Die AFD und das kollektive Arbeitsrecht

Im Sozialbereich ist mit den veröffentlichten Konzepten klar, dass die AFD nicht die Arbeiter und Wenigverdiener im Blick hat, sondern die Reichen reicher machen möchte: die Rente soll durch die Aktienrente geschwächt werden, alle sollen länger bis zur Rente arbeiten, sie ist gegen eine Mietpreisbremse, gegen Strom- und Gaspreisbremsen, gegen die Erhöhung des Mindestlohns und fordert die Auflösung der Arbeitsagentur und verschärfte Sanktionen gegen Arbeitslose. Das DIW stellte 2023 fest, dass die Hauptleidtragenden der AFD-Politik ihre eigenen Wähler seien.

Was sagt die AFD aber zum Arbeitsrecht, also dazu, welche Rechte Arbeitnehmer haben sollen?

Dazu hat die AFD bisher keine Programme verabschiedet, so dass man sich bei der Beurteilung dieser Frage nur auf ihre Veröffentlichungen aller Art verlassen kann. Das Hugo-Sinzheimer-Institut für Arbeits- und Sozialrecht hat in einer Studie Bundestagsreden, Anträge und Gutachterauslassungen im Bundestag, aber auch Programmentwürfe, Reden und Pressemitteilungen von AFD-Politikern ausgewertet.

Sie kommt dabei zu dem Schluss, dass die AFD sich formal positiv zur Mitbestimmung und zur Tarifautonomie äußert und so das Bild der „Partei für die Arbeiter“ kultiviert. Aber immer wenn dieses Bekenntnis konkret wird, handelt sie gegen diese Rechte. So benutzte sie im Bundestag ihr Bekenntnis zur Tarifautonomie vor allem dazu, um sich gegen Mindestlohnerhöhungen und Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen auszusprechen. Sie begründete dies dann damit, dies verstoße gegen die Tarifautonomie, die man den Tarifpartnern allein überlassen müsse. Obwohl sie sich mit markigen Worten für eine Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge in der Pflege aussprach, lehnte sie im Bundestag einen Gesetzentwurf für bessere Löhne in der Pflege ab.

Die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer im Betrieb sieht die AFD ausschließlich bei den Betriebsräten angesiedelt. Diese müssten im Konsens mit den Arbeitgebern im Interesse des Betriebes tätig werden. Dass Arbeitnehmer auch ganz andere Interessen haben können als die Arbeitgeber, wird von der AFD geleugnet. Wenn Betriebsräte gegen den Arbeitgeber aktiv werden, liegt das nach Ansicht der AFD nur an den Gewerkschaften, die den Klassenkampf schüren würden.

Die AFD möchte den Einfluss der Gewerkschaften in den Betrieben zurückdrängen. Als Hauptmittel hat sie dazu die Tarifverträge ausgesucht. Im derzeitigen Tarifrecht sind es die Gewerkschaften, die mit den Arbeitgebern Tarifverträge aushandeln. Diesen Tarifvorbehalt gibt es aus gutem Grund: Ohne die Kampfkraft der Gewerkschaften „verlören die Arbeitnehmer an kollektiver Verhandlungsmacht, sobald sie sich nicht mehr mit Arbeitnehmer*innen anderer Betriebe zusammenschließen, um zu versuchen, den strukturellen Nachteil gegenüber der Arbeitgeberseite auszugleichen.“

Die AFD möchte die Tariffähigkeit der Betriebräte erreichen. Was sich mit dem unbedarften Blick als eine Art basisdemokratische Idee verstehen ließe, ist in Wahrheit die tarifpolitische Entwaffnung der Arbeitnehmer. Dies würde die Konkurrenz zwischen Belegschaften verschiedener Betriebe verschärfen. Statt Streit um höhere Löhne, käme es zu einem Unterbietungswettbewerb. Erschwerend kommt hinzu, dass laut dem Betriebsverfassungsgesetz Betriebsräten die Organisierung von Streiks verboten ist. Das dürfen nur Gewerkschaften. Betriebsräte hätten aber auch überhaupt keine Ressourcen, um einen Streik durchführen zu können.

Das Ergebnis wäre, dass es keine Flächentarifverträge mehr geben würde und das Streikrecht faktisch nicht mehr vorhanden wäre. Das Bundesarbeitsgericht stellte aber schon 1980 in einem Grundsatzurteil fest, dass Tarifverhandlungen ohne Recht auf Streik nicht mehr seien als „kollektives Betteln“.

Die Studie stellt zusammenfassend fest, die Analyse der konkreten Positionen der AFD zum kollektiven Arbeitsrecht zeige, dass es sich bei der AFD mitnichten um eine Arbeiterpartei handele. [jdm]