetzungen schaffen, die später bei Führung und Management und in der Politik zu Entscheidungen führen, die unserem Anspruch auf Humanität gerecht werden. – Predigen ist ein ungeeigneter Weg, um Veränderung zu bewirken. Geschichten erzählen ist ein unverfänglicher Weg. Meine Weihnachtsgeschichte ist ein solcher. [Ulrich Scholz]