Argentiniens Präsident Milei: Rechtsradikalismus unter der Tarnkappe der „Freiheit“
Beim Weltwirtschaftsforum der Superreichen und ihrer politischen Dienstleister in Davos wurde der argentinische Präsident Milei bejubelt. Auch Elon Musk lobte ihn über den grünen Klee. Der Internationale Währungsfonds (IWF) gibt jetzt eine weitere 4,7-Milliarden-Dollar-Tranche aus dem 44 Milliarden US-Dollar schweren Hilfsprogramm für Argentinien frei. Begründung: „Die neue Regierung unternimmt mutige Schritte, um die makroökonomische Stabilität wiederherzustellen und langjährige Wachstumshindernisse zu beseitigen“, erklärte IWF-Exekutivdirektorin Kristalina Georgiewa.
Die führenden wirtschaftlichen Eliten des Westens stützen also diesen Mann, der von der Tagesschau als „ultraliberal“ bezeichnet wird. Er selbst bezeichnet sich als Anarcho-Kapitalist. Ultraliberal assoziieren viele mit „vollständig frei“, dabei hat Milei nur die vollständige Freiheit des Kapitals im Sinn. Und mit Anarchismus hat Milei natürlich auch nichts im Sinn; dieser Begriff definiert nur die extremste Form des Neoliberalismus, die dem Kapital volle Freiheit gewährt und den Staat von jeglicher Sozialgesetzgebung be“freien“ will und ihn nur noch zum Schutz des Kapitals benutzen will. Ein anderer Begriff für diese Denkweise ist der Libertarismus.
Für libertäre Politiker wie Milei, dem ehemaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro, Ex-US-Präsident Trump, dem englischen Boris Johnson und den Politikern der neuen Rechten in Europa von den Neofaschisten Italiens bis zur deutschen AFD ist die Demokratie als soziale Komponente des Staates entbehrlich und nur lästig.
Mileis – von der Tagesschau nur als „Reformpläne“ bezeichnetes – Gesetzesvorhaben, das so genannte Omnibus-Gesetz, sieht eine Art Ermächtigungsgesetz für die Regierung vor und hunderte von Einzelvorhaben zur Entrechtung der Arbeiter. Die Süddeutsche Zeitung beschreibt das Gesetz so: „So soll zum Beispiel das Wahlrecht reformiert und das Demonstrationsrecht eingeschränkt werden. Versammlungen ab einer Größe von drei Personen bräuchten eine Genehmigung, und Strafen wegen Straßensperren würden erhöht. Gleichzeitig würden Kontrollen und Bußgelder für die Einstellung von Schwarzarbeitern wegfallen, zudem Subventionen für Kulturinstitutionen und Bibliotheken eingespart. Dazu soll eine ganze Reihe von staatlichen Firmen privatisiert werden, darunter die Post, die Hafenverwaltung, die Fluglinie Aerolineas Argentinas und die Ölgesellschaft YPF. Und die Regierung soll durch die Ausrufung eines Notstands in verschiedenen Bereichen enorme Befugnisse bekommen. So könnten etwa Teile der Gesetzgebungsgewalt für zwei Jahre auf sie übertragen werden. Präsident Milei wäre in der Lage, seine extrem wirtschaftsfreundliche Agenda ohne die Zustimmung des Parlaments durchzusetzen.“
Nun kommen einem diese Maßnahmen nicht wirklich unbekannt vor: Würde man die EU-Wirtschaftspolitik zur Deregulierung der Wirtschaft und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen der letzten dreißig Jahre auf ein einziges Gesetz verdichten, könnte man sehr viel Ähnlichkeit feststellen. Allerdings fehlt bei der hiesigen neoliberalen Politik noch dieser Fokus auf Abschaffung des Staates und demokratischer Spielregeln. Was nicht fehlt: Auch in europäischen Betrieben ist die Demokratie weiter auf dem Rückzug durch Gewerkschaftsbashing, die partielle Abschaffung der Arbeitslosenversicherung, die Ausdehnung von Niedriglohnbereichen, sowie der sogenannten Sharing Economy und dem allgemeinen Sozialabbau.
Mileis Omnibus-Gesetz ist im Moment gescheitert, weil auch konservativen Politikern in Argentinien klar wurde, dass das Vorhaben gegen die Verfassung verstößt. Dass Mileis Libertarismus mit Freiheit der Bürger nichts zu tun hat, zeigt sein heutiger Vorstoß. Seine extrem rechte Partei „La Libertad Avanza“ (Die Freiheit voran) brachte einen Gesetzentwurf ins Parlament ein, nach dem auch ein Schwangerschaftsabbruch nach Vergewaltigung verboten werden soll, was die Gesetzgebung laut RND auf den Stand von 1921 setzen würde. [jdm]