Antiatomorganisation „Ausgestrahlt“ informierte über Suche für Atommüllendlager
Helge Bauer von der Antiatomorganisation „Ausgestrahlt“ berichtete am Samstag in Osnabrück über den Stand des Auswahlverfahrens für ein Atommüllendlager. Er kritisierte, dass das Auswahlverfahren den im Gesetz genannten Kriterien der Transparenz, Wissenschaftlichkeit oder Einbeziehung der Betroffenen nicht entspreche. Für Wippingen ist dieses Thema immer noch besonders nahe, weil zwischen Renkenberge, Werpeloh und Wippingen in der Erde der Salzstock Wahn liegt, der als möglicher Standort in Frage kommt.
Der Salzstock Wahn war in den siebziger Jahren schon einmal in der engeren Wahl, bevor sich der damalige niedersächsische Ministerpräsident Albrecht aus politischen Gründen für Gorleben entschied. Gorleben ist seit 2011 – je nach Ansicht – Geschichte oder eine Wahlmöglichkeit unter vielen.
Die Atomkraftwerke in Deutschland werden bis zum Ende der Laufzeit des letzten AKW 17.000 Tonnen hochradioaktiven Müll produziert haben, der in 1900 Castoren in 16 Zwischenlagern auf seine endgültige Lagerung wartet. Hochradioaktiver Müll produziert laufend Wärme. Das Endlager muss also auch dafür geeignet sein. Die AKW-Betreiber haben für die Endlagerung 24 Mrd. € in einen Atommüllfonds eingezahlt. Wenn das Geld nicht reicht – wie voraus zu sehen ist – zahlt der Staat, also der Steuerbürger, die Atommüllentsorgung statt der Aktionäre.
2011 beschloss der Bundestag ein neues Standortsuchverfahren. 2014 bis 2016 tagte dafür eine Atommüllkommission, deren Arbeit in einem Standortauswahlgesetz mündete, das 2017 beschlossen wurde. Das Gesetz legte fest, dass der Atommüll in einem der drei Gesteinsformationen Salz, Ton oder Granit gelagert werden soll. Der Müll muss 500 Jahre im Prinzip zurück geholt werden können, mindestens 300 Meter tief gelagert werden und für 1 Million Jahre sicher lagern können (nach 1 Mio. Jahren hat sich die Radioaktivität bei den am längsten strahlenden Stoffen halbiert).
Eine Karte von „ausgestrahlt“ zeigt, wo wegen der bisher bekannten geologischen Verhältnisse Standorte für ein Atommüllendlager liegen könnten. Das Gesetz sieht drei Siebe vor, die ungeeignete Standorte aussortieren: 1. Die Geologie muss grundsätzlich stimmen. Vulkanische Gegenden, wie die Eifel, fallen somit schon mal weg. Es darf keine Erdbebengefahr geben und die Gesteinsformation darf nicht durchlöchert sein. Damit sind alle Kohleabbaugebiete auch raus. 2. Mindestanforderungen wie 300 Meter Tiefe oder ein darüber liegendes Deckgebirge müssen vorhanden sein. 3. Abwägungshindernisse, wie Abstand zur Wohnbebauung, Trinkwasserschutz und Naturschutzbelange müssen geprüft werden.
Für das ganze Verfahren gibt es vier Akteure: 1. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die die Suche praktisch durchführt, Daten sammelt und misst. 2. Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE). Dies ist die Aufsichtsbehörde, die auch für die Öffentlichkeitsbeteiligung verantwortlich ist. 3. Das Nationale Begleitgremium (NBG), das aus 18 Personen, davon 6 „Zufallsbürgern“, besteht. Dieses unabhängige Gremium ist z. T. nach Proporzgesichtspunkten besetzt. Wie es wirksam werden kann, ist ziemlich unklar. 4. Der Bundestag, der jede Phase der Standortsuche mit einem Beschluss abschließt.
In der Phase 1 werden die vorhandenen geologischen Daten ausgewertet. Das hört sich einfacher an, als es ist. Denn die Fläche Deutschlands ist keineswegs überall geologisch erforscht, sondern nur dort, wo irgendjemand dies aus einem besonderen Interesse getan hat, z. B. weil er Gas oder Öl fördern wollte, Gaskavernen ausgespült hat oder Möglichkeiten der Geothermie erkunden wollte. Die Daten sind entsprechend lückenhaft bzw. einseitig auf den Zweck ausgerichtet. Außerdem haben die Firmen ihre Daten zwar an die Landesämter für Geologie weitergeben müssen; diese dürfen die Daten aber nicht Dritten zur Verfügung stellen, also auch nicht der Öffentlichkeit. Damit ist die geforderte Transparenz nicht mehr gegeben. Über große Teile Deutschlands gibt es keine Daten. Diese werden somit auch nicht in die Standortsuche einbezogen, denn 2020 soll schon ein Zwischenbericht mit der Benennung von „Teilgebieten“ vorliegen.
Teilgebiete können exakt benannte mögliche Standorte sein oder auch größere Gebiete, wie Gemeinden oder Landkreise. Unklar ist, wie viel Teilgebiete benannt werden. Es wird mit bis zu 180 Teilgebieten gerechnet. Dann sollen in den Teilgebieten innerhalb von sechs Monaten jeweils drei Teilgebietskonferenzen stattfinden, bei denen die betroffene Bevölkerung eingebunden werden soll. Wer die Öffentlichkeitsbeteiligung in einzelnen Ansiedlungsverfahren kennt, weiß, dass dies in sechs Monaten in einer qualitativ befriedigenden Weise nicht zu schaffen ist.
Am Ende der Phase 1 steht dann eine Bundestagsentscheidung über die Festlegung von Teilgebieten, die näher untersucht werden sollen. Wie die Ergebnisse der Phase 1 in die Entscheidung des Bundestages einfließen ist unklar. Möglicherweise geht es schon dann nur um ein Geschacher von Politikern, um ihre eigenen Herkunftstorte aus dem Verfahren herauszuboxen. Sachsen und Bayern führen dies ja vor, indem sie ihre möglichen Lagerstätten jetzt schon als grundsätzlich ungeeignet bezeichnen und immer wieder auf das Beibehalten des Standorts Gorleben bestehen.
In der Phase 2 soll in den vom Bundestag festgelegten Teilgebieten eine obertägige Erkundung stattfinden. Obertägig heißt, es werden Erkundungsbohrungen und seismische Messungen durchgeführt mit denen ein genaueres Bild der Geologie und des Untergrundes entstehen sollen.
Der Prozess wird vorort von Regionalkonferenzen begleitet, die die Einbeziehung der Bevölkerung sicherstellen sollen. Die Regionalkonferenzen wählen Delegierte für einen Rat der Regionen, dem auch Vertreter der Zwischenlagerstandorte angehören sollen. Durch die obertägigen Untersuchungen sollen fortlaufend ungeeignete Standorte ausgeschieden werden. Die entsprechenden Regionalkonferenzen werden aufgelöst. Übrig bleiben mindestens zwei Standorte. Der Bundestag beschließt am Ende der Phase 2, welche Standorte untertägig untersucht werden sollen. Der Bundestag soll mindestens zwei Standorte benennen.
In Phase 3 errichtet die BGE an den beschlossenen Standorten Erkundungsbergwerke. Geologen untersuchen mit Bohrungen und anderen Methoden das Gestein. Anschließend wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Die Regionalkonferenz besteht weiterhin. Die Phase 3 endet 2031 mit dem Bundestagsbeschluss über den endgültigen Standort.
Anschließend beginnt der Ausbau des Standortes, so dass 2050 der Atommüll eingelagert werden kann.
Die Kritik von „ausgestrahlt“, aber auch anderen Umweltverbänden, fokussiert sich zunächst auf den mangelnden Rechtsschutz. Dadurch, dass es sich bei den Standortbeschlüssen jeweils um Bundestagsbeschlüsse handelt und nicht um Genehmigungen einer Behörde, sind auch die aus anderen Genehmigungsverfahren bekannten Klagemöglichkeiten von Betroffenen ausgeschlossen. Möglich sind zwar Klagen vor Verwaltungsgerichten, aber hier gelten ganz andere rechtliche Bedingungen. Letztlich gibt es in diesem Verfahren trotz der im Gesetz angestrebten Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung weniger Rechtsschutz, als in herkömmlichen Verfahren.
Tatsächlich wird wegen der mangelnden Datenlage nicht von einer „weißen Landkarte“ ausgegangen, sondern es kommen nur die bekannten Standorte in die Auswahl. Das bedeutet nicht, dass der sicherste Standort gefunden wird. Die Daten werden der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht, so dass eine echte Prüfung der Eignung der Standorte auch nicht stattfinden kann.
Bei dem Prozess handelt es sich entgegen den Zielen des Standortauswahlgesetzes nicht um einen selbst lernenden Prozess, weil der Zeitdruck Abweichungen vom Plan nicht möglich macht. [jdm]