Antisozialistischer Unfug
Unter der Überschrift „Sozialistischer Unfug“ schreibt der Kommentator der NOZ Michael Clasen am 19.06.2019 über den vom Berliner Senat beschlossenen Mietendeckel von „Linkspopulismus“, der die Grenzen von Recht und Vernunft sprenge. Und betreibt damit Rechtspopulismus und die Verbreitung von Fake-News – denn rechtswidrig ist das Handeln des Senats nicht – mithin werden auch nicht die Grenzen des Rechts gesprengt.
Und die Vernunft spricht auch nicht gegen die Maßnahme – auch wenn Clasen hier sein ganzes antikommunistisches Vokabelrepertoire (sozialistischer Unfug, DDR, kalte Enteignung) bemüht, um über die Dürftigkeit seiner Argumentation hinweg sehen zu helfen.
Clasen hat nur ein einziges Argument, das er verwendet: Investoren würden abgeschreckt, Wohnraum zu bauen, weil sie bei steigender Inflation keine Mittel für Rücklagen, Reparaturen und Instandsetzungen hätten.
Nun hatten die Immobilienkonzerne in den letzten 30 Jahren seit Bundeskanzler Kohl den sozialen Wohnungsbau und alle Beschränkungen für die Wohnungsbaukonzerne abgeschafft hat, genug Zeit, zu zeigen, dass sie genug Wohnungen zu vernünftigen Preisen bereit stellen können. Genau das ist nie passiert – aber Profite haben die Immobilienkonzerne wie Vonovia, Deutsche Wohnen oder LEG Immobilien satt gesammelt.
Erst die Abschaffung der Steuerprivilegien für gemeinnützige Wohnungsunternehmen 1990 hat die jetzigen Immobiliengroßkonzerne möglich gemacht. Hinzu kamen die Stadt- und Landesregierungen im ganzen Land, die die Wohnungen in öffentlichem Besitz für aus heutiger Sicht miserabel niedrige Preise an diese Konzerne verscherbelten. Verbleibende kommunale Wohnungsgesellschaften wurden unter den Druck gesetzt, Profite wie die neuen Konzerne erwirtschaften zu müssen.
Geld hatten die Immobilienkonzerne die ganze Zeit über genug. Aber die Mieten sind dennoch ins Unermessliche gestiegen. Das Wohngeld vom Staat für schlechter Verdienende war letztlich nur eine verdeckte Subventionierung der Konzerne. Mietspiegel orientierten sich seit Helmut Kohls „Reformen“ nur an den teuersten Mieten auf dem Markt – hatten also keine dämpfende Wirkung. Die letzte sogenannte Mietpreisbremse bremst nichts ab.
Der Berliner Mietpreisdeckel ist somit nur eine Notmaßnahme um Luft bzw. Zeit zu bekommen, um eine echte soziale Wende zu erreichen. Denkbar sind die Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit, der Aufbau staatlichen sozial gebundenen Wohnungsbaus oder auch in bestimmten Ausbeutungszentren von Vonovia und Co. die (Wieder-)Verstaatlichung von Wohnungen.
Clasens Lamento über falsche Bevölkerungsprognosen, Flüchtlingskrise, überbordende Vorschriften, falsche Sparmaßnahmen, explodierende Baukosten, sind ohne jede Substanz und Clasen mündet in seinem Kommentar somit auch in die typische neoliberale Forderung nach neuer Staatsknete für die Konzerne: „höhere Fördermittel und sinkende Bauauflagen“, also noch mehr Freiheit zum Geldverdienen.
Das ist doch seltsam: So staatsfern sich die neoliberalen Verteidiger der vollkommenen Freiheit für die Konzerne auch geben, für eine Forderung nach Geld vom Staat ist in jeder Rede und jedem Artikel noch etwas Platz. [jdm]